Suche Leidensgenossinen zur gegenseitigen Stärkung

Hier können sich unsere Mitglieder vorstellen

Moderator: Moderatoren

Antworten
müderKrieger

Suche Leidensgenossinen zur gegenseitigen Stärkung

Beitrag von müderKrieger »

Habe endlich herausgefunden woran ich "leide".
Lag während meiner ersten Schwangerschaft die komplette 21. Woche mit Blutungen im Krankenhaus und war an den Wehenhemmer-Tropf angeschlossen. Hatte furchtbare Angst mein Kind zu verlieren. Dann überlegte es sich mein Baby anders und überzog 14 Tage über den ET. Kam aber auch dann noch nicht freiwillig ans Licht der Welt. Am 2. Tag Wehen-Tropf machte er sich auf den Weg bis die Herztöne weg waren. Da war Hektik angesagt. Mein Mann stand am Kopfende und drückte mir die Sauerstoffmaske aufs Gesicht, die Hebamme lag auf meinem Bauch um ihn nach unten zu drücken und die Gynäkologin riss an der Saugglocke.
Wieder diese furchtbare Angst um mein Kind! Dann war er da. Schlitzaugen und ein total deformierter Kopf waren die Erkennungszeichen
meines Sohnes. Aber er war gesund trotz 2maliger Umschlingung des Halses mit der Nabelschnur.
Ich war von der Geburt, der Gewalt, der Gefahr ... völlig geschockt. Ich zitterte am ganzen Körper und war ansonsten unfähig mich zu bewegen. Ich wurde von der Hebamme und meinem Mann umgebettet und von einer Krankenschwester auf der Station gewaschen. Wie ein Kleinkind!
Da mein Sohn eine starke Gelbsucht entwickelte wurde er mir nur kurz zum Anlegen gebracht, ansonsten wurde er bestralt. Bei mir schlief er spätestens nach 10 Minuten erschöpft ein und war nicht mehr wach zu bekommen. So wurde ich nach einer Woche mit einem mir fremd gewordenen Baby entlassen. Ich wusste, dass es mein Kind war und dass ich mich um ihn kümmern musste aber ich fühlte keine Freude, Liebe, Stolz - nichts! Er machte es mir auch nicht gerade leicht, da er ein Schreibaby war, dass man stundenlang vor allem nachts, herumtragen musste. Zusätzlich war er ein Spuck-Kind (Gedeih-Kind) und übergab sich nach jeder Mahlzeit ausgiebig, so dass ich mich mit ihm nicht aus dem Haus traute. Meine Frauenärztin meinte nur:"Jetzt drehen sie mir mal nicht durch! Sie haben einen gesunden Sohn und einen Mann der sie liebt, was wollen sie mehr?" Ich fühlte mich noch bescheidener als vor meinem Gespräch mit ihr. War ich wirklich undankbar, egoistisch, faul...? Ich wusste es nicht, wurde immer unsicherer verlor noch mehr an Selbstvertrauen und machte weiter wie bisher.
Als mein Sohn 2 Jahre alt war brach ich total zusammen und kam dann innerhalb von 6 Wochen in eine Mutter-Kind-Kur. Die Trennung von Heimat und Mann fielen mir in der ersten Woche sehr schwer, ich hätte am liebsten abgebrochen. Die 2. und 3. Woche war dann für mich sehr hilfreich, lehrreich und entspannend. Danach kam ich mit meinem Leben und meiner Umwelt besser klar.
Unter Depressionen und Stimmungsschwankungen litt ich allerdings weiterhin, jedoch nicht mehr in dem Ausmass.
6 Jahre nach der 1. Entbindung verspührte ich sogar den Wunsch ein weiteres Kind auf die Welt zu bringen. Ich fühlte mich bereit, hatte die negativen Erfahrungen weitestgehend vergessen/verdrängt und wollte nun alles anders und besser machen. Nahm Vitamine und Fohlsäure-Präparate ein. Schwangerschaft verlief problemlos bis eine Woche vor ET. Mit einer Schwangerschaftsvergiftung musste ich sofort stationär bleiben. Einleitungen - schon wieder - es sollte doch alles anders werden! 2. Einleitung 1. Wehe - Herztöne weg - Panik im Kreissaal - Medikamente wurden gespritzt, mein Ungeborenes wieder nach oben geschoben - Notkaiserschnitt! Fürchterliche Angst um das Leben meines Kindes! Wiederholung - warum wieder kein angenehmes, schönes Geburtserlebnis? Diesmal schlotterte und zitterte ich bereits vor der Geburt.
Auch mein 2. Sohn hatte die Nabelschnur um den Hals. Zusätzlich war er noch behindert (hat allerdings nichts mit der Nabelschnur zu tun).
Wieder wurde mein Neugeborenes von mir getrennt. 9 Stunden nach der Geburt konnte ich meinen Sohn das erste mal in die Arme nehmen. Mein Mann hatte die Kinderärztin überreden können unseren Sohn zu mir zu bringen, bevor er in eine 300 km entfernte Spezialklinik verlegt wurde.
Körperlich verkraftete ich die Kaiserschnitt-Geburt besser als die Erste. Psychisch ging es mir um einiges schlechter! Hätte ich mir vorher nie träumen lassen, dass es da noch eine Steigerung gibt. Dies ist nun 4 Jahre her aber aus diesem Loch habe ich bis heute noch nicht herausgefunden.
Danke dass Du mir zugehört hast
Silke
Maike

