Hallo und Danke für´s Zuhören

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Eule2203

Hallo und Danke für´s Zuhören

Beitrag von Eule2203 »

Hallo,

vor 2 Jahren habe ich das Buch "Das Kind ist da, das Glück lässt auf sich warten" von Sylvia Börgensgelesen. Schon damals habe ich mich mit dem Thema PPD nach der Geburt meiner ersten Tochter beschäftigt. Irgendwie hatte ich nie das überschwengliche Muttergefühl und war eher von dem kleinen neuen Wesen genervt. Mein Mann, Ärzte und Hebamme haben mir immer gesagt das sei normal und es ist ja nicht schlecht wenn man nicht total in sein Kind verliebt ist. Und wenn man überall gesagt bekommt es sei normal, dann glaubt man das auch irgendwann. Mit dem Abstillen nach fast einem Jahr wurde es dann besser und ich dachte ich bin drüber weg. Wir haben also unser zweites Kind geplant und mit der Spontan-Geburt im November 2015 meinte ich ich sei nun mit mir im Reinen (erstes war ein Kaiserschnitt).
Die ersten Tage waren super, ich war stolz es geschafft zu haben und unseren neuen Schatz zu haben. Aber dann kam unsere Hausrenovierung, Weihnachten und der Umzug ins Haus, und ich war sehr viel allein mit den Kindern. Mir wurde das alles zu viel und ich wurde teilweise auch aggressiv gegenüber meiner Kinder, weil einfach nichts klappen wollte. Andere leiden mit ihren Kindern mit, wenn sie nachts schreien und ich krieg einfach nur die Krise und hab gar kein Mitgefühl. Ich fühle mich einfach furchtbar und bin nur noch am grübeln, was an mir nicht stimmt. Vor lauter Grübeln und denken komme ich aber zu Hause zu nichts mehr, mein Haushalt schaut einfach messie-mäßig aus und nachdem selbst die alltäglichen Dinge mir zu viel sind komme ich auch nicht zum Kisten auspacken und einrichten. Ich will gar nicht wissen, was wäre, wenn ich nicht meinen Mann und die Kinder hätte, wahrscheinlich hätte ich dann zu gar nichts mehr einen Anreiz.
Letzte Woche war mein Mann wieder auf Geschäftsreise und die Kinder natürlich beide krank. Dazu muss ich sagen, dass unsere Große normalerweise in die Kita geht (ist eine große Entlastung). Diese Woche mit beiden Kindern war wirklich Horror und das war der Auslöser für mich nun wirklich Hilfe zu suchen. Aber ich muss sagen, es ist wirklich nicht einfach Hilfe zu finden. Habe das Gefühl, alle um mich rum wollen das Thema lieber abschwächen ("du brauchst einfach Urlaub / Tapetenwechsel..."), meine Eltern und Schwiegereltern sagen nur " da mussten wir damals selbst durch".
Ich möchte einfach aus diesen Teufelskreis rauskommen, nicht immer nur zweifeln und alles hinterfragen. Einfach endlich zufrieden und glücklich sein wäre toll. Und vor allem möchte ich endlich das Gefühl haben, dass ich meine Kinder liebe und sie nicht nur eine Belastung für mich sind. Und ich weiß nicht, wie ich das erreiche wenn mich keiner Ernst nimmt und das als ganz normale Überforderung einer Mutter sieht. Ich hoffe in diesem Forum einen Lösungsansatz zu finden. Danke für´s Durchlesen :)

Liebe Grüße
Eule2203
Astrid77

Re: Hallo und Danke für´s Zuhören

Beitrag von Astrid77 »

Hallo,
das hört sich ganz ähnlich an wie bei mir. Auch ich war nach dem ersten Kind nicht überwältigt von Liebe. Abends beim ins Bett gehen hatte ich immer so etwas, das ich ein "düsteres Gefühl" genannt habe. Aber es war alles noch im erträglichen Bereich, nur die Tage ohne Kinderbetreuung waren damals schon nicht leicht für mich (war immer Freitag Samstag Sonntag). Auch bei mir war es nach etwa einem jahr wieder soweit, ich war schwanger, ich stellte mir ein Geschwisterkind als Erleichterung vor da mein Sohn super aktiv ist und ich dachte dann hätte er jemanden zum Spielen. Auch wie bei dir, diesmal im Gegensatz zum ersten Mal spontangeburt, ich stolz, und Stillen klappte super. Dann ließ mein Mann mich dauernd alleine, schon 1 Woche nach der Geburt saß ich alleine mit neugeborenem und aktivem Jungen zu Hause. Es war Winter, es kamen die Weihnachtsferien, dann der Umzug in eine neue Wohnung. Ich hatte vor diesem Umzug schon Panikattacken und wusste, wenn nicht irgendetwas passiert, dann tue ich mir etwas schlimmes an. Der Gipfel war dann der Umzug, diese beiden tage waren Horror und ich wollte meine beiden Kinder ab da zu Pflegeeltern geben da ich nicht wusste wie ich mit zwei Kindern leben soll. Mein Mann weiterhin auf Geschäftsreise, ich jeden tag Kisten auspacken, Ikeamöbel zusammenbauen. Dann endlich kam mein Großer in die neue Kindergruppe, es wurde ein bisschen besser.... Das alles ist jetzt über ein Jahr her.
Sich Gesellschaft zu suchen hat am meisten geholfen. Und die Medikamente. Das kann ich mal sagen dazu. Es ist aber auch sehr von Person zu Person verschieden, mir hat das rumwerkeln zu Hause gefallen. Nimmst du Medikamente?
LG
Eule2203

