Zum ersten mal geoutet

Schöne Erlebnisse, schöne Geschichten, Freude, Positives

Moderator: Moderatoren

Antworten
scaramouch

Zum ersten mal geoutet

Beitrag von scaramouch »

Hallo meine Lieben
gestern habe ich seit Jahren zum ersten Mal wieder mit einer alten Freundin gesprochen.
Wir erzählten uns von unseren letzten Jahren und sie fragte mich, wie es mir gehe.
Mir schlug das Herz bis zum Hals, aber ich habe ihr tatsächlich relativ gefasst und ruhig von meiner PPD erzählt.
Sie war natürlich geschockt, aber hat sehr verständnisvoll und interessiert reagiert.
Ich bin stolz, mich zum ersten Mal getraut zu haben, aber ich merke auch das ich mich immer noch viel zu sehr schäme.
Es gibt so viele Menschen, die mir nahe stehen und bis heute nichts wissen und auch nichts gemerkt haben.
Wie ist das bei euch?
Wie habt ihr es nahe stehenden Menschen erzählt?

Lg
scara
schnecke

Beitrag von schnecke »

Hallo,

ich bzw. wir hatten relativ vielen Menschen versucht davon zu erzählen. Vorallem, weil glaube ich mein Mann sich dadurch erhofft hatte, dass sich mal einer unserer "Freunde" oder Verwandten hier her verirrt und mir einfach Gesellschaft leistet. Naja, lange Rede, kurzer Sinn: es kam niemand, verstanden hat es auch niemand :cry: und so ist es bis heute. Es gibt eine Bekannte, die selbst unter einer PPD litt, aber auch bei ihr kam nichts zurück (ich denke, sie hat evtl. noch mit sich selbst zu kämpfen).

Mittlerweile lächel ich nur noch, wenn mich jemand fragt, wie es mir geht und sage, dass es mir gut geht. Oft höre ich dann, wie schön ja alles mit Kind ist und wann das zweite kommt (NIE!). Außerdem wars ja doch nur ein "bischen Babyblues". Und somit sag ich einfach mittlerweile nichts mehr.

Es freut mich sehr, dass Deine Freundin interessiert war und dich wohl auch verstanden hat. Das Schamgefühl brauchen wir eigentlich gar nicht zu haben, denn es gibt nichts, wofür wir uns schämen müssten, und trotzdem schämen wir uns immer wieder über unsere PPD zu reden.

Weiterhin alles Liebe, schnecke
Juliane

Beitrag von Juliane »

Leider ist es so, dass zeigt auch meine Erfahrung, dass kaum jemand ehrlich Notiz davon nimmt wie es einem geht.

Ich habe nie gelogen, wenn ich gefragt wurde, aber eigentlich rechnet mit dieser Antwort niemand und es will sich auch niemand ehrlich mit der Problematik befassen. Einfach nur Traurig...

Auf die Frage "Wie gehts denn so?" erwartet niemand eine Antwort, die lautet "Ehrlich gesagt beschissen, mir gehts gar nicht gut." Man möchte hören "Danke, gut. Und selbst?".

Aber etwas Positives kann ich meiner Krankheit abgewinnen ... ich habe gemerkt, dass ich an diesen Oberflächlichkeiten keinen Gefallen (mehr) habe und meide solche Personen privat so gut es geht. Da trennt sich auch bei "Freunden" die Spreu vom Weizen. Viele sind nicht übrig geblieben, aber die wenigen, die noch da sind, auf die kann ich mich 100 % verlassen.
Benutzeravatar
Marika
power user
Beiträge: 9985
Registriert: 04:06:2005 16:05

Beitrag von Marika »

