Gedankentourette

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Gwen

Gedankentourette

Beitrag von Gwen »

Hallo zusammen,
irgendwie weiß man garnicht so genau, wie man anfangen soll...
Ich versuche mich kurz zu fassen :-)

Ich bin 30 Jahre und habe im September unseren wunderschönen Jungen zur Welt gebracht. Ein absolutes Wunschkind. Ich hatte aufgrund eines Berufverbotes eine sehr ruhige und angenehme Schwangerschaft. Ich hatte keine Angst vor der Geburt oder der Mutterschaft.
Die Geburt selber war dann aber doch "traumatisch" und die Woche danach auch. Wir mussten aufgrund eines zu niedrigen Zuckerspiegels die erste Woche in einer Kinderklinik verbringen. Obwohl es meinem Baby in dem Sinne nicht schlecht ging, war die Woche der Horror. Uneinigkeit beim Personal, unnötige Untersuchungen, Unfreundlichkeit, keine Hilfsangebote für mich (Dammschnitt und Stillprobleme) etc.
Zuhause angekommen und unter der Fuchtel meiner Hebamme ging es mir schnell besser, der klassische Babyblues ist verflogen und ich habe mich gut in meine neue Rolle als Mutter gefunden. Unser Baby hat sich auch sichtlich wohl gefühlt, hat ab der dritten Nacht durchgeschlafen und ein regelmäßiger Rythmus von 4 Stunden hat sich schnell eingestellt.
Allerdings haben sich immer mal wieder Ängste entwickelt, etwas falsch machen zu können, dem Kind zu schaden, eine schlechte Mutter zu sein. Letztendlich glaube ich waren das die ersten Anzeichen.
Ich habe mir aber nichts dabei gedacht und fühlte mich auch nicht beeinträchtigt. Allerdings schlich sich diese unsagbare Müdigkeit in mein Leben...

Vorletzte Woche Freitag kam es dann nach ein paar harten Nächten (war ich ja nicht gewohnt, Nachts raus zu müssen) zum emotionalen Kollaps und zu ganz fürchterlichen agressiven ZGs. Allerdings war mir sofort klar, das da keine Intention hinter steckt, sondern mich diese fiesen Biester auf einmal völlkig überrollt haben. Ich war so schockiert darüber und fassungslos, wie man so etwas denken kann. Ich habe mich so geschämt und habe die ganze Zeit nur gedacht "mein armes Kind, was hat es nur für eine schreckliche Mutter"
Mir wurde immer ganz heiß und übel, wenn mich so ein Gedanke überrollte. Wieso denke ich sowas, und würde ich den Gedanken nachgeben, obwohl ich keinerlei Drang danach spürte. Würde ich wahnsinnig werden? Ich wünschte mir eine Erklärung, hoffte es sei ein Tumor, der sowas verursacht - das könne man wenigstens den Leuten erklären. Ich habe mich dann zwei Tage später meine Mann anvertraut (allerdings habe ich keinen Gedanken ausformuliert) und habe angefangen im Internet zu recherchieren. Glücklicherweise landete ich schnell auf dieser Seite und habe im wahrsten Sinne des Wortes "Erste Hilfe" erfahren. Was mich da wahrscheinlich befallen hat, das die Heilungschancen gut stehen und fast das Wichtigste: Ich bin nicht allein damit. Und auch nicht zuhause, mein Mann konnte sich ab dem Mittwoch Urlaub nehmen.
Ich habe mir dann ganz schnell über die Fachleute Liste Hilfe gesucht. Ich muss dieses Gedankentourette einfach loswerden - meinem Sohn zuliebe. Ich will so etwas nicht denken. Das ist wirklich die Hölle. Und immer die Angst doch ein Psychopath zu sein.
Ich habe dann schnell einen Termin bei einer fachkundigen Hebamme bekommen, die meinen Verdacht einer PPD mit ZG teilte. Sie hat mir Bachblüten gemischt und mich in meinem Wunsch nach einer Therapie bestärkt. Desweiteren sollte ich einige Blutwerte austesten lassen. Die ersten zwei Tage mit Bachblüten habe ich nach wie vor viel geweint und mich irgendwie taub gefühlt - wie benebelt. Aber danach ging es "steil" bergauf. Ich habe mir Tipps zum Umgang mit ZGs geholt (ua auch hier beim durchstöbern des Forums), mir einen Termin bei einem Psychiater geholt und die Bachblüten genommen. Ich fühle mich jetzt gerade stabil genug um die Zeit bis zur Therapie zu überbrücken. Die Bachblüten haben mich auch glaub ich ein Stück weit gleichgültig den Gedanken gegenüber gemacht und seit dem ich sie zulasse und verabschiede, kann ich schon etwas besser damit umgehen. Auch nachdem man immer wieder liest, das man eben nicht irgendwann die Kontrolle verliert und die Gedanken in die Tat umsetzt.
Heute war ich nochmal bei meiner Hebamme mit den Blutwerten. Vitamin D und Eisen sind sehr niedrig, diesbezüglich hat sie mir auch eine medikamentöse Therapie empfohlen, welche ich heute nachmittag angefangen habe.
Den Termin beim Psychiater habe ich am 31.3 (allerdings als Selbstzahler, sonst hätte ich keinen Termin bei jemanden bekommen, der auch Ahnung von PPD hat - ich versuche die Kosten bei der Kasse einzureichen) und ich denke, das ich die Zeit bis dahin gut hier im Forum und mit der Hebamme überbrücken kann.
Das wiederum stimmt mich schon wieder skeptisch - kann man denn überhaupt so schnell Besserung erfahren. ich weiß, ich sollte einfach froh darüber sein und die stabile Zeit nutzen, aber irgendwie denke ich doch immer wieder, das irgendetwas mit meinem Kopf nicht stimmt... naja, ich versuche ruhig zu bleiben und treufel wann immer es mich wieder überkommt Rescuetropfen in mich hinein...

