Schwanger und Zwangsgedanken - ein liebes Hallo in die Runde

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Jadala

Schwanger und Zwangsgedanken - ein liebes Hallo in die Runde

Beitrag von Jadala »

Hallo zusammen,

ich bin beim googeln auf dieses Forum gestoßen und möchte mich gerne bei euch vorstellen.

Ich bin 34 Jahre alt und habe in meiner ersten Schwangerschaft 1998 zum ersten Mal aggressive Zwangsgedanken und später Angst vor Psychosen bekommen. Damals war ich gerade 17 und ein sehr ängstlicher Mensch, genauer gesagt hatte ich zunächst mit etwa 16 Jahren die ersten Panikattacken. Die Zwangsgedanken kamen etwa in der 30. SSW ganz plötzlich, als ich völlig entspannt im Garten saß. Im Nachhinein war es natürlich auch eine besondere Situation, so jung schon schwanger, kein Partner, ungewisse Zukunft.

Für mich war das der absolute Horror, zumal ich mich damals auch nicht mal eben im Internet informieren konnte :wink: Ich habe mich wirklich für völlig unnormal gehalten. Über viele Jahre konnte ich mich dann auch niemandem anvertrauen. Die ZG's waren immer präsent, bezogen sich dann häufig auf die liebsten Menschen um mich herum, aber auch eigentlich alle anderen. Nach einiger Zeit war mir klar, dass ICH solche Taten niemals würde ausführen können. Da machte es dann "Plopp" und die Angst vor Psychosen, Schizophrenie etc. kam hinzu. Und man hatte ja schon so viel darüber gelesen leider :roll: Ein "verrückter" Gedanke nach dem anderen kam mir in den Sinn.

Insgesamt habe ich trotzdem immer alles geschafft, was ich mir vorgenommen hatte. Erst eine Ausbildung, dann habe ich zunächst halbtags gearbeitet, bis ich schließlich wieder zur Schule gegangen bin. Als ich dann schließlich 2005 kurz vor meinen Abiturprüfungen stand, wurde die Belastung unerträglich. Mir ging es wahnsinnig schlecht, sowohl die ZG´s als auch die Angst vor dem "verrückt werden" waren nicht mehr auszuhalten. In dieser besonders schlimmen Phase habe ich mich meinem heutigen Mann anvertrauen können und mir eine Therapeutin gesucht. Etwa 3 Monate habe ich Fluoxetin genommen, die Therapie ging etwas über ein halbes Jahr. Schon direkt nach dem erfolgreichen Abi ging es mir schlagartig viel besser.

Es folgten viele Jahre, in denen es mir zu 99% sehr gut ging. Ich hatte kaum Probleme, sowohl mit ZG´s als auch der Angst vor dem verrückt werden. Natürlich waren ab und an Gedanken da, aber ich konnte wunderbar mit ihnen umgehen, sie haben mir keine Angst mehr gemacht. In dieser Zeit habe ich studiert, den Berufseinsteig gemeistert, geheiratet.

Nun bin ich wieder (dieses Mal gewollt und geplant) schwanger. Mein Et ist der 29.04., es ist also bald soweit. Die gesamte Schwangerschaft ging es mir außerordentlich gut, bis am letzten Donnerstag plötzlich wieder ZG' aufgetaucht sind, dieses Mal mit voller Wucht. Besonders die Angst vor Psychosen bzw. allgemein verrückt zu werden ist sehr stark. Immerhin verfüge ich im Unterbewusstsein über langjährige "Erfahrung" im Sammeln von verrückten Gedanken. Die plagen mich nun alle auf einmal (und natürlich alle Gedanken, die mir aktuell einfallen).

