Unsicherheit und mehrere Fragen

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

Moderator: Moderatoren

Kalora

Unsicherheit und mehrere Fragen

Beitrag von Kalora »

Hallo,

ich habe mich ja vor kurzem in der Vorstellungsrunde vorgestellt und habe jetzt ein paar Fragen.

Ich bin zwischendurch einfach sehr unsicher, ob ich wirklich eine postpartale Depression habe oder nicht. Manchmal gibt es Tage, da könnte ich Bäume ausreißen und habe so viel Energie, dass ich gar nicht weiß, wohin damit. Und dann gibt es die Tage, an denen möchte ich weglaufen oder meine Tochter bei der Tagesmutter lassen und sie nicht abholen. Ich komme einfach nicht damit zurecht, dass ich mein Leben nicht alleine bestimme und ich sehe mich teilweise als sozial isoliert, esse kaum, habe keine Hobbys mehr und überhaupt keine Lust auf Krabbelgruppen oder Müttertreffs. Manchmal denke ich daran, wie es jetzt wäre, wenn ich nicht schwanger geworden wäre. Mir tut das so Leid, aber ich habe das Gefühl, meine Tochter hat mir einen Teil meines Lebens geklaut.
Ich schrieb ja bereits, dass mein Freund wegen einer Medikamentenumstellung in einer Klinik war und auch bald wieder hin muss. Letztes Mal hatte ich eine regelrechte Heulattacke und hab ihn angeschrien, er soll sich endlich verpissen(So bin ich wirllich sonst NIE.). Ich habe so Angst davor, dass er bald weg muss, auch wenn es wahrscheinlich nur zwei Wochen sind. Meine Gedanken kreisen eigentlich um nichts Anderes.
Klar weiß ich irgendwo, dass das nicht normal ist, aber trotzdem denke ich manchmal, dass ich eigentlich gar keine Hilfe brauche und ich mich da eigentlichnur noch hineinsteigere.
Gehts euch da denn auch so?

Meine zweite Frage wäre, wie schnell man bei einer Ambulanz denn eigentlich ungefähr einen Termin kriegt. Denn die Wartezeiten bei Psychiatern hier in der Nähe beträgt durchschnittlich 3 Monate.

Danke im Voraus,
Kalora
Charleenmaxim

Re: Unsicherheit und mehrere Fragen

Beitrag von Charleenmaxim »

Hallo kalora
Leider kann ich dir nicht wirklich weiterhelfen, da ich selbst gerade mitten drin stecke.... Doch hört es sich schon nach einer ppd an. Wenn du etwas im forum stöberst, kannst du lesen, dass es auch dazu gehören soll, dass man sich immer wieder fragt ob man wirklich eine krankheit hat oder nur faul oder so ist. Ich denke dies auch immer wieder von mir.....oder einfach nicht gemacht für kinder. Meine psychologin hat mich nach dem ich panisch auf dem stuhl vor ihr sas und ich darüber sprach, dass meine kinder mun einfach da sind und ich es nicht mehr rückgängig machen kann, mich gebeten die augen zu schliessen und mir vorzustellen wie ich mich fühlen würde, wenn sie nicht mehr hier wären.... Da musste ich mega heulen!!!!
Wir lieben unsere kinder!

Liebe grüsse sandra
Kalora

Re: Unsicherheit und mehrere Fragen

Beitrag von Kalora »

Hallo Charleenmaxim,

danke für Deine Antwort.
Ich bin mir eigentlich auch ständig unsicher. Bin ich krank oder bin ich nicht krank. Ich finde das so einen fließenden Übergang.
Momentan geht es mir seit ein paar Tagen auch wieder gut.
Wahrscheinlich werde ich jetzt noch abwarten, ob wieder so ein Einbruch kommt und dann entweder einen Psychiater aufsuchen oder nicht.

Liebe Grüße,
Kalora
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Marika
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Re: Unsicherheit und mehrere Fragen

Beitrag von Marika »

Hallo,

ich habe mich Anfangs auch genau das gefragt. Und auch ich hatte immer wieder gute Tage an denen ich sicher war - jetzt ist alles vorbei, ich habe mich nur reingesteigert. Bis dann die Talfahrt innerhalb von 2 Wochen zum rapiden Absturz geführt hat.