Ich hoffe ich hab nicht allzu diffus geschrieben und freue mich auf den Austausch mit euch.
Liebe Grüße, Gwen
Nox

Re: Gedankentourette

Beitrag von Nox »

Liebe Gwen,

Du sprichst mir aus der Seele, das, was du schreibst trifft haargenau auch auf mich zu.. Außer, dass es bei mir zwei Wochen nach der Geburt mit dem Gedankentourette anfing. Zuftreffender Name, übrigens :wink:

Schlafmangel, Stress, die Verantwortung, Hormonchaos und die Überängstlichkeit haben das wohl bei mir ausgelöst. :?

Ich kann leider noch nicht so viele Tipps geben, stecke selbst noch mittendrin. Ich habe mich schon besser gefühlt, allein schon, dass man die Krankheit erklärt bekommt, dass sie heilbar ist, und gesagt bekommt, man den Gedanken nicht ausführt, hilft schon mal sehr.

Ich bin gerade in ein kleines Loch gefallen, aus dem ich versuche, wieder raus zu klettern. Meine nächste Therapiestunde ist in 1 Woche.. Es waren drei Wochen ohne Therapie, weil meine Therapeutin im Urlaub ist. Ich denke, diese Situation hat das Loch gebuddelt.

Bachblüten nehme ich in Angstschüben auch, und einen Tee aus Johanniskraut von meiner Hebamme. Aber eigentlich macht mich das eher etwas wuschig und müde, als das es mir die Angst nimmt. Morgens ist es besonders schlimm, wenn ich weiß, dass mein Partner gleich das Haus verlässt. :shock:

Ich wünsche dir, dass du diese Krankheit ganz schnell hinter dir lässt, zumindest klingst du sehr willensstark.!

Liebe Grüße, Nox
Gwen

Re: Gedankentourette

Beitrag von Gwen »

Hallo Nox,
ich freue mich über deine Nachricht. Tipps hin oder her, einfach der Austausch mit Betroffenen macht es schon viel besser. Und dann noch zu hören, das es jemanden fast genau so ergeht, wie einem selbst - nicht das ich mich darüber freuen würde, aber es hilft so ungemein und macht es ein Stück weit erträglicher. ich danke dir, für deine guten Wünsche und hoffe natürlich auch, das du wieder schnell aus dem "Loch" raus kommst. Gut, das es dann nächste Woche endlich weiter geht mit deiner Therapie. Du scheinst auch willensstark zu sein, sonst hättest du bestimmt keine Therapie angefangen!
Zum "Gedankentourette": irgendwie musste ich den Gespenstern einen Namen geben, der es für mich leichter macht. Tourette ist ein schlimme Sache, bitte nicht falsch verstehen... aber ich weiß zumindest, das manche Betroffene oft mit Aussprüchen zu tun haben, die sie eigentlich garnicht sagen wollen, geschweige denn, das meinen was sie da sagen. Und so ist es ja irgendwie mit den ZGs auch... und irgendwie hilft mir das...

Die Angst alleine zu sein, weil der Partner gleich zur Arbeit muss, hatte ich in dem Sinne noch nicht. Allerdings hat mein Partner momentan Urlaub und ich habe Angst vor nächste Woche, wenn er wieder arbeiten muss. ich bin froh dann sowohl einen Termin bei der Hebamme zu haben, als auch beim Psychiater...

