Wochenbettpsychose und Krankenhausaufenthalt

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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tinarei

Wochenbettpsychose und Krankenhausaufenthalt

Beitrag von tinarei »

Hallo,
Es geht um meine Schwester Ines, die am 10. Mai 2005 ihren Sohn Max zur Welt gebracht hat. Die ersten 2 Tage war sie happy und freute sich über ihren Sohn, doch am 3. Tag ging es ihr schon nicht mehr so gut. Zuhause wurde dann alles noch viel schlimmer. Sie ist dann noch einmal ins Krankenhaus, um abzustillen und Medikamente zu nehmen, doch diese schlugen nicht an. Nach dem Krankenhaus ist sie dann wieder zu unseren Eltern gezogen. Doch die Situation entspannte sich nicht, sondern verschlimmerte sich nur noch, denn die Medikamente schlugen nicht an. Sie fühlte sich verfolgt, dachte wir hintergehen sie, auf dem Höhepunkt hat sie nur noch Pläne geschmiedet, wie sie sich und ihren Sohn umbringen könnte. Kurz darauf ist sie in eine psychatrische Klinik gegangen, mit der Diagnose Wochenbettpsychose. Dort ist sie immer noch. Ihr geht es nun nach ca. 9 Wochen nach der Einweisung „relativ“ gut, bis sie wieder ein Tief einholt.
Da sie nun vielleicht in ca. 3 Wochen entlassen werden soll, würde sie gern von ebenfalls Betroffenen wissen:
Wann seid ihr aus der Klink entlassen worden? Habt ihr euch wie vor der Wochenbettpsychose oder –depression gefühlt, als ihr entlassen wurdet? Oder ist die komplette Heilung dann erst zuhause eingetreten?
Sas

Beitrag von Sas »

Hallo,
schade, dass Dir noch niemand geantwortet hat. Ich finde es ganz toll, wie Du und Deine Familie sich um deine Schwestern kümmern. Das ist sooooo wichtig für die Heilung.
Ich hatte selbst eine psychotische Störung im Wochenbett und war erst drei Wochen vollstationär im Bezirkskrankenhaus, dann noch ca. 2,5 Monate in der Tagesklinik.
Nein, ich habe mich bei der Entlassung noch nicht so gefühlt wie vor der Krankheit. Ich war "stabil", aber nicht geheilt. Wahrscheinlich wird Deiner Schwester auch empfohlen werden, eine Gesprächs- oder Verhaltenstherapie zu machen. Das Krankenhaus stabilisiert einen nur bei der schwersten Phase, der Rest kommt dann zuhause. Selbst jetzt, nach einem Jahr habe ich immer noch ab und zu meine Schwankungen, mit denen ich aber gut leben kann. Du siehst, es gehört sehr viel Geduld dazu, die Krankheit zu überwinden. Aber das wichtigste ist, sie vergeht, 100% ig!! Und wenn Ihr sie weiter so toll unterstützt, dann seid Ihr ihr eine große Hilfe!!!
Ich wünsche Euch allen sehr viel Kraft und melde Dich wieder. Auch Deine Schwester selbst kann natürlich hier posten, wir sind für sie da.

Liebe Grüße, Saskia
tinarei

Beitrag von tinarei »

Liebe Saskia,

Ich danke dir, dass du geantwortet hast. Da meine Schwester in der Klinik leider nicht ins Internet kann, schreibe ich für sie und drucke ihr diese Seiten aus. Man ist manchmal so hilflos bei den alltäglichsten Dingen. Uns und vor allem Ines helfen deine Erfahrungen und Mutmacher.
Vielen herzlichen Dank. Ich meld mich wieder, wenn es Neuigkeiten gibt. Oder vielleicht auch bald Ines selbst.

Liebe Grüße
Tina
Micha

An Tina

Beitrag von Micha »

Liebe Tina,

ich war für 9 Wochen in der Klinik. Aber es hat jetzt insgesamt 2 Jahre gedauert, mit vielen Auf und Abs, bis ich wieder "die Alte" war.

Nur keine Panik, das kommt individuell auf jeden einzelnen an. Bei mir war es auch eine starke Depression.