Hallöchen,

super gemacht - du machst ganz tolle Fortschritte, die dir immer mehr Selbstvertrauen geben!!! Es ist schon so, dass es sicher nicht alle im Umkreis gleich gut verstehen bzw. so reagieren, wie man sich das wünschen würde. Aber meiner Erfahrung nach, ist das zweitranging: Vordergründung hat es mir enormen Auftrieb und Selbstvertrauen gegegen, dass ICH ES GESCHAFFT HATTE MICH ZU OUTEN!!! Wie die anderen dann reagiert haben, war im Endefffekt nicht ganz so wichtig, auch wenn es sehr schön wäre, wenn man mehr Hilfe und offene Ohren erfahren würde. Ich hatte glücklichweise eigentlich großteils das erfahren dürfen, aber auch nicht zu 100 %. Mit der Zeit habe ich aber gemerkt, dass in erste Linie das VON MIR AUS ERZÄHLEN MEINER KRANKHEIT mir so gut tut. Auch wenns nur ein oder zwei Sätze waren, ich hatte das Gefühl ich darf "ich" sein mit dem Handicap "PPD" und die anderen MÜSSEN es zumindest registrieren. Das hat mir bis heute enormen Aufschwung gegeben.

Auch heute noch, wenn ich erzähle, dass ich eine PPD bzw.ein AD nehme, erfahre ich, wie gut mir das tut, einfach ehrlich sein zu können denn dadurch nehme ich mich jedesmal selber genau so an, wie ich bin!!!!

Toll gemacht Süße, weiter so!!!! Egal wie die anderen reagieren - es kommt auch viel drauf an, dass du es einfach sagst!!!
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
scaramouch

Beitrag von scaramouch »

Danke euch für die Antworten.
Vielleicht wird es bald leichter, drüber zu reden.
00julchen

Beitrag von 00julchen »

hi,

bei mir wussten es von anfang an ALLE! es gab ja keine chance es zu verschweigen, weil ich 5 monate in der klinik war. ich habe damals nach kurzer zeit eine rundmail geschrieben und das im regelmäßigem abstand wiederholt, um die leute auf dem laufenden zu halten.

negativ hat keiner reagiert!

allerdings erzähle ich neuen bekannten jetzt nicht davon, was ich mal hatte.
Juliane

Beitrag von Juliane »

Marika hat recht! Es ist wirklich sehr schön, dass du Scara, so eine tolle "Begegnung" hattest und es freut mich, dass deine Bekannte es so gut aufgenommen hat. So sollte es ja auch sein.

Mein Vater hat damals, bevor ich mich hab einweisen lassen, gesagt: Wenn du in die "Klapse" gehst, bekommst du einen Stempel aufgedrück, den bekommst du nie wieder weg.

Was ich in meinem ersten Kommentar meinte, ist eben genau das Gegenteil von der Meinung meines Vaters. Ich habe keinen Stempel auf der Stirn. Ich lüge nicht, wenn mich einer fragt. Und wer sich nicht ehrlich interessiert, der ist mir eben schnuppe. Und wer dabei etwas Schlechtes denkt, ist einfach nur dumm.

Also, ich freu mich und hoffe, viele machen hier solche aufbauenden Erfahrungen.
Shatura

Beitrag von Shatura »

ich bin gerade dabei mich zu outen. bei mir keine große sache, ich bin von haus aus nicht scheu und spreche im normalfall offenherzig aus was ich denke (typisch schütze halt).

heute bin ich zufällig einer bekannten beim einkaufen über den weg gelaufen (ihre tochter ist jetzt ca. 6 monate alt). sind zusammen mit den kinderwägen heim und haben uns unterhalten. haben über baby blues und PPD gesprochen und da schau her: sie war wegen depressiven stimmungen vor gar nicht allzu langer zeit bei ihrer heilpraktikerin.

die welt ist doch klein!

scara, wer weiß, vielleicht erlebst du auch noch solche überraschungen. und wenn du deinem engen umfeld nichts erzählst, gibst du ihnen keine chance dir zu helfen. vielleicht merken einige, dass es dir nicht gut geht und wissen nicht wie sie dich drauf ansprechen können?
Antworten