Heute war es nochmal schlimmer mit den ZGs. Wir gehen morgen mit dem Kleinen schwimmen - Die Hebamme hat mir empfohlen, Dinge zu tun, die mir vorher Spaß gemacht haben. Auf der einen Seite freue ich mich, auf der anderen Seite habe ich Angst, das was passiert. Ich rutsche aus, er gleitet mir im Wasser aus den Händen, ich lasse ihn in der Dusche fallen - und dazu natürlich wieder fieses Gedankentourette... Mir wird grad schon wieder ganz flau... ich will mich der Angst stellen, aber momentan weiß ich noch nicht, ob ich wirklich morgen ins Schwimmbad möchte... Mal schauen... :?

ich verabschiede mich erstmal für heute und wünsche dir eine gute Nacht und einen angstfreien Tag!
Liebe Grüße, Gwen
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Re: Gedankentourette

Beitrag von Marika »

Hallo Gwen,

erstmal ist es super, dass es dir besser geht - es ist immer alles möglich! :wink:

Auch dein Termin ist schon bald, hier kannst du dann alles weitere besprechen und evlt. eine Therapie anfangen. Und wenn es nicht gehen sollte - ein AD gibt es als Option immer noch.

Ich wünsche dir von Herzen, dass deine Stabilität bestehen bleibt!
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Gwen

Re: Gedankentourette

Beitrag von Gwen »

Ein kleines Update:

ich war schwimmen und es war ein schöner Tag ohne agressive ZGs. Allerdings ist mir klar geworden (durch die gute Marika :wink: ) das ich nicht nur agressive ZGs habe sondern auch "normale", die ich garnicht als solche wahrgenommen habe. Marika hat mir dann Hausaufgaben aufgegeben (ZGs erkennen und versuchen ihnen einhalt zu gebieten) zum Beispiel mit dem Satz: "Stopp, ich kenne dich, du bist nur der Zwang"... die Gedanken kommen natürlich immer noch immer wieder...
Desweiteren hatte ich auf der Rückfahrt auch eine Krise. Mein Baby hat fast die ganze Zeit geweint, trotz Still-stop hat er immer weiter geweint. Während dem Autofahren habe ich dann irgendwann ganz fest den Schalthebel in der Hand gehabt. Ich habe mich dermaßen erschrocken und direkt kam ein ZG auf, den ich aber da noch nicht als solchen wahrgenommen habe, weil ich mich so sehr auf die agressiven fokussiert habe. In mir stieg also sofort der Gedanke auf: oh nein, du bist doch agressiv und vielleicht ist es nächstes mal nicht mehr nur der Schalthebel... Aber ich habe ja dann gelernt, das auch das ein ZG ist, ich habe das eher als Angst wahrgenommen, die sich von mir selbst gedacht anfühlt. Während sich die agressiven oft "fremd gedacht" anfühlen... Seitdem versuche ich fleißig die ZGs zu erkennen und weg zu schicken. Ich erkenne schon einige, denke ich, und oft klappt das "wegschicken" auch schon ganz gut...

Morgen habe ich einen Termin bei der Hebamme und übermorgen das erste mal beim Psychiater. Ich bin ganz schön aufgeregt... Aber guter Dinge dort weitere Werkzeuge an die Hand zu bekommen um der "Diagnose noch nicht gestellt" den Kampf anzusagen.

Nox, ich musste oft an dich denken. Hat deine Therapie wieder angefangen? Wie geht es dir?

Liebe Grüße, Gwen
Nox

Re: Gedankentourette

Beitrag von Nox »

Liebe Gwen,

Leider geht's mir seit Tagen sehr schlecht. Heute hatte ich meinen Tiefpunkt.. ich habe mich von einer Freundin abholen lassen, weil ich allein solche Panik hatte.

Morgen habe ich den Termin beim Psychiater. Bin gerade so hoffnungslos. Habe ständig ZGs, eigentlich immer.. das macht mich fertig..werde die Panik vorm Kontrollverlust nicht los.

Ich hoffe, er kann mich wieder ein wenig aufrichten.

Liebe Grüße an dich. Toll, dass du so stark an dir arbeitest!
Gwen

Re: Gedankentourette

Beitrag von Gwen »

Liebe Nox,
das tut mir leid :cry: Ich hoffe deine Freundin konnte dich vielleicht ein wenig ablenken? Schön, das du da jemanden hast, der zu dir steht und in schweren Zeiten für dich da ist. Halte durch, bald ist "Morgen" und deine Therapie geht weiter. Ich hoffe du bekommst die Nacht gut rum und kannst ein wenig zur Ruhe kommen...
Fühl dich gedrückt!
liebe Grüße, Gwen
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