Re: Hallo und Danke für´s Zuhören

Beitrag von Eule2203 »

Hallo Astrid,
da ist ja echt einiges parallel. Vor allem nach der Geburt gleich alleine sein und dann noch die Weihnachtsferien der Kita.
Ich nehme keine Medikamente, war bisher auch noch bei keinem Arzt. Da ich leider noch keinen Hausarzt habe und irgendwie hier alle Praxen voll sind tu ich mich da gerade schwer. Der Frauenarzt sieht in meiner Schilderung eine normale Mutter. Anfang Mai habe ich jedoch endlich einen Gesprächstermin bei einer Fachstelle für psychologische Betreuung. Ich hoffe, dass mir dort in die richtige Richtung geholfen werden kann. Danke, dass Du geschrieben hast, tut gut zu wissen, dass ich nicht alleine bin.

Allgemein gefragt:
Wie findet man den richtigen Arzt, war bei Euch der Hausarzt die erste Stelle oder seid Ihr direkt zum Facharzt? Wie habt Ihr´s Eurem Mann/Familie erzählt? Irgendwie ist es so viel einfacher beim Arzt einen Termin zu bekommen wenn man Halsschmerzen hat. Dabei ist doch der Leidensdruck einer psychischen Erkrankung für die gesamte Familie wesentlich belastender und wird überhaupt nicht ernst genommen.

Ich habe einen wirklich verständnisvollen Ehemann, der sich selbst in seinem Job fast übernimmt und mir zusätzlich so vieles abnimmt. Er ist der Meinung, dass es einfach nur die Mutterrolle mit beiden Kindern und die Hormone sind, die mich vorrübergehend überlasten. Ich solle mir einfach Listen schreiben und ein Ding nach dem anderen angehen. Er "hat Angst", dass ich mit Medikamenten zugedröhnt werde, wenn ich zum Arzt gehe.
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Marika
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Re: Hallo und Danke für´s Zuhören

Beitrag von Marika »

Hallo du,

meine erste Anlaufstelle war tatsächlich der Hausarzt. Er hat sofort erkannt, was mit mir los ist, da seine Frau die selben Probleme hatte - für mich damals ein "Glücksfall". Ich bin ihm heute noch dankbar wie schnell und professionell er mir geholfen hat: zuerst bekam ich ein AD, dann hat er sofort für mich einen Termin bei einem sehr guten Psychiater vereinbart - da konnte ich schon 3 Tage später hin. Sogar einen Hausbesuch hat er bei mir eingeschoben, um zu sehen, wie es mir geht. Ein phantastischer Arzt der sich auch heute noch Zeit für seine Patienten nimmt - aber da muss man wohl auch Glück haben.

Mein Mann war am Anfang einfach nur geschockt, denn auch er hatte angenommen, dass alles eh nicht so schlimm und eher "normal" ist. Er konnte auch nur schwer anfangs verstehen, dass das eine Erkrankung ist und dass man da oft einfach ein Medikament braucht, um wieder stabil zu werden. Und er war auch sehr negativ dem AD gegenüber eingestellt. Aber er hat dann die Erklärung meines Hausarztes gut auf genommen und dem ganzen eine Chance gegeben. Mit der Zeit als er gemerkt hat, dass es mir mit Medikament und Therapie immer besser ging, hat er dann verstanden: Heute erzählt er oft anderen Betroffenen von dieser Zeit und versucht Ängste und Vorbehalten gegenüber dieser Art von Medis zu nehmen.

Vielleicht mag dein Mann hier bei uns mal ein bisschen lesen? Oder bei deinem Termin im Mai dabei sein? Wichtig um zu verstehen ist AUFKLÄRUNG! Wenn man sich die Zeit nimmt, sich mit der Thematik auseinander zu setzen, nimmt das ganz viel Angst und gibt Sicherheit. Gerade was ein Medikament anbelangt. Wenn dein Mann dich jetzt schon so toll unterstützt, wird er bestimmt auch bereit sein diesen Weg mit dir zu gehen. Mein Mann ist auch einer, der mir immer geholfen hat - für mich da war. Doch die PPD hat ihn dann erstmal wie gesagt schon an seine Grenzen gebracht. Aber diese Hürde hat er genommen und mich sehr auf meinem Weg der Genesung unterstützt.
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Astrid77

