8 Jahre Schatten und Licht in meiner Welt....

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*Jessi*

8 Jahre Schatten und Licht in meiner Welt....

Beitrag von *Jessi* »

Ich freue mich hierher gefunden zu haben...
Gerne möchte ich Euch meine Geschichte erzählen und versuche mich kurz zu fassen :D

Die PPD ist der Anfang von Allem gewesen, mich erwischte es vor ca. 8,5 Jahren nach der Geburt meines ersten Kindes.
Das SS war vom Gefühl her wundervoll, wir freuten uns auf das Baby.
Doch als der kleine da war, kam alles anders.
Plötzlich saß ich da mit einem kleinen, wundervollen Wesen und konnte nur noch weinen, der Alltag besteht fast ausschließlich nur noch aus Mama sein, mir fehlten die Kontakte zur "Ausenwelt".

Ich bekam Angstzustände, oft abends, wenn ich wußte, dass mein Mann am nächsten Tag früh das Haus wieder verlassen würde, ich hatte panische Angst mit dem Baby alleine zu sein.
Immer mehr zog ich mich zurück, wollte mein altes Leben wieder haben, wollte raus aus dieser rießen Verantwortung.

Ich überlies die Nächte meinem Mann und zog mir die Bettdecke bis über den Kopf in der Hoffnung alles wäre nur ein Traum und ginge vorbei.
Dabei hatte ich eine schrecklich schlechtes Gewissen, wollte ich doch eine so tolle Mutter sein und habe total versagt.

Meine Vorstellungen der Mutterschaft hatten enorm hohe Ansprüche, am liebsten wäre ich perfekt gewesen, akriebisch versuchte ich mich aus meinem Zustand zu befreien, um meinen Pflichten nach zukommen, das funktionierte Anfangs ganz gut, in der Zeit als ich mein Kind ab und an mal zur Oma geben konnte, konnte ich meine Reserven ein wenig füllen.
Doch es dauerte immer nur einige Wochen an, bis die Ängste zurückkamen, meistens war ein Erlebnis, das nicht so gelaufen war, wie ich es mir von mir gewünscht hätte ,der Auslöser.

Ich las Bücher, ging ins Netz, schaute Fernsehsensungen über Kindererziehung und perfekte Mütter. Ich sog regelrecht alles in mich auf und vergliech jede kleine Einzelheit mit meinen Fähigkeiten und wie sollte es anders sein, scheiterte und bekam wieder vermehrt Ängste.

Ich begab mich in Behandlung als mein Sohn ca. 1 Jahr alt war, aufgrund eines Zeitungsartikels der hieß "Warum kann ich nicht glücklich sein ?"
Frauen nach der Geburt...

Mein Arzt erkante gleich das die Lage sehr ernst ist, zu diesem Zeitpunkt war ich auch körperlich schon ziemlich am Boden...
Ich bekam das Medikament Cipralex, welche ich über 2 Jahre genommen habe ohne eine deutliche Besserung zu spüren, ich schämte mich so sehr für mich, dass ich jeden Arztbesuch den ich vermeiden konnte, auch vermieden habe. Ich traute mich nicht nach einem anderen Medikamnet zu fragen, ich dachte immer, es wir schon bald wirken...

Einige Therapieansätze jagten die nächsten, doch ich geriet scheinbar immer an die falschen. Leider stand meine Krankheit mir nicht auf die Stirn geschrieben, so dass der erste Therapeut nach 5-minütiger Begutachtung meiner Person sagte:Sie haben keine Depressionen :roll:
Gut o.k. wenn Sie das sagen, ich ging nach Hause und fragte mich tatsächlich, ob ich depressiv bin oder mich nur anstelle...

