Ich bin neu hier und wiedermal in einer Krise

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Kathrin1802

Ich bin neu hier und wiedermal in einer Krise

Beitrag von Kathrin1802 »

Hallo,

Ich heiße Kathrin, bin 41 Jahre. Ich habe einen Sohn (13) und eine Tochter (8).
Die ersten Anzeichen einer psychischen Erkrankung traten vor etwa 15/16 Jahren auf. Damals noch als Burnout bezeichnet (Tätigkeit im ambulanten Pflegedienst, 24h erreichbar, 7 Tage die Woche, jung, dynamisch, flexibel, immer anderen helfen, perfektionistisch sein ...).Zu dieser Zeit entwickelte sich auch meine nunmehr chronische Nasennebenhöhlenentzündung.
Trotz Arbeitsplatzwechsel zurück ins Krankenhaus mit etwas geregelteren Arbeitszeiten und ohne Bereitschaftsdienste kamen die depressiven Phasen wieder.
Mein damaliger Mann und ich wohnten zu dieser Zeit 600km von unserer Heimat/Familie entfernt (wegen der Arbeit), er war Fernfahrer und die Woche über nicht da. Das machte mir zunächst nichts aus. Erst als ich 2003 schwanger wurde.
Die Schwangerschaft habe ich praktisch allein bewältigt. Ich habe mich damals meiner Hebamme anvertraut und ihr von meinen Depressionen und extremen Ängsten vor der Geburt erzählt. Je näher der Geburtstermin rückte desto ängstlicher und angespannter wurde ich. Habe viel geweint und war ziemlich neben mir. Die Geburt kam dann auch so , wie in meinen schlimmen Träumen vorhergesehen. 10 Tage nach dem Termin, fast drei Tage und Nächte ohne Schlaf, PDA wurde mir verweigert, Wehen nur im Rücken (als würde jemand ständig mit einer Eisenstange aufs Kreuzbein schlagen - Wo soll man da hinatmen ?????), Hebamme hat mich allein gelassen. Aber irgendwann war er dann doch da.
Nach der Geburt habe ich mit der ersten Psychotherapie angefangen. Posttraumatiche Belastungsstörung. ungefähr 2006 habe ich durch die Therapie herausgefunden, daß ich ja noch ein Trauma mit mir rumschleppte. 1996 hat sich mein alkoholkranker Vater das Leben genommen, ich habe ihn damals gefunden. In der Familie wurde nicht darüber geredet, abhaken, unter den Teppich kehren, lächeln, weiterarbeiten.
2008 wurde ich gewollt wieder schwanger. Diesmal begannen die Probleme schon im 3./4. Schwangerschaftsmonat. zunehmende Depression und starke Angstattacken. Leider erhielt ich keinerlei Unterstützung von meinen damaligen Mann. Er wollte "DAS" nicht verstehen und gab sich auch keine Mühe.
Da alles immer schlimmer wurde , blieb mir nur noch eine stationäre Therapie. Natürlich erst ab Dezember, da es vorher meinem Mann unmöglich war von der Arbeit fernzubleiben :evil: .
Vier Wochen vor der Entbindung wurde ich entlassen. Die Horrorvortellungen der Geburt blieben. Aber diesmal entschied ich mich für eine Uni-klinik, war da vorher auch in der Hebammensprechstunde und habe meine Erfahrungen und Wünsche deutlich gemacht.