In Ambulanzen kommst du eigentlich gleich dran, was ich weiß. Ich würde nicht länger weiter zu warten, hol dir Hilfe! Dein Leben kann wieder schön werden!
Liebe Grüße von
Marika

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schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Kalora

Re: Unsicherheit und mehrere Fragen

Beitrag von Kalora »

Hallo,

danke für deine Antwort.
Ich bin mir nur sehr unsicher. Seit etwa einer Woche geht es mir vergleichsweise gut. Es gibt zwar Dinge, die haben sich nicht geändert (Demotivation, Stress beim Rausgehen oder wenn mein Baby schreit), aber insgesamt ist es okay.
Auch dem Klinikbesuch meines Freundes sehe ich eher normal entgegen. Es belastet mich immer noch sehr, weil er selber da die ganze Zeit unsicher ist und es "mal so, mal so" ist.
Ich weiß, wie schnell so etwas umschwenken kann, deshalb bin ich so unglaublich hin- und hergerissen. Die nächste Ambulanz ist leider eine dreiviertel Stunde Fahrt von hier entfernt und da ich jeden Tag zur Berufsschule muss, habe ich auch gar keine Zeit.
Oh Mann, mich nervt das irgendwie total. Ich häng da so zwischen den Stühlen...
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Marika
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Re: Unsicherheit und mehrere Fragen

Beitrag von Marika »

Hallo,

also eines sollte dir klar sein: "keine Zeit" solltest du klar als "Ausrede" erkennen.... :wink:

Wenn es mir schlecht ginge oder sonst wie krank wäre, könnte der Kaiser von China zu besuchen kommen wollen und ich würde trotzdem einen Arzt aufsuchen. Das also ist KEIN Grund! :wink:

Achte auf dich, nimm deine Bedürfnisse wahr, tu dir gutes, schaff dir Auszeiten, gehe liebevoll und achtsam mit dir um und vor allem: NIMM DIR ZEIT FÜR ALLES WAS DICH BETRIFFT!

Die größte "Geisel" unserer Zeit ist definitiv die Aussage: Ich habe keine Zeit. Wir haben nie Zeit wenn es um UNS geht, sonst aber haben wir für so viel "Sinnloses" jeden Tag genug Zeit. :idea:

Achte auf dich!
Liebe Grüße von
Marika

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Kalora

Re: Unsicherheit und mehrere Fragen

Beitrag von Kalora »

Hallo,

da hast du schon recht.
Ich denke auch immer an alles und jeden anderen, bevor ich mich überhaupt mal um mich kümmere...und die Quittung bekommt man dann ja.
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Marika
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Re: Unsicherheit und mehrere Fragen

Beitrag von Marika »

Genau. Wenn mich diese "Besonderheit" (ich nenne es absichtlich NICHT Krankheit) eines gelehrt hat, dann ist es ZEIT UND GEDULD zu haben, MICH WAHRZUNEHMEN und endlich an 1. STELLE ZU STEHEN!

Dieser Wandel dauert, es erfordert Arbeit, oft auch Stille und in sich gehen. Helfen dabei können dir Entspannungstechniken oder Meditationen (in Kursen oder einfach daheim mit guten CD´s). Dafür muss man sich wieder um ZEIT nehmen.... :wink: Mit genau dieser ZEIT entsteht dann ein Umdenken, dass einem extrem viel geben kann: nämlich Selbstvertrauen und die Fähigkeit sich selbst zu lieben.

DAFÃœR SOLLTEN WIR ALLE UNS ZEIT NEHMEN - ES LOHNT SICH!
Liebe Grüße von
Marika

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schwere PPD 2005
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Kalora

Re: Unsicherheit und mehrere Fragen

Beitrag von Kalora »

Hallo,

vielen, vielen Dank für deine ganzen Antworten.
darf ich fragen, wie du es geschafft hast, dass sich deine "Besonderheit" gebessert hat?
Warst du in ambulanter oder stationärer Behandlung?