Die Story hat mich so verunsichert, dass ich mir ab diesem Tag einredete, dass ich keine Depris habe, sondern einfach nur unfähig bin und eine schlechte Mutter...
Ich fühlte mich nur noch als Versagerin, das breitete sich dann nicht nur auf mein "Mutter sein" aus, sondern auch auf den restlichen Alltag...
Jahrelang pendelte ich in diesem Zustand und war insgesamt dreimal kurz vor dem Klinkaufenthalt.

Ich glaube, wenn man 5 Jahre mehr oder weniger mit Angstzuständen und depressiven Episoden zu kämpfen hat, hat man die Hoffnung fast verloren wieder gesund zu werden.

Meine Moral ließ es einfach nicht zu mir einzugestehen, dass ich es nicht alleine schaffe, mein Sohn ging mit 1,5 Jahren in die Kita und ich habe tatsächlich versucht zu lenken, wann ich Angst kriegen kann und Depri sein darf. Es war eine enorme Kraftanstrengung an schlechten Tagen, die liebe Mama zu spielen, trotzdem zu versuchen mir eine Welt des Perfekten aufzubauen. Doch scheinbar gelang es mir immer wieder, denn mein Mann und auch meine Familie merkten nicht, dass ich mit aller Macht versuchte alle schlechten Gedanken und Gefühle zu unterdrücken.
Natürlich war ich regelmäßig am Ende...

2006 kam dann unsere Tochter zur Welt, ich freute mich und sah es als Neuanfang, diesmal wird es besser...
Jedoch vergass ich dabei, dass abgelegte Dinge, die nicht zu Ende gebracht wurden, wieder zurück kommen...
Es begann von vorne und erwischte mich wieder eiskalt,
diesmal wollte ich aber nicht wieder Jahre mit meiner Krankheit alleine verbringen...

Ich begann ziemlich zeitnah eine Therapie (Psychoanalytik?), anfangs ging es mir wesentlich schlechter, auch das Medikament (Trevilor) vertrug ich nicht besonders... ich wollte aber nicht gleich aufgeben und redete mir ein, dass die Therapiestunden ja für etwas nützlich sein müssen...

Wenn ich heute an die letzten 8 Jahre zurück denke möchte ich die Zeit nicht zurück drehen, zu schmerzlich sind die Erinnerungen,
ganz langsam allmählich durch die Therapie entwachse ich meinem Kokoon und meinen Vorstellungen an mich, die unerfüllbar sind,
ganz langsam begreife ich, dass die Dinge gerade dann lebenswert sind, wenn Sie "Fehler haben".

Ich habe mich lange und oft mit meinem Wesen beschäftigt und stelle fast, dass ein Vergleich nur schiefgehen kann.
Ich bin ein sehr sensibler Mensch, dessen Gedankenkarussell immer fährt, dessen Emotionalität sehr ausgeprägt ist, auch bin ich körperlich oft überempfindlicher, ich reagiere stark auf alle Reize und bin dann sehr schnell mit verschiedenen Geräuschen, Gerüchen und Situationen überfordert. Werde unkonzentriert und möchte der Situation am liebsten entfliehen.

Ja ich lerne über mich und versuche eine bißchen netter zu mir zu sein...
Momentan veruche ich wirklich oft zwischen meiner Hochsensibilität und meinen Depris zu unterscheiden... Es ist schwer eine Linie zu finden, ich weiß ersteres ist mir angeboren, ich werde diese Eigenschaften nicht ablegen können, sondern nur aus einem andern Blickwinkel betrachten können...


Auszug aus meiner HP
° 7 Jahre Schatten und Licht, den Kreislauf durchbrechen, sich selbst annehemen, loslassen von alten Gedankenmustern, Unperfektionissmuss zulassen, sich selbst aushalten, dem Leben Ruhe gönnen, Wurzeln zu geben und Flügel zu nehmen, um der Krise zu entwachsen....°


Lg Jessi
Birke

Re: 8 Jahre Schatten und Licht in meiner Welt....