Meine Tochter hatte es ein paar Tage eiliger. Aber wieder das gleiche Spiel. Vorwehen wie aus dem Lehrbuch, konnte ich gut "wegatmen". Da es in der Klinik erstmal wieder aufhörte wurde ich auf Station gebracht. Da ging es dann kurz vor Mittag richtig los. Wieder mit der Eisenstange im Kreuz. Ich konnte nicht aufstehen, die Beine sackten mir jedesmal weg. Lag nur völlig verkrampft im Bett. Die Schwester versuchte natürlich mich zu beruhigen, ich "sollte" mich entspannen und atmen. "Ich habe keine Schmerzen im Bauch!!", "Ich kann Rückenschmerzen nicht wegatmen!!". "Ich war extra vorher hier in der Hebammensprechstunde. Ich will jetzt in den Kreissaal und eine PDA !!!!!!"
Diesmal hatte ich es geschafft. eine halbe Stunde später hatte ich die PDA, eine einfühlsame, ruheausstrahlende Hebamme, vier Stunden später war die Kleine nach drei Presswehen da. Ein Wunder. Ich hab nur geheult.
Ein halbes Jahr später bin ich mit meinen Kindern wieder in die Heimat gezogen. Mein damaliger Mann blieb, die Arbeit ist ja soooo schön.
Die Depressionen und Ängste kamen in unregelmäßigen Abständen wieder. Psychotherpien, Tagesklinik. Ich musste meinen Job als Krankenschwester aufgeben. Habe eine zweijährige Umschulung zur Steuerfachangestellten geschafft. Habe da auch einen Job.
Anfang 2013 trennte ich mich endgültig von meinem Mann. Für meine Kinder bin ich die Schuldige, da ich den Papa nicht mehr liebe.
Seit drei Jahren habe ich einen Lebensgefährten (liebevoll, verständnisvoll , in guten und in schlechten Tagen). Vor zwei Jahren (genau 20 Jahre nach dem Selbstmord meines Vaters, den ich immer noch nicht aufgearbeitet habe) kam das nächste Tief, Quasi über Nacht schwere Angstattacken mit Suizidgedanken. Zwei Tage später war ich in der Klinik, danach Tagesklinik, hier nach 5 Wochen Rückfall, zurück in Klinik, danach wieder Tagesklinik, danach zwei Monate zu Hause, anschließend Reha. Insgesamt 9 Monate. Mein Freund blieb !!!! Gab mir Rückhalt, Mut, Zuspruch. Er war einfach da!
Nach einem dreiviertel Jahr zurück im Beruf, ohne Ausfall, fühlte ich mich wieder richtig gut. Naja, Die Psychotherapie machte nicht die Fortschritte , die ich mir selber erhoffte, aber was man Jahrzehnte eingesperrt hat, läßt sich nicht so einfach wieder ausgraben.
Mein Freund und ich haben uns ein gemeinsames Kind sehr lange überlegt, gerade auch mit den Psychopharmaka und wir beide mit nunmehr 40 Jahren.
Leider hatte ich im August 2017 eine Fehlgeburt in der 8. SSW. Das war ziemlich hart für uns beide.
Jetzt bin ich wieder schwanger, 11.SSW. Allerdings geht es mir vom ersten Tag an wieder extrem schlechter. depressiv, ängstlich, Nasennebenhöhlenentzündung musste mit Antibiotika behandelt werden.
Seit 4. Januar bin ich jetzt krankgeschrieben.
Ich versuche geduldig zu sein, die ersten Monate zu überstehen und hoffe die Hormone und alles andere gleicht sich bald wieder etwas aus.
Ich versuche meine Gefühle anzunehmen und rauszulassen, gelingt mir aber nicht so gut.
Ich glaub ich habe erstmal genug geschrieben.
Achso , noch kurz meine Medi´s:
seit 2011 nehme ich Psychopharmaka: anfangs Opipramol, dann Citalopram, Mitte 2016 Umstellung auf Venlafaxin (225mg), ab August 2017 ausschleichen vom Venlafaxin bis Weihnachten. Seit Januar Sertralin, derzeit 25mg - 12,5mg - 0

