Ganz neu hier und Angst vor dem Aufschreiben

Hier können sich unsere Mitglieder vorstellen

Moderator: Moderatoren

Antworten
layali

Ganz neu hier und Angst vor dem Aufschreiben

Beitrag von layali »

Hallo zusammen,
jetzt habe ich den Schritt gewagt und mich hier angemeldet und es fällt mir sehr schwer darüber zu schreiben. Ich schäme mich sehr, dass ich negative Gedanken gegenüber meinem Baby hatte und manchmal immer noch habe und hätte so gern, dass das endlich aufhört. Ich schätze ich habe viel bis jetzt verdrängt, wenn ich auch an einigem schon arbeiten konnte. Mein kleiner Sohn ist vor 5 Monaten zur Welt gekommen. Meine Schwangerschaft verlief bis auf heftige Rücken- und Beckenproblemen ab der 19. Woche problemlos. Ich habe um den Geburtstermin aber plötzlich eine Gestose entwickelt und die Geburt musste eingeleitet werden mit anschließenden Notkaiserschnitt, da sofort bei Wehenbeginn die Herztöne des Babys sehr schlecht waren. An die Zeit im Krankenhaus und die ersten Wochen danach kann ich mich eigentlich kaum noch erinnern. Ich habe nur pausenlos geweint oder versucht es nicht zu tun und wie in einer Blase gelebt. Ich konnte mich überhaupt nicht über das Baby freuen, im Gegenteil, ich habe mir die ganze Zeit gewünscht, dass er nicht da ist oder dass etwas mit mir passiert, damit ich mich nicht um ihn kümmern muss. Stillen konnte ich auch nicht.
Durch die gute Unterstützung meines Mannes und meiner Hebamme geht es mir jetzt zwar sehr viel besser, aber mich plagen immer noch heftige Schuldgefühle und oft bin ich noch gereizt und agressiv, fange Streit mit meinem Mann an oder habe keine Geduld für mein Baby. Mein kleiner Sohn ist sehr anhänglich und braucht viel Körperkontakt, lässt sich schlecht ablegen. Mittlerweile habe ich ihn aber sehr lieb gewonnen und wir haben eine Bindung aufgebaut. Ich bin aber auch so traurig, dass ich die ersten 10 Wochen mit meinem Kind quasi verpasst habe, da es mir so schlecht ging. Auch habe ich immer noch Ängste, längere Zeit mit ihm allein zu sein oder z.B. zu Kursen wie zum Babyschwimmen zu gehen.
Wie geht ihr mit den Ängsten um? Wie kann man an dieser Traurigkeit arbeiten? Und wie kann ich mit dieser Ungeduld und Agressivität umgehen? Normalerweise bin ich nicht so, ich erkenne mich selbst nicht wieder seit der Geburt.
Viele Grüße
Eure Layali
Benutzeravatar
Marika
power user
Beiträge: 9949
Registriert: 04:06:2005 16:05

Re: Ganz neu hier und Angst vor dem Aufschreiben

Beitrag von Marika »

Herzlich Willkommen in unsere großen Familie! :D

Schön, dass du dich entschlossen hast, dich uns an zu vertrauen. Das ist ein ganz großer und mutiger Schritt, der dazu beitragen wird, dass es dir besser geht.

Ganz viel von dem was du schreibst, kennen wir hier alle - ich auch. Besonders die negativen Gefühle und Gedanken dem Kind gegenüber hatte ich massiv. Auch die Scham darüber kenne ich sehr gut. Aber dafür gibt es keinen Grund: Du machst das nicht absichtlich, es ist eine Erkrankung für die du nichts kannst.

Sehr arg waren auch die Ängste mit dem Kleinen alleine zu sein, das ging in der ersten Zeit gar nicht. Ich habe in einer Verhaltenstherapie gelernt, wie ich diese Ängste Schritt für Schritt aushalten kann und so mit der Zeit diese ablegen können. Das war konkret so, dass ich z.b. mit meiner Mama ausgemacht habe, sie kommt um 9.30 Uhr. In dieser Zeit war ich mit dem Kleinen (und der Angst) alleine und habe sie so gelernt aus zu halten. Aber mit dem Wissen, dass es nur eine begrenzte Zeit ist. So habe ich das in der Therapie quasi als Hausaufgabe bekommen. Es ging auch im Alltäglichen darum, Angstmachende Situationen immer wieder aktiv aus zu halten und NICHT zu vermeiden.

Wenn du z.b. mit dem Babyschwimmen jetzt Probleme hast, wäre eine Möglichkeit jemanden mit zu nehmen, damit du nicht "alleine mit dem Baby" bist. Das würde die Situation etwas entschärfen, aber doch noch Spielraum geben, um die Angst davor zu bearbeiten - in dem du dich mit der Situation trotz Angst konfrontierst. Die Zauberformel lautet also: angstbeladene Situationen annehmen, dich konfrontieren - nicht vermeiden!!!! Sehr hilfreich ist dabei natürlich ein geschulter Therapeut - hast du eine Therapie schon mal in Erwägung gezogen? Die allermeisten hier machen eine - es hilft einfach sehr gut, gezielt und aktiv an den Ängsten zu arbeiten und sie dann mit der Zeit hinter sich zu lassen.