Das mit der Zeit ist echt eine Sache. Man stopft sein ganzes Leben voll mit Aktivitäten oder anderen vermeintlich wichtigen Dingen und vergisst sich dabei selber. Dabei verliert man auch die Momente aus den Augen, in denen man wirklich mal Zeit bzw. Ruhe oder Stille hat...
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Marika
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Re: Unsicherheit und mehrere Fragen

Beitrag von Marika »

Du sagst es und du siehst an deiner Antwort auch, dass du es tief drinnen bereits weißt und verstanden hast. Jetzt geht es ans Umsetzen.

Wie ich gesund geworden bin... das war ein längerer Prozess. Ich war in engmaschiger Therapie bei einem sehr guten Psychiater, bekam zu Anfang 3 Medikamente in sehr hoher Dosis. Das war zunächst nötig, um mich für die Therapie soweit zu stabilisieren, dass ich mich darauf einlassen konnte. Die Therapie (ich hatte ja massivste ZG) ging dann ganze 2 Jahre, bis wir fest stellten: es ist Zeit, alleine weiter zu gehen. In der Therapie Zeit konnte ich 2 Medikamente ganz absetzen und das letzte verbleibende um 2/3 reduzieren, trotzdem blieb ich nicht nur stabil, es ging sogar noch weiter bergauf. Das ging eins zu eins damit zusammen, dass ich mein Leben wirklich nach und nach um gekrempelt habe und auch entrümpelt, wenn du so willst. :wink: Der Grundstein wurde aber in der Therapie gelegt, in der ich erkannte dass Selbstvertrauen und Selbstliebe für mich fast nicht existierten. Und ich habe auch gelernt, wie ich diese beiden so wichtigen Eckpfeiler für mich "erarbeiten" konnte. Daneben habe ich Bachblüten genommen und war in einer Hebammenpraxis in der ich per TCM behandelt wurde.

Auch nach der Therapie habe ich diese Episode in meinem Leben nicht einfach abgeschlossen, sondern es zu meinem "Hobby" gemacht. Alles was mit der Psyche, mit der Seele, mit dem Gehirn zu tun hat, fasziniert mich seither und so habe und tue ich es noch - mich selber "weiter gebildet". Das hat mir auch sehr geholfen, zu verstehen was mit mir passiert war. Und deshalb bin ich auch heute noch so oft gerne hier, weil mir Austausch immer schon gut tut und mich heute noch weiter bringt! Ich habe diese Besonderheit in mein Leben integriert und wachse weiterhin an ihr - durch sie habe ich auch eine Art "Berufung" gefunden anderen auf ihrem Weg zu helfen und das kann ich hier ausleben.

Ich glaube es würde sich rentieren, wenn du vielleicht mal die Stille für dich entdecken könntest, in deinen Alltag mit all dem "Vollgepackten" wenigstens 10 min pro Tag NUR FÜR DICH integrierst und da einfach gar nichts tust... außer Atmen und das aber dafür ganz bewusst. 10 min wo du im "Hier und jetzt" verbringst ... das wäre ein Anfang .... :wink:
Liebe Grüße von
Marika

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Kalora

Re: Unsicherheit und mehrere Fragen

Beitrag von Kalora »

Hallo Marika,

ich finde es einfach sehr schwierig, mir wirklich einzugestehen, dass ich Hilfe benötige. Ich habe Angst davor, dass ein Psychiater denkt "Warum ist die jetzt gekommen, die hat doch gar nichts." Das sind da momentan die Gedanken, die mich daran hindern, auch einen aufzusuchen.

Die momentan stärkste Belastung ist, dass mein Freund ja selber krank ist. Er liegt ständig im Bett, ein Familienleben sieht anders aus. Mit fehlt die Harmonie und das Zusammensein. Rausgehen tun wir auch so gut wie nie, meist bin ich dabei alleine. Er ist selber völlig am Ende und muss endlich das sch*** Medikament absetzen, aber er war so oft krank geschrieben in der letzten Zeit, dass seine Arbeit auf der Kippe steht. Wäre das Problem endlich gelöst, dann sähe die Sache sicherlich auch anders aus. Auf der anderen Seite kann ich einfach nicht alleine sein und meine Angst, ihn für zwei Wochen, in denen er in der Klinik ist, nicht zu sehen, geht ins Unendliche.

Aber ich mag mich auch nicht wiederholen. Manchmal habe ich das Gefühl, ich versinke