Re: Hallo und Danke für´s Zuhören

Beitrag von Astrid77 »

Hallo,

na ich lese immer wieder, dass Männer den ADs skeptisch gegenüber stehen. Sie haben Angst, dass wir dann weggetreten sind etc., dann gar nicht mehr funktionieren und eben auch noch körperlich krank sind - d.h. dann vollends im Bett liegen. Da fehlt wirklich die Aufklärung denn ich glaube, für die meisten Männer steht AD gleichbedeutend mit Valium! Übrigens hat mir in der Anfangsphase der Nachfolger vom Valium, Tavor, sehr gut geholfen. nach einem Zusammenbruch beim Umzug in die neue Wohnung zum Beispiel - ich hab auf den Kisten gesessen und geheult und gesagt ich bringe beide Kinder jetzt sofort zum Jugendamt damit sie irgendwo untergebracht werden. Dann habe ich eine Tavor genommen, konnte mich beruhigen und habe an diesem Abend noch motiviert Kisten ausgepackt.

Ich war gleich bei der Ambulanten Psychiatrie, es gibt bei uns in Wien eine Ärztin, die es auch erkannt hat, dass es hohen Bedarf gibt, sie hat diese Ambulanz nur für PPD und da bin ich hin (hatte jedoch auch 2 Wochen Wartezeit, da hab ich jeden Tag gezählt).
Meine Hausärztin, die ich wegen des Umzuges aber erst später kennengelernt habe, wäre auch ein guter Anlaufpunkt gewesen, aber auch ähnlich wie Marikas Arzt eine Ausnahme. Die anderen Hausärzte die ich vorher so hatte, naja ich weiß nicht... aber wohin soll man sich sonst wenden?

Du kannst aber auch bei einem Krisentelefon oder sogar der Seelsorge anrufen. Mir hat die Krisenberatung sehr geholfen, das war im Krankenhaus wo ich entbunden hatte - da wurden wir vor der Geburt mehrmals drauf hingewiesen, dass wenn wir Beratung brauchen, sollen wir dort anrufen. ich glaub so etwas gibt es in vielen Krankenhäusern (musste dort auch nicht entbunden haben), die Dame am Telefon hat mir echt mein Leben gerettet!
LG Astrid
Eule86

Re: Hallo und Danke für´s Zuhören

Beitrag von Eule86 »

Cool, noch eine Eule;)

Ich wollte nur schnell dazu sagen, dass es einfach der Wahnsinn ist unter was für eine stresslichen Belastung du bist und dass es unter diesen Umständen (Umzug etc.) völlig legitim ist Hilfe zu haben. Es wäre auch legitim wenn nichts anderes wäre, außer, dass du das Baby bekommen hättest. Nicht mal, wenn es dein erstes und einziges wäre und kein sonstiger Stress vorhanden.
So eine Geburt ist total krass für den Körper und für ein neues, kleines (weiteres) Menschlein zuständig zu sein eine große Verantwortung und Belastung.
Deswegen: Sei ganz wohlwollend mit dir und vertraue darauf, was du fühlst was du brauchst und setz das durch. Solche Sprüche wie "da mussten wir damals auch alleine durch"- gehen garnicht. Ja ein stückweit muss man sicher auch Zähne zusammen beißen. .aber nicht bis zur Erschöpfung!
Meine Psychologin sagte: Die Gedanken, die Stimmung usw. sind alles Symptome! Symptome, dass es woanders klemmt und bei mir war es u.a. Erschöpfung /Überlastung plus Vorbelastung . Klingt auch ganz danach bei dir...
Eule2203

Re: Hallo und Danke für´s Zuhören

Beitrag von Eule2203 »

Hey ihr lieben,
einen ganz lieben Dank für eure Antworten :) Mir fällt echt ein Stein von Herzen, ihr seid wirklich motivierend!
Anderherum tut es mir sehr sehr weh, dass ich nicht bei meiner ersten Tochter "am Ball" geblieben bin, als mich keiner Ernst genommen hat. Wenn ich mir heute Bilder von ihr als Baby anschaue (sie ist jetzt fast 2,5 Jahre alt), muss ich weinen, weil ich immer noch das Gefühl habe, dass ich nicht anwesend bei ihrer Entwicklung war. Auch bei meiner zweiten Tochter fühle ich mich so "leer". Es ist nun allerhöchste Zeit, dass ich mein Problem aktiv anpacke ehe noch mehr Zeit (und schöne Erlebnisse) verloren geht.
Für diese Woche habe ich einen Termin beim "neuen Hausarzt" bekommen (sind ja umgezogen...). Ist ein bisschen doof, sich gleich bei einem fremden Arzt zu "offenbaren", anderseits kann es auch eine Chance sein.
Und die Woche darauf hab ich ja dann endlich auch das psychologische Gespräch. Nach all der langen Zeit des Grübelns habe ich nun das Gefühl, dass es in die richtige Richtung geht *daumendrück*
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