Leben mit der PPD

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Judi Blue

Leben mit der PPD

Beitrag von Judi Blue »

Liebe Leute,

ich bin nach der Geburt unseres Sohnes ebenfalls an einer postpartalen Depression erkrankt. Es ging schon etwa zwei Tage nach der Entbindung los, dass es mir nicht gut ging - müde, erschöpft, überfordert, ängstlich. Ich hatte schon früher depressive Episoden, die Geburt war lange und schwer und der starke Hormonabfall nach der Geburt tat wohl das Übrige. Ich sah mich plötzlich Zwangsgedanken ausgesetzt, die ich nie zuvor hatte.

Wir suchten Hilfe, gingen zur Frauenärztin, ließen uns eine Überweisung in die psychiatrische Ambulanz geben, wo ich medikamentös behandelt wurde. Ich kam um einen stationären Aufenthalt herum, weil ich ein starkes privates Netz habe. Ich konnte dann daheim bei meiner Familie sein, ging regelmäßig zum Psychiater und zur Gesprächstherapie. Und irgendwann nach ein paar Monaten stabilisierte sich alles. Das Leben ging weiter.

Während der akuten Krise habe ich oft in diesem Forum gelesen und mich verstanden gefühlt.
Heute habe ich ein großes Bedürfnis, über meine Erkrankung und das Erlebte zu schreiben. Daher betreibe ich seit einiger Zeit einen Blog, in dem ich meine persönliche Geschichte niederschreibe. Ihr könnt gerne hier mitlesen: http://judiblue.wordpress.com

Es ist bei mir auch noch längst nicht alles super. Ich bin froh, wenn ich mich hier mit euch austauschen kann über Tiefpunkte, Medikamente und eure Erfahrungen im Allgemeinen. Während meiner schlimmsten Zeit konnte ich nicht schreiben und mich austauschen. Aber es half mir, hier zu lesen. Danke an das Forum und an alle Frauen, die ihre Erfahrungen teilen - es ist schön, nicht allein zu sein und sich verstanden zu fühlen.

Herzlich
Judi Blue
*peggy*

Re: Leben mit der PPD

Beitrag von *peggy* »

Hallo ,

Hab deinen Beitrag sowie deinen blog gelesen und seh mich in vielen wieder nur das es bei mir
mit der ppd erst fünf Wochen später begann und sehr schleichend mit
zwangsgedanken, starke Angstzustände und apettitlosigkeit sowie Schlafstörungen
nimm seit einer Woche das AD sertralin und hoffe es wirkt bald.
Ab wann ging es bei dir wieder bergauf? Du bekamst auch neuroleptika
Da es bei dir psychotisch war?
Ich will das auch ohne klinik schaffen obwohl es die schlimmste Zeit
meines Lebens ist..

glg

peggy
Judi Blue

Re: Leben mit der PPD

Beitrag von Judi Blue »

Liebe Peggy,

damit hast du schon einen großen ersten Schritt getan. Ich kann gut verstehen, dass du ohne Klinikaufenthalt sein willst. Es ging mir genauso. Hier, wo ich lebe, gibt es keine Mutter-Kind-Klinik und ich wollte nicht getrennt sein von meinem Sohn und meinem Mann.

Ich kann dir nicht ganz genau sagen, wann es bei mir gut war. Es war ein langsamer Prozess, nach und nach kamen Lichtblicke - weniger Angst, weniger Zwangsgedanken, Freude mit dem Kleinen, besserer Schlaf, Geburtstrauma halbwegs verdaut, körperliche Wunden verheilt...

Ich weiß noch, dass es zwei Monate nach Beginn der Behandlung sehr gut war, aber ich hatte dann nochmals eine Medikamentenumstellung und ein weiteres Tief. Anfangs bekam ich Seroquel, das ich einen Monat lang nahm. Die Ärztin in der psychiatrischen Ambulanz sah die Zwangsgedanken als psychoseähnliche Symptome an (keine Psychose). Danach bei der niedergelassenden Psychiaterin, die mich noch heute behandelt, bekam ich Venlafab (Antidepressiva) - sie sah meine Beschwerden nicht psychoseartig, sondern als schwere Depression. Sie stellte mich auch darum um, weil ich mir etwas wünschte, das noch besser gegen die Zwangsgedanken wirkte als es Seroquel bei mir tat. Venlafab tat mir dann wirklich sehr gut, aber es machte mich insgesamt zu angetrieben, fast manisch. Darum hatte ich dann noch eine weitere Medikamentenumstellung auf Brintellix. Die ZGs waren nach etwa zwei Monaten weg. Heute streifen sie noch manchmal durch, wenn ich einen schlechten Tag habe, sehr müde bin oder PMS habe kurz vor der Regelblutung. Es ist aber keine große Belastung mehr für mich, man weiß mit der Zeit damit umzugehen (aushalten, nicht verdrängen etc.). Die Depression ist sicher noch nicht ganz weg, wir versuchen demnächst aber mal eine Medikamentenreduzierung.

Für mich war es auch die schwerste Zeit meines Lebens und ich hatte mir oft gedacht, dass ich das nicht überstehe. Aber es ging und mit jedem Tag fiel ein bisschen von der Schwere ab.

Halte durch und lass dir helfen, wo es nur geht. Hast du Unterstützung von deinem Partner, Familie, jemand im Haushalt und der aufs Baby schaut? Das war für mich sehr wichtig und ich habe die Hilfe auch wirklich eingefordert.

Tue dir etwas Gutes und mache mal ein paar Stunden was, das dir früher Spaß bereitete. Bei mir war es z.B. mal ein halber Tag Wellnessen, Sauna und Massage. Das war fast wie ein Kurzurlaub. Die Traurigkeit und die Ängste waren nicht weg, aber ich war einfach mal kurz in einer anderen Welt und konnte die Krise ein bisschen von mir schieben.

Mir hat es z.B. auch geholfen, mich mit ganz banalem Zeug zu beschäftigen. Klatschhefte zu blättern, eine Komödie zu schauen, nur keine Nachrichten mit Belastendem (Krieg etc.), keine Thriller, Actionfilme, Psychodramen. Ich hielt nur ganz Seichtes als Ablenkung aus. Wenn du lesen kannst, dann tue das (ging bei mir nicht immer gut wegen Konzentrationsstörungen).

Ich hoffe, ich konnte dir ein bisschen weiterhelfen. Sonst schreibe einfach wieder.

Ich wünsche dir viel Kraft und alles Gute!

Judi
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