Aber das zwischendrin immer Tage kommen, an denen es nicht so toll läuft ist normal.

Die Hauptsache ist, dass sie wieder ihr Baby versorgen kann, alles andere kommt mit der Zeit und Geduld muss man bei dieser Krankheit haben.

Alles Liebe, Micha
nadin

Beitrag von nadin »

Liebe tina,

ich hatte zweimal eine ppD. Bei meinem Sohn war auch ich in einer Mutter Kind Klinik und zwar ca. 3 Monate und war dann stark genug nach Hause zu gehen jetzt bin ich wieder gesund nehme prophylaktisch noch Medikamente bis zum Jahresende , bin auch noch in der nachsorge. Man kann nicht sagen wie lange es dauert, das ist eben sehr unterschiedlich, da es ja verschiedene Schweregrade gibt nur eins ist sicher es vergeht zu 100%. Eure Liebe und das Verständnis der Angehörigen ist auch ein guter Grundstein zur Heilung. Viel Glück und Kraft weiterhin.Liebe Grüße Nadin
tinarei

Beitrag von tinarei »

Hallo ihr Lieben,

ich brauche mal wieder Rat von Euch.
Meine Schwester Ines ist noch immer im Krankenhaus. Sie hat nun die 3. Medikamentenumstellung hinter sich. Es ging ihr jetzt 2 Wochen wirklich gut. Heute hat sie erfahren, dass sie nach dem Wochenende in die Tagesklinik kann, wenn sie das möchte. Erst fand sie das noch nicht so gut, doch dann hat sie sich mit diesem Gedanken angefreundet. Gestern ist außerdem noch ein Angstblocker, den sie zusätzlich bekommen hat, abgesetzt worden. Und heute gegen Nachmittag kam wieder ein Einbruch. Nun denkt sie wieder nach, ob vielleicht die Medikamente nicht mehr wirken, oder ob ihr die bevor stehende Tagesklinik zu viel Angst macht.
Ich kann ihr immer nicht so richtig Mut machen in solchen Situationen. Es wäre schön, wenn ihr eure Erlebnisse schreiben könntet. Ob es euch auch wieder schlechter ging, wenn Veränderungen anstanden. Zu hören, dass man nicht die Einzige ist, die aus dieser Krankheit wieder herausgekommen ist, macht sicherlich viel mehr Mut.

Danke, Tina!
BirgitM

Beitrag von BirgitM »

Hallo Tinarei,

ich finde es super wie du dich für deine Schwester einsetzt!! Es gibt nicht viele die so hinter einem stehen!!!
zu deiner ersten Frage: ich bin auch nicht 199% geheitl aus der Klinik, ich war zwar stabil aber hatte immer noch Schwankungen. Mein Therapeut hat mich ca. im März umgetellt auf ein ganz anderes Medikament und seit dem geht es mir erst so richtig gut (bei mir sind bis dahin 3,5 Jahre vergangen)!!!
Es dauert einfach seine Zeit bis man "sein" Medikament findet!!!
Ich werde mein Leben lang Tabletten nehmen müssen, aber das ist das kleiner Übel!!
Ich war 3 Monate in der Klinik( von November 03 - März 04)!! Ich hatte insgesamt 3 Entlassungstermine und jedesmal wenn ich erfahren habe ich darf nach Hause bin ich wieder total abgestürzt!! Bei meiner endgültigen entlassung ist es mir dann wirklich gut gegangen und ich wusste jetzt ist es an der zeit heim zu gehen. Mein sohn braucht mich jetzt und ich habe wieder die Kraft für IHN!!!
Es ist sehr typisch, das man vor veränderungen sehr große angst hat!! Sie darf sich nicht dazu zwingen!! Sie hat genügen Zeit ... sie kann immer noch in die Tagklinik gehen!!

Sag ihr ganz liebe Grüße
und sie kann sich jeder Zeit auch mal melden (wenn sie soweit ist!!)

Alles liebe

Birgit
Micha

An Tina

Beitrag von Micha »

Liebe Tina,

wenn man in der Klinik ist, fühlt man sich wie unter einer Haube. Alles Negative und der Alltag dringt nicht zu einem vor.