Beitrag von Maike »

Hallo Silke,

oh man, da hast Du ja ne menge durchmachen müssen. Und dass Du noch immer in einem tiefen Loch sitzt, das kann ich voll verstehen.
Ich bin zwar keine Leidensgenossin in dem Sinne, denn ich habe erst ein Sohn, der letztes Jahr im Oktober geboren ist. Aber ich hatte auch eine scheiß Geburt. Blasensprung morgens um vier...keine Wehen bis nachmittags...dann wurde ich am Wehentropf angeschlossen (ohne PDA nie wieder!!!) und dann ging der Geburtsvorgang nicht voran, so dass gegen 19.30 Uhr der Oberarzt fragte, ob wir nicht doch lieber einen Kaiserschnitt machen sollten oder Saugglocken (die er aber ziemlich negativ beschrieben hat)! Wir entschieden uns sofort für den Kaiserschnitt und dann mußte auf mal alles sehr schnell gehen (ich glaube, die Herztöne waren weg) und ich habe neben der PDA, die ich im Laufe der Zeit bekommen habe, noch eine Vollnarkose bekommen. Somit war ich weg und habe nicht mitbekommen, dass Mika eine Infektion und Anpassungsschwierigkeiten hatte und sofort auf die Neo verlegt wurden ist...ich habe meinen Sohn am Tage der Geburt nicht gesehen! Und das habe ich lange nicht verkraftet bzw. verarbeiten können. Er lag auch die ganzen Zeit auf der Neo (die gleich neben der Wochenstation ist), aber ich hatte ihn halt nicht ständig bei mir und somit von da an schon keine Bindung...zumindest nicht die, die ich mir erhofft habe...! Hab mir lange eingeredet, ich würde nur funktionieren und mein Kind nicht lieben können!

Dass Dein zweiter Sohn behindert ist und Du noch einmal so eine sch...Geburt durchstehen mußtest, das tut mir sehr leid! Und wie gesagt, ich kann Dein Tief verstehen! Hast Du denn proffessionelle Hilfe? Darf ich fragen, was Dein Sohn hat?
Deine Geschichte zerplatzt gerade meine Träume, das noch einmal normal erleben zu dürfen (ich möchte sooo gerne noch ein zweites Kind!)...! Aber meine Hoffnung ist trotzdem noch sehr groß!

Ganz liebe Grüße
Maike
müderKrieger

Hallo Maike,

Beitrag von müderKrieger »

vielen Dank für Deine Nachricht.
Wenn man junge Muttis auf der Straße trifft, ist immer alles Friede, Freude, Eierkuchen - aber wenn man dann selbst mitreden kann, wäre es schön gewesen nicht so uninformiert (bzw. beschönigt) gewesen zu sein.
Deinen Optimismus möchte ich Dir ganz bestimmt nicht nehmen.
Bei so vielen Frauen läuft alles prima. Aber deren Geschichte findest Du nicht hier. Ich bewundere Dich dafür, nach so kurzer Zeit wieder ernsthaft über eine erneute Schwangerschaft nachzudenken, alle Achtung!

Mein Sohn kam mit einer Doppelseitigen Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte auf die Welt. Durch OP`s, Logo-, Ergo-, Physiotherapie und Kieferorthopädie wird er, wenn er Erwachsen ist ein weitgehend normales Leben führen können. Es sei denn er vererbt es an sein Kind, dann geht alles von vorne los. Den Alltag belastet seine Besonderheit schon, trotz dass alles immer besser wird. Die OP`s und vor allem die Verantwortung für die schweren medizinischen Entscheidungen haben mich total mitgenommen. Aber das ist eigentlich ein anderes Thema und gehört wahrscheinlich nicht mehr zum ursprünglichen Leiden, oder?

Viele Grüße
Silke
claudia

Beitrag von claudia »

Hallo Silke,

hatte gerade schon eine Antwort für Dich geschrieben und dann ist mir der blöde PC abgestürzt...

Auch von mir ein "herzliches Willkommen" hier im Forum.Wie viele von uns,hast auch du einiges hinter dir und ich wünsche dir sehr,daß du viele gute Tips und immer ein "offenes Ohr" für deine Probleme findest.

Einige Gemeinsamkeiten,Ähnliches gefühlt und erlebt zu haben hat mich an Deinem Beitrag besonders angesprochen:auch ich kann von mir sagen,das es bei allen meinen drei Kindern immer gut das erste Lebensjahr"gekostet" hat,bis ich nach den Geburten und den sich daran anschließenden Wochenbetterkrankungen wieder gefühlt und gelebt habe.Wieder Interesse hatte,an den Dingen,die mir lieb sind und waren.