Hat jemand Erfahrung, ob ich zusätzlich Neurexan nehmen kann?

Viele liebe Grüße
Kathrin1802
Astrid

Re: Ich bin neu hier und wiedermal in einer Krise

Beitrag von Astrid »

Hallo Du,

Du hast eine lange Leidensgeschichte hinter dir. Das tut mir sehr leid. Aber du bist auch eine starke Frau, so alleine ohne zuverlässigen Partner an der Seite das so zu bewältigen. Jetzt bist Du wieder schwanger. Aber Du hast ganz andere Voraussetzungen: einen netten verständnisvollen Partner, ihr seid im "alten zu Hause", du hast schon große Kinder, die dir helfen können. Du weisst, das Du eine halbwegs angenehme Geburt mit PDA bekommen kannst. Du kannst dir im voraus ein richtiges Auffangnetz für dein drittes Kind spinnen, falls es noch schlimmer mit den Ängsten werden sollte.
Ich muss nochmal nach deinen Medis fragen. Nimmst du im Moment noch ein AD. Und wenn nicht, warum nicht? Setze dich doch mit embryotox in Verbindung, die können dich beraten, ob du dein AD auch in der Schwangerschaft nehmen kannst. Vielleicht ist ja auch dein Hausarzt oder Neurologe/Therapeut so nett dort nachzufragen. Ich denke du solltest nicht ohne Unterstützung durch die Schwangerschaft gehen. Habe ich richtig verstanden, dass du das Sertalin erst seit Januar nimmst? Dann muss die Wirkung ja auch erst eintreten. Auch kann ich mir vorstellen, dass Du aufgrund der Erfahrungen wieder richtig Angst hast. Ich war bei meinem zweiten Kind auch fast 40 Jahre alt, und habe Panik geschoben. Aber wie gesagt, du bist diesmal nicht damit alleine, du kannst Hebammen, Frauenarzt, Familie, Freunde etc. alle einbinden und dir alle Unterstützung holen, die du brauchst. Du kennst ein AD, was dir lange Zeit geholfen hat und hast eine Therapie begonnen, die sicher bald ihre Früchte tragen wird. Du kannst deine Wünsche die Geburt betreffend genau äußern und eventuell deinen Partner als Unterstützung mit ins Krankenhaus nehmen (Familienzimmer). Du kannst zur Not wieder stationär gehen und dich intensiv betreuen lassen, und du weisst die Zeit geht vorbei. Neurexan ist glaube ich rein pflanzlich, aber ich würde auch da bei embryotox nachfragen.

Ganz liebe Grüße Astrid
Kathrin1802

Re: Ich bin neu hier und wiedermal in einer Krise

Beitrag von Kathrin1802 »

Hallo Astrid,

Danke für deine liebe Antwort. Ja ich weiß, ich habe heute eine große Unterstützung durch meinen neuen Partner und seine Familie.
Wir sind jetzt drei Jahre zusammen und ich habe immer noch Probleme seine Unterstützung anzunehmen, auch in der Therapie kann ich mich nicht völlig öffnen. Ich wurde schon als Kind dazu erzogen nach außen immer ausgeglichen, angepasst zu sein und möglichst wenig Gefühle zu zeigen. Ich mache alles möglichst selbst, ohne Hilfe.
Mit meiner Mutter kann ich leider gar nicht über meine psychischen Probleme sprechen. Für sie ist es nur wichtig, das der Haushalt perfekt ist und die Kinder "normal" sind (eben angepasst). Und dieses Gefühl "ich bin nicht gut/stark genug" gibt sie mir auch heute immer noch.
AD nehme ich seit ca. 2011: damals habe ich mit Opipramol angefangen, später dann zu Citalopram gewechselt.
Citalopram habe ich dann im Winter 2015/Frühjahr 2016 ausgeschlichen. Ostern 2016 kam der komplette Rückschlag. Der Selbstmord meines Vaters jährte sich zum 20.Mal. Ich musste mehrere Wochen stationär behandelt werden, anschließend Tagesklinik, wieder zurück in Klinik. Dort wurden meine Medis auf Venlafaxin umgestellt.
Die Wiedereingliederung in meinen Beruf hat auch funktioniert. Naja und nach nem dreiviertel Jahr ohne Beschwerden haben wir beschlossen es doch noch mit einem gemeinsamen Kind zu versuchen. Leider hatte ich im August 2017 eine Fehlgeburt in der 8.SSW.
Seit August habe ich auch das Venlafaxin ausgeschlichen, was ich doch ziemlich gut vertragen habe.
Dann kam eine Woche vor Weihnachten der nächste Rückschlag, quasi mit Beginn der Schwangerschaft.
Haben dann eben der Schwangerschaft wegen mit Sertralin angefangen.
Komme damit aber bisher nicht so gut zurecht, aber bin eben auch schwanger. Also es ist zur Zeit für mich ziemlich schwierig zu Unterscheiden zwischen
den "normalen" Schwangerschaftsbeschwerden und Nebenwirkungen vom Sertralin.