Als ich im Krankenhaus war, durfte man abends machen was man wollte. Ich bin dann oft in die Stadt gegangen. Aber kaum dort angekommen wollte ich schnell wieder zurück.

Die letzten Wochen, als es mir wieder einigermaßen gut ging, war ich dann abends zu Hause. So bekam ich langsam wieder Anschluss ans reale Leben.

Es wird, leider, bei deiner Schwester immer noch einige Zeit auf und ab gehen. Ich dachte auch oft das ganze Theater geht von vorne los. Aber die Einbrüche werden schwächer und weniger und eines Tages wird auch Sie wieder "die Alte" sein.

Wichtig ist vielleicht auch, dass sie jeden Tag ihr Kind sieht.

Wenn du noch Fragen hast, jederzeit. Ich stehe auch mit meiner Telefonnumer auf der Betroffenenliste von Schatten-und-Licht, die du anfordern kannst. Gerne kannst du mich dann auch telefonisch zu Rat ziehen (Heike, Heilbronn).

Liebe Grüsse, Micha
Anke
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Beitrag von Anke »

Hallo Tina,

ich möchte Dir auch gerne meine Erfahrungen mit der Krankheit und meines Klinikaufenthalts schildern.

Als mein Sohn 12 Wochen alt war - ich hatte die ersten sechs Wochen mit allergrößter Mühe selbst bewältigen können, anschließend waren meine Eltern teilweise nachts und auch tagsüber bei mir und dem Baby, um mich zu unterstützen, da ich fast nichts mehr "auf die Reihe" bekam - und es mir zunehmend schlechter ging, hatte ich großes Glück, innerhalb kürzester Zeit ein Bett in einer Klinik zu bekommen. Bis zu dieser Zeit hatte ich mehrere Arztbesuche hinter mir, Johanniskraut und ein anderes Medikament wirkten nicht. In Wiesloch bei Heidelberg (Baden-Württemberg) wurde ich schließlich stationär aufgenommen, zunächst ohne meinen Sohn, da es mir viel zu schlecht ging. Mir wurden gleich 3 andere Medikamente verordnet, die glücklicherweise nach ca. 3 Wochen eine Besserung spürbar machten und ich meinen Sohn zu mir in die Klinik bringen lassen konnte. Von da an ging es langsam bergauf, allerdings konnte ich noch kaum Freude oder Liebe für mein Kind empfinden - ich war noch zu schwer krank. Wir blieben dann fast fünf Monate stationär, bis ich stabil (d. h. ohne Selbstmordgedanken oder Gedanken, ich könnte meinem Kind was antun) entlassen wurde.
Als ich wieder daheim war, hatte ich tagsüber eine Haushaltshilfe, um nicht gleich alles wieder allein meistern zu müssen. Meine Medikamente nahm ich noch weitere neun Monate, sie wurden nacheinander langsam ausgeschlichen. Meine letzte Tablette nahm ich ca. 1,5 Jahre nach der Geburt meines Sohnes.
Seit 3,5 Jahren bin ich wieder ganz gesund - ich bin froh, so eine gute Behandlung bekommen zu haben, ohne die ich diese Hölle nicht überstanden hätte. Nicht zuletzt waren meine Eltern (ich habe keine Geschwister, ein dickes Lob an Dich!) die größte Stütze für mich, während meiner Krankheit.

Die noch so kleinsten Veränderungen bringen eine Kranke wieder ins Schwanken und teilweise auch wieder in ein Loch. Was für gesunde Menschen gar kein Problem darstellt, ist für eine Kranke ein riesiger Berg.

Ich rate Deiner Schwester, nicht zu früh die Klinik zu verlassen. Dort ist sie "geschützt" und unter Beobachtung. Wenn SIE es möchte, kann sie anschließend in eine Tagesklinik gehen. Wichtig ist auch - wenn sie es möchte! - dass sie ihr Baby regelmäßig sieht.
Ich wünsche Dir viel Kraft für Deine Schwester (oft ist "nur" die Anwesenheit und Anteilnahme eines lieben Menschen sehr viel Wert, um gesund zu werden) und ihr viel Geduld und Zuversicht - es wird wieder gut!