Ich hatte im großen und ganzen zwar nicht so traumatische Geburtserlebnisse wie du,dafür habe ich nie ein "normales"Wochenbett erleben dürfen-darüber bin ich auch heute nach all der Zeit immer noch ein wenig traurig....Narben auf der Seele...

Schön,das du den Weg zu uns gefunden hast...zu Deinen Geburtserlebnissen fällt mir übrigens ein Buchtitel ein"Es war eine schwere Geburt..."von Viresha J.Bloemke.Darin geht es um die Verarbeitung traumatischer Geburtserlebnisse.
Wenn du magst,kannst du das Buch über eine unserer SHG-Leiterinnen ausleihen,wir haben das nämlich in einem Buchpaket alle mal zugeschickt bekommen.
Wenn es in Deiner Nähe keine SHG gibt,kannst Du auch gerne per "PN" eine Nachricht an mich schicken.

LG Claudia
Benutzeravatar
Marika
power user
Beiträge: 9998
Registriert: 04:06:2005 16:05

Beitrag von Marika »

Hallo Silke!

Auch ich freue mich sehr, dass du zu uns gefunden hast. Gleichzeitig hat mich deine Geschichte auch sehr mitgenommen, du hast unglaublich viel mitgemacht. Besonders auch die schlimmen Geburten... ich bin immer wieder schockiert, was Frauen heute noch im 21. Jahrhundert für Horrorgeburten durch stehen müssen... :cry:

Ich selber hatte auch einen Kaiserschnitt, weil die Herztöne meines Sohnes plötzlich schwächer wurden und auch er hatte die Nabelschnur um den Hals... die Angst um mein Baby kam aber erst danach, als ich im Geburtsbericht von diesen Komplikationen las. Da wurde mir bewußt, was alles hätte passieren können. Was du da durchmachen mußtest, ist im höchsten Maße traumatisierend und dann noch ein Schreibaby, die unglaublich dumme Aussage deiner Frauenärztin, dann das zweite Kind behindert - es ist kein Wunder, dass es dir einfach ganz oft schlecht geht. Aber ich bewunder dich über alle Maßen, dass du doch alles irgendwie schaffst - wirklich ganz toll.

Hast du schon mal darüber nachgedacht, dir professionelle Hilfe zu holen in Form eines Psychologen/in? Ich denke, dass du viel aufarbeiten und damit die depressiven Einbrüche gut in den Griff bringen könntest.

Auf jeden Fall freue ich mich sehr, dich hier kennen zu lernen und hoffe, du findest hier eine 2. Familie in der du dich wohl und verstanden fühlst. Schön, dass du da bist!

Liebe Grüße von
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
müderKrieger

Vielen Dank für Eure verständnisvollen Beiträge!

Beitrag von müderKrieger »

Ich werde mir das Buch auf jeden Fall besorgen.
Nachdem ich nun sehr viele Parallel-"Fälle" gelesen habe, sehe auch ich ein, dass ich ohne professionelle Hilfe nicht weiterkomme.
Die ganzen Symptome: ständige Müdigkeit, alles zu viel, nichts auf die Reihe zu bekommen, Gereiztheit, Feindseligkeit, Innere Unruhe (kann einfach den Kopf nicht ausschalten), Nervosität, Freßsucht, aufbrausend, weinerlich, null Selbstvertrauen, keine Energie, kann mich selbst und mittlerweile auch meine Kinder nicht mehr leiden - treffen auf mich zu.

Allerdings schrecken mich die langen Wartezeiten bei den Therapeuten ab.
Ist es denn aus deren Sicht nicht dringend?
Vielleicht liegt es ja auch an der ländlichen Gegend in der ich wohne, aber hier hat keiner Verständis dafür. "Es war ja nur eine Geburt und keine Krankheit und die Frauen bekommen seit Jahrhunderten Kinder und stecken das weg."
Spinne ich denn?
Zum Glück habe ich diese Internetseite gefunden und somit wirklich Leidensgenossinnen, die mich wirklich verstehen können.
Liebe Grüße an Euch alle
Silke
Kirschblüte

Beitrag von Kirschblüte »

gehe doch mal zu deinem hausarzt und erzähle ihm, wie schlecht es dir geht und sag, dass du schnell zum psychologen / psychiater willst. er kann dir vielleicht helfen, dass du schnell einen termin bekommst. versuch am besten, zu einer frau zu gehen. mein therapeut ist ein mann und hat mir ziemlich blöde sprüche an den kopf geworfen. " es müsste doch nach so langer zeit wieder gut sein" etc.
meine situation ist ähnlich wie deine. mein sohn ist auch schon 4 und ich habe mir noch nicht wirklich hilfe geholt. ich war nur ein mal beim therapeuten und das war ein reinfall. ich versuche es auch demnächst bei meinem hausarzt, ob der mir helfen kann.
und ich kann dich auch verstehen, ich kenne solche doofen sprüche. die symptome kommen mir bekannt vor, mir gehts da ähnlich.

ich wünsche dir viel kraft und glück, dass du den richtigen therapeuten findest.
liebe grüße
müderKrieger

Beitrag von müderKrieger »

Vielen Dank,
mache mich auf die Suche nach Buch und Therapeutin.
Bis bald
Silke
Antworten