Schön, dass du da bist!d
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Sanna
power user
Beiträge: 915
Registriert: 17:03:2013 14:36
Wohnort: Ruhrgebiet, NRW

Re: Ganz neu hier und Angst vor dem Aufschreiben

Beitrag von Sanna »

Hallo und herzlich willkommen! Schön, dass du da bist!

Es ist toll, dass du dich schon ein Stück weit stabilisieren konntest. Das wird noch besser werden, ganz sicher. Ich kenne alles was du beschreibst. Ich hatte auch negative Gedanken meinem Kind gegenüber und habe gehofft, er würde am plötzlichen Kindstod sterben. Heute kann ich mir gar nicht vorstellen, dass ich diese Gedanken mal hatte.

Ich kenne auch diese Angst davor mit dem Kind allein zu sein oder Dinge zu unternehmen. Wichtig ist - wie Marika schon geschrieben hat - es trotzdem zu TUN. Denn nur so wirst du deine Ängste los und deine Lebensqualität zurück bekommen. Das ist nicht einfach, aber es geht. Ich würde dir auch raten, noch eine Verhaltentherapie zu machen. Dort leitet der Therapeut dich gezielt an um diese Ängste loszuwerden.

Vielleicht kannst du ja auch mit was kleinem anfangen. Es muss ja nicht Babyschwimmen sein, was ich total stressig finde mit an- und ausziehen und alle sind geschwitzt, die Kinder plärren....keine gute Idee. Ich habe z.B. zum Üben ein offenes Eltern-Kind-Café besucht. Dort konnte man, musste aber nicht, hingehen. Es gab für kleines Geld Frühstück, die Kinder haben gespielt, die Mütter gequatscht und es gab immer einen "Programmpunkt", z.B. gemeinsames Singen oder Basteln. Die Gruppe war für Kinder bis zum Kindergartenalter. Also auch ganz kleine. Das Gute war, dass es unverbindlich war. Man hatte keine Verpflichtung dorthin zu gehen. Nur wenn man Lust hatte. Es hat mich einige Überwindung gekostet dort zum ersten Mal hinzugehen, aber es hat sich total gelohnt. Hinterher war ich traurig als mein Sohn in die Kita kam und diese Zeit vorbei war.

Müttercafés gibt es in jeder großen Stadt und sogar in unserem 20000-Seelen Städtchen. Bei uns war das organisiert vom Jugendamt. Manchmal macht das aber auch die Caritas, die Kirche, o.ä. Ist nur so eine Idee. Es ist ideal zum üben, denn man kann auch nur kurz vorbeischauen. Dann trinkst du eben einen Kaffee in Ruhe und gehst dann wieder. Solange du es eben aushälst. Und dann jedes Mal ein bisschen mehr. Das funktioniert, wirst sehen!

LG, Sanna
schwere PPD 2012, heute komplett symptomfrei
layali

Re: Ganz neu hier und Angst vor dem Aufschreiben

Beitrag von layali »

Liebe Marika, liebe Sanna,

vielen Dank für eure ermutigenden Antworten. Ich suche schon die ganze Zeit nach einer Begleitung für Babyschwimmen oder einen anderen Kurs, bis jetzt hat das noch nicht geklappt und alleine schiebe ich es immer wieder auf. Ich möchte aber nächste Woche endlich zur Babygruppe gehen, das ist wahrscheinlich wirklich alleine weniger stressig als das Schwimmen.
Das ich mich hier endlich auch angemeldet habe hat den Grund, dass ich neulich Abend einen "Rückfall" hatte, nachdem mein Mann mir gesagt hat, dass er im Juli für 2 Wochen wegfahren will, um Sachen zu erledigen in seinem Heimatort. Da bin ich völlig durchgedreht und habe nur geweint und Panik geschoben! Das hat dann 3 Tage gebraucht, bis ich mich wieder im Griff hatte.

Wie kann man denn eine Therapie machen? Braucht man da ein Gutachten von einem Arzt mit einer Diagnose oder so? Ich habe keine PPD, meine Hebamme nannte es Anpassungsstörung. Denn mir ging es nicht so schlecht, dass ich mich gar nicht mehr um mein Baby kümmern konnte.

Danke auch für die Tipps. Ich werde das auf jeden Fall versuchen. Mein Mann nimmt mir immer noch sehr viel ab und ich lasse ihn. Obwohl ich immer angst habe, dass ich die Bindung zu meinem Kleinen verliere, wenn er sich mehr kümmert als ich. Und mir das auch wieder ein schlechtes Gewissen macht.

LG Layali
Benutzeravatar
Marika
power user
Beiträge: 9949
Registriert: 04:06:2005 16:05

Re: Ganz neu hier und Angst vor dem Aufschreiben

Beitrag von Marika »

Hallo,

es ist völlig egal, wie man deinen Zustand nennt - dir muss geholfen werden. "Anpassungsstörung" hat das auch bei mir geheißen, aber nur weil es vor 10 Jahren eine "PPD" einfach nicht im Diagnosekatalog gab.... :roll:

Erste Anlaufstelle kann dein Hausarzt sein. Der kann dich dann zu einer Fachperson überweisen. Das sind Psychiater, Neurologen, Psychologen - diese Fachleute sind für Medikamente bzw. für Therapien zuständig. Trau dich ruhig, es kann dir sehr gut geholfen werden.
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Antworten