Melde Dich wieder, wenn Du möchtest - viele Grüße an Deine Schwester!!!
Viele Grüße von Anke

"Die Zeit heilt alle Wunden..."
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Uli W.
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Beitrag von Uli W. »

Liebe Tina,
Ich hatte ebenfalls eine PPP wie Deine Schwester, das ist allerdings schon über 15 Jahre her und ich bin seitdem wieder ganz gesund ( das gleich mal als Mutmacher!). Dass Deine Schwester auf das Absetzen des Angstblockers reagiert ist völlig normal. Ich bekam damals Tavor und hatte beim langsamen Ausschleichen des Medikaments ( das sich über mehrere Wochen hinzog) richtige Entzugserscheinungen. Jedesmal, wenn ich wieder einige mg weniger nahm, bekam ich Angstschübe und Schweißausbrüche am Morgen. Ines muß da durch, so brutal es klingt, aber nach einigen Tagen werden die Symptome nachlassen. Angstblocker können leider auf Dauer süchtig machen, die anderen Psychopharmaka nicht! Deshalb ist es wichtig, Angstblocker ( Tranquillizer) nur unter strenger ärztlicher Aufsicht und über einen nicht zu langen Zeitraum zu nehmen.
Ich war damals insgesamt 3 Monate in der Klinik und hatte daheim über weitere sechs Monate depressive "Nachschwankungen". Sehr viel später habe ich erfahren, dass diese eine Nebenwirkung der gegen Psychosen verordneten Neuroleptika war. Angeblich sind die heutigen Neuroleptika verträglicher, so dass diese depressiven Abstürze nicht mehr oder weniger stark auftreten. Falls Deine Schwester in den kommenden Monaten solche depressiven Tiefs hat, soll sie auf keinen Fall die Hoffnung aufgeben: Das geht vorbei!!! Die Tiefs treten mit der Zeit immer seltener auf und sind auch nicht mehr so heftig. Bei mir waren sie wie gesagt, circa 9 Monate nach der Entbindung ganz vorbei. Vielleicht kann Ines sich in der ersten Zeit nach der Entlassung Unterstützung mit dem Haushalt und dem Baby organisieren, sie sollte viel Geduld mit sich haben und sich nicht verurteilen, wenn es dauert, bis sie wieder alles auf die Reihe kriegt. Vielleicht habt Ihr auch eine Selbsthilfegruppe von Schatten & Licht in Eurer Nähe ( Liste hier auf der Homepage) ; der Austausch mit anderen Betroffenen ist einfach "heilsam".
Ich habe übrigens sieben Jahre nach meiner PPP ein zweites Baby bekommen und habe es ohne Krankheit überstanden, es war wie ein Stück Therapie. Aber das nur als Mutmacher, diese besch... Krankheit geht vorbei und Deine Schwester wird wieder ein ganz normales Leben führen! Super, wie Du ihr dabei zur Seite stehst, eine solche Schwester kann man sich nur wünschen!!
Alles alles Gute für Euch und melde Dich, sobald Du Rat oder Aufmunterung brauchst!
Viele liebe Grüße von ULi
Mara

Schwankungen

Beitrag von Mara »

Nicht jeder Einbruch ist ein Rückfall, sondern die Krankheit verläuft nicht stetig bergauf, sondern in Wellenbewegunge bergauf. Die schlechten Tage werden weniger schlimm und irgendwann hat man sie sogar vergessen.
Das sagte mir meine Ärztin, und sie hatte Recht. Deshalb muss man an einem schlechten Tag nicht den Mut verlieren. Es wird wieder gut!
Mara
tinarei

Beitrag von tinarei »

Hallo ihr Lieben,

Ich danke euch vielmals im Namen meiner Schwester für eure Beiträge. Sie hat die Seiten, die ich ihr ausgedruckt habe dutzende Male durchgelesen. Heute habe ich auch die Telephonliste zugeschickt bekommen. Ich denke Ines wird euch nun selbst mal anrufen.

Ihr seid toll!

Tina
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