Beitrag von Birke »

Liebe Jessi,

danke, dass du deine Geschichte erzählt hast. Ich erkenne mich z.T. darin wieder. Bin selber ein "Sensibelchen".
*Jessi* hat geschrieben:Leider stand meine Krankheit mir nicht auf die Stirn geschrieben, so dass der erste Therapeut nach 5-minütiger Begutachtung meiner Person sagte:Sie haben keine Depressionen :roll:
Vor so etwas habe ich allergrößte Angst. Ich musste mir einmal von einem Psychiater anhören, ich solle mich zusammenreißen.:(
*Jessi* hat geschrieben:...ganz langsam allmählich durch die Therapie entwachse ich meinem Kokoon und meinen Vorstellungen an mich, die unerfüllbar sind,
ganz langsam begreife ich, dass die Dinge gerade dann lebenswert sind, wenn Sie "Fehler haben".


Diese Erkenntnis setzt sich bei mir gerade ganz, ganz, ganz langsam durch.

herzliche Grüße
Eva

Beitrag von Eva »

WOW....was für eine schlimme Geschichte! Also ich habe seit der 28SSW. Depressionen bekommen und muss sagen ich bin so froh das ich an eine super fähige Therapeutin geraten und bin!Bist du denn noch in Behandlung?
Ich habe auch lange versucht die negativen Gefühle und starken Ängste zu verdrängen aber es war dann nur eine Frage der Zeit und dann brach alles über mich zusammen....das war dann auch der Zeitpunkt an dem mir klar wurde das ich alleine da nich mehr rauskomme.
Wie geht es dir denn zur Zeit?

LG Eva
*Jessi*

Beitrag von *Jessi* »

@Birke: Schön, dass man nicht alleine ist...
@Eva: Ja ich bin noch in Behandlung, aber mein "Rucksack" ist über viele Jahre sehr vollgepackt worden und es dauert, ich bin nicht euphorisch, aber hoffnungsvoll...
Zur Zeit geht es mir ganz gut, Depris in dem Sinne habe ich kaum noch, jedoch Ängste und die Neigung immer wieder in alte Verhaltensmuster zu verfallen... ich versuche dann unter Menschen zu gehen, die extrem optimistisch sind, um neue Kraft zu tanken.
Ich bin aber auch realistisch genug, um mir einzugestehen, dass ich nie wieder so sein werde, wie vor meiner ersten SS, dafür ist einfach zu viel geschehen, of bin ich noch sehr instabil, dann wieder enorm kraftvoll,
die Phasen wechseln sich ab und die Schlechteren werden kürzer und die Abstände länger.

Lg Jessi
Eva

Beitrag von Eva »

ja diese Ängste kenn ich ,die stehen bei mir zur zeit im Vordergrund zwar nicht mehr so stark wie zu Beginn aber sie kommen immer mal wieder durch! Ich wünsche Dir viel Kraft um das alles durchzustehen und auch wenn es schwer fällt....so geht es mir zur zeit man darf einfach nie den Mut verlieren weiter zu kämpfen,denn für jeden guten Tag hat es sich dann schon gelohnt :D
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Marika
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Beitrag von Marika »

Hallo Jessi!

Schön, dass du dich uns angeschlossen hast. Deine Geschichte ist sehr traurig und vieles kenne ich auch von mir.

Als ich vor 3,5 Jahren Mama wurde, dachte ich auch ich muss alles perfekt machen, meine Bedürfnisse existierten gar nicht mehr. Als sich dann die Depression so richtig zeigte (Angst-Panikattacken und Zwangsgedanken), war mir klar, "versagt" zu haben. Auch bin Hochsensibel, hatte alte krankmachende Verhaltensmuster ganz tief in mir vergraben und verglich mich immer den anderen "perfekten" Mamas.