Ich habe Angst, dass ich für meine Tochter nicht da sein kann nach der Geburt, dass ich durchdrehe und in die Geschlossene muss, dass ich nie wieder ich selbst bin. Besonders auch die Angst vor einer Wochenbettpsychose ist riesig. Vorsichtshalber habe ich schon einige Berichte von Frauen gelesen, die eine Wochenbettpsychose hatten, ich bin schon mal bestens mit diversen "Symptomen" im Vorfeld ausgestattet, über die ich auch jetzt vor der Geburt schon nachdenken kann :(

Insgesamt weiß ich natürlich, warum die ZG´s und Ängste jetzt wieder auftreten. Was für eine neue Situation da auf uns zúkommt, was für eine riesige Veränderung! Die Anspannung und Angst vor der Geburt, der Gedanke, ob ich (wir) das alles schaffen werden. Welch Verantwortung wir nochmal auf uns nehmen, nachdem meine große Tochter in diesem Jahr schon 17 wird. Dann zwischendurch der Gedanke, ob wir uns das wirklich gut überlegt haben. Nicht zuletzt gehöre auch ich zu den Perfektionisten, den Frauen, die immer alles durchgeplant und im Griff haben. Der ideale Nährboden also für Zwangsgedanken.

Insgesamt belastet mich das gerade natürlich sehr stark, ich möchte mich auf meine Tochter freuen und nicht ängstlich warten. Allerdings scheue ich mich dieses Mal nicht, mir Hilfe zu suchen. Mein Mann weiß seit dem ersten Tag Bescheid. Morgen werde ich versuchen, eine neue Therapeutin zu finden (generell hat mir die Therapie damals nicht viel gebracht, es war eine reine Gesprächstherapie, sinnvoll ist aber eine Verhaltenstherapie). Was die medikamentöse Behandlung angeht, muss ich klären. Soweit ich weiß, soll am Ende der Schwangerschaft nicht gerade mit einem AD begonnen werden?

Ansonsten ist im Moment auch noch die leise Hoffnung da, dass es vielleicht wieder so schnell verschwindet, wie es auch gekommen ist und ich gerade einfach ein kleines Tief habe. 4 Tage können gern das Ende sein und nicht der Anfang.

Tja, das war jetzt mal schon die Kurzversion meiner Geschichte. Ich freue mich, dass ich dieses Forum gefunden habe und ich habe ja schon gesehen, dass sich viele mit ganz ähnlichen Problemen plagen. Ich freue mich auf den Austausch mit euch.

LG Jadala
Graureiherin
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Re: Schwanger und Zwangsgedanken - ein liebes Hallo in die R

Beitrag von Graureiherin »

Hallo Du,

herzlich willkommen hier bei uns im Forum. Ich denke, dass Du hier im Forum sehr viele, sehr gute Anregungen und Beiträge zu ZGs und co. lesen wirst.

Ich bin "Zwänglerin". Meine Geschichte war ähnlich wie Deine. Mit 18 Jahren die erste Zwangsepisode. Damals kannte man sich mit ZGs noch nicht sonderlich gut aus. Ich habe mit kaum jemandem darüber geredet. Klar ich habe Therapie (erst Gesprächs-, dann Gruppentherapie) gemacht, aber die hat mir in anderer Hinsicht geholfen (überhaupt im "Leben" klar zu kommen, mal kurz ausgedrückt). Von Zwangsstörung hat damals niemand geredet. Mit der Geburt meiner Tochter (fast 18 jahre später) kamen die ZGs wieder auf. Es hat mich überwältigt! Jetzt ist mir klar, dass es nicht anders hätte verlaufen können. Denn ich habe nie gelernt mit diesen ZGs richtig umzugehen. Erst in der jetzigen VT habe ich Handlunganweisungen bekommen. Man lernt dort die Angst vor diesen Gedanken zu verlieren, aus der Überbewertung herauszutreten, realistischen Gedanken zu entwickeln.

Ich kann Dir meinerseits nur sagen, dass eine gute VT sehr viel bewirken kann bei Zwangsgedanken. Zeitgleich können AD die Arbeit mit diesen Gedanken (vor allem zu Beginn) erleichtern. Am besten bewährt hat sich wohl auch die Kombi AD und Therapie. Wobei es Menschen gibt die ohne Medis zurecht kommen. Nur ein Medi ohne Therapie ist sicherlich nicht förderlich.