Liebe Grüße
Kathrin1802
Astrid

Re: Ich bin neu hier und wiedermal in einer Krise

Beitrag von Astrid »

Hallo Du,

ich weiss es ist schwer zu unterscheiden, ob Hormone oder andere Dinge einem übel mitspielen. Aber du hast bald das erste drittel deiner Schwangerschaft geschafft, und es müsste angenehmer werden. Gib dem Sertalin noch eine Chance, vielleicht funktioniert es ja.Sonst kannst du mit embryotox immer noch versuchen eine Alternative zu finden. Das mit deiner Mama ist schade, gerade Mamas könnten einem so gut helfen, aber vermutlich hat sie genug eigene Baustellen, und nicht die Kraft dich zu unterstützen. Sei trotzdem schlauer als deine Mama. Sei ehrlich mit deiner Situation und deinen Gefühlen. Die Ärzte, Hebammen, Freunde und Familie sind viel offener und hilfbereiter als du denkst. Es ist kein Zeichen von Schwäche krank zu sein. Du hast jedes Anrecht darauf, dass jemand lieb und gut zu dir ist. Und es wird so viel leichter, die Zeit durchzuhalten, wenn man nicht anderen etwas vormachen muss, oder versucht stark zu sein. Das kostet nur deine letzten Kraftreserven. Und du hast es verdient eine angstfreie und glückliche Schwangerschaft zu erleben. Ich wünsche mir für dich jetzt große Unterstützung. Überlege, was du brauchen würdest, damit es dir besser geht. Schreibe es auf und versuche mit deinem Partner entsprechende Dinge in die Wege zu leiten. Es gibt auch Familienhebammen, die Unterstützung in der Schwangerschaft und nach der Geburt geben. Du hast sehr viel durchgemacht und die Erinnerung an den Tod deines Vaters, und die Fehlgeburt waren sicher hart. Sei gut zu dir. Du brauchst nicht perfekt zu sein. Dein Haushalt, deine Kinder und du selbst sind gut so wie ihr seid. Haltet zusammen und habt Euch lieb, dass ist mehr wert, als eine Küche, in der man vom Boden essen könnte (wer will das schon :D , deine Mama sicher auch nicht). V
Ganz liebe Grüße

Astrid
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Marika
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Re: Ich bin neu hier und wiedermal in einer Krise

Beitrag von Marika »

Liebe Kathrin,

es tut mir unendlich leid, was du alles schon erleben und durchmachen musstest. Du hast ein ordentliches "Päckchen" zu tragen, das auf und ab zu arbeiten wird dauern, da hast du völlig recht. Ich kann mich Astrid nur anschließen: konzentrier dich auf die Menschen, die dir gut tun - auf deinen Partner z.B. Was deine Mutter denkt ist unwichtig - ich fürchte sie hat selber imense Baustellen und drückt sie weg. Dass deine Kinder dir die Schuld geben an der Trennung ist natürlich traurig, aber steh trotzdem dazu, es war und ist dein Recht gücklich zu sein. Ich bin mir sicher, dass sie es eines Tages besser verstehen werden.

Darf ich fragen, wie hoch das Sertralin dosiert ist? Du nimmst es auch noch nicht lange - bis da eine gute Wirkung spürbar wird, kann es leider noch dauern. Und noch was: du bist alles andere als schwach - du bist unendlich stark, weil du nicht nur soviel schon ausgehalten hast, sondern dich den ganzen Traumata auch noch therapeutisch stellst.

Ich drück dich!!!
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Kathrin1802

Re: Ich bin neu hier und wiedermal in einer Krise

Beitrag von Kathrin1802 »

Hallo Marika,
danke für deine Antwort. Zur Zeit nehme ich Sertralin 25mg-12,5mg-0. Mit der Steigerung auf 50mg komme ich noch nicht zurecht, da werd ich total unruhig, bekomme Herzrasen.

Liebe Grüße
Kathrin1802
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