In meiner Therapie, die 2 3/4 Jahre gedauert hat, bin ich eine ganz NEUE MARIKA geworden - die ALTE habe ich hinter mir gelassen. Insofern ist es also nicht schlimm, wenn du nicht mehr die "alte Jessi" wie vor der Geburt sein wirst - im Gegenteil - du wirst in deiner Therapie folgendes lernen:

DU WIRST DIE ALTEN VERHALTENSMUSTER ENTLARVEN UND IM ALLTAG GUT ZU POSITIVEM UMWANDELN KÖNNEN

DU WIRST LERNEN ZU SEHEN, DASS HOCHSENSIBILITÄT AUCH GANZ WUNDERBARE SEITEN HAT UND DEINE EIGENSCHAFTEN ALS SENSIBLER MENSCH LIEBEN LERNEN

DU WIRST DEN PERFEKTIONISMUS GUT ZÜGELN KÖNNEN

DU WIRST LERNEN AUF DEINE BEDÜRFNISSE ZU HÖREN, LERNEN DICH SELSBT ZU LIEBEN UND SELBSTVERTRAUEN AUFBAUEN


Es ist meist ein längerer Weg, bis man das geschafft hat. Aber ich bin heute dankbar dass ich sagen kann - ich habs echt gepackt!!! :D So scheußlich diese Krankheit ist - du hast hier und heute DURCH SIE die einmalige Chance krankmachende Verhaltensmuster zu erkennen und nachhaltig "heil" zu werden. Besonders durch das Aufbauen von SELBSTLIEBE UND SELBSTVERTRAUEN, bin ich persönlich heute ein optimistischer Mensch der sein Leben liebt, geworden - aus der ehemaligen Pessimistin und Perfektionistin ist eine starke Frau und Mama geworden - die immer noch Fehler macht, keine Frage - aber die sich diese Fehler zugesteht. Und die nicht "nur" ihr Kind und ihren Mann liebt, sondern vor allem auch SICH SELBST!!!

Liebe Jessi, du hast unendlich viel durchgemacht. Dennoch hast du dir jetzt nochmal Hilfe geholt, hast nicht aufgeben - du bist eine Kämpferin. Und genau deshalb wirst du es schaffen, eine ganz NEUE JESSI zu werden, eine die der "alten Jessi" nicht mehr nachtrauert. Wir werden dir dabei helfen!!!!

Schön, dass du da bist und liebe Grüße von
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
*Jessi*

Beitrag von *Jessi* »

Liebe Eva,
trotz Deiner Ängste höre ich in Deinen Worten auch viel Hoffnung auf Besserung. Ich wünsche Dir, dass Du einen Weg findest mit Deinen Ängsten umzugehen :wink:
Mir schwirrt immer der Gedanke um Kopf umher, das "Gedanken frei" sind und es uns liegt, was wir draus machen...
Dazu noch ein Zitat:

Manche von uns haben an Gott gezweifelt und ihre Zeit mit egozentrischem Denken vergeudet, indem sie glaubten, das Leben behandle sie besonders schlecht. Das Leben ist nicht fair! Das Leben ist ganz einfach - und es überlässt uns die Entscheidung, wie wir darauf reagieren.

Liebe Marika,
ich finde es wirklich schön von Dir, einer so positiven Person, zu lesen.
Man fühlt sich gleich ein wenig "froher" nach Deinen stärkenden Worten.
Ich glaube, dass ich fähig dazu bin, meinen Weg in Deine Richtung zu gehen. Gerne wäre ich schon so weit wie Du, aber es braucht seine Zeit...
Mein Thera sagte mir am Anfang der Therapie, dass wenn ich eine schnelle Veränderung erwarten würde, ich diese Therapie lieber wieder verlassen sollte. Man müsste den Dingen "entwachsen" ganz langsam, damit sich nachhaltig Gedankenmuster zerschlagen...
Ich wollte das nicht glauben, aber habe es mittlerweile begriffen und habe mich auch im Griff- meistens. Oft bin ich sauer auf mich, weil ich wieder einen Schritt zurückgegangen bin - einen Rückschlag hatte...
Lg Jessi
Dobby

Beitrag von Dobby »

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