Aber ich lese aus deinem posting, dass Du Dich schon belesen hast, nicht mehr so unbedarft bist, das ist sehr gut. Du hast einen Weg vor Dir aber der wird dir mit hoher Warscheinlichkeit eine neue bessere Lebensqualität bringen, wenn Du mitarbeitest und übst. In der Bücherecke hier gibt es noch Buchtipps.

Die Gedanken verrückt zu werden, eine Psychose zu bekommen, kennen hier glaub fast alle. Menschen die eine Psychose haben, merken das selber nicht, die haben keine Angst davor. Vielleicht erleichtert dich das etwas. Letztendlich sind auch das NUR quälende Gedanken, die Dir versuchen eine Realität vorzugaukeln die nicht zutrifft.

so es ist schon spät ich werde müde. Ich denke Du wirst noch einige andere hilfreiche Antworten bekommen.

eine gute Nacht-trotz alledem-
die Graureiherin
postpartale Zwangserkrankung 10/2012
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Graureiherin
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Re: Schwanger und Zwangsgedanken - ein liebes Hallo in die R

Beitrag von Graureiherin »

ach, noch kurz zu Medis und Schwangerschaft: gibt es eine gute Adresse die gut beraten. Ich habe diese nie gebraucht deswegen weiß ich sie nicht sicher.

embryotox.de (?)

aber das wissen andere hier genau.
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Jadala

Re: Schwanger und Zwangsgedanken - ein liebes Hallo in die R

Beitrag von Jadala »

Hallo Graureiherin,

vielen Dank für die liebe Begrüßung.
Du hast schon Recht, dass ich nicht mehr ganz so unbedarft bin, letzten Endes "kämpfe" ich ja bald seit gut 17 Jahren gegen ZG´s. Ich bin durch die Therapie damals auch immerhin den Auslösern recht nahe gekommen, sicher auch ein Grund, warum es mir jetzt viele Jahre ganz gut ging.

Medikamentös wollte ich zumindest die Geburt abwarten. Ich habe nur noch etwa 3 Wochen vor mir, ich denke der Einstieg so kurz vor der Geburt würde mir nicht guttun, zumal es sich ja doch erst verschlimmern kann. Bis dahin halte ich mich erstmal mit Bachblüten über Wasser. Einen Termin bei einer Therapeutin habe ich leider noch nicht bekommen, ich soll morgen nochmal einen Anruf bekommen.

Ansonsten hilft es mir schon mal, mit meinem Mann zu reden. Zudem versuche ich mich soviel wie möglich abzulenken, sei es mit Bewegung draußen, dem Treffen mit Freunden oder dem Nähen. Mir ist auch aufgefallen, dass mir ganz besonders der Vormittag zu schaffen macht. Spätestens ab Mittag habe ich die ZG´s ganz gut im Griff und kann auch abends gut schlafen (so gut man mit dem dicken Schwangerschaftsbauch halt noch schlafen kann).

Nächste Woche habe ich nochmal Termin zur Blutabnahme. Ich habe eine Schilddrüsenunterfunktion und obwohl der TSH-Wert bei der letzten Kontrolle gut war, werde ich nochmal alles durchchecken lassen. Meist ging es mir mit einer schlecht eingestellten Schilddrüse auch gleich viel schlechter.
Graureiherin
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Re: Schwanger und Zwangsgedanken - ein liebes Hallo in die R

Beitrag von Graureiherin »

Hallo Du,

als kleiner Tipp: lese Dir hier im Forum mal die Beiträge zu ZGs durch. Marika ist da nahezu Expertin, ihre Beiträge helfen hier vielen. Natürlich auch die Beiträge der anderen.

Ich bin grad mitten bei der Arbeit, deswegen nicht mehr...

mit lieben Grüßen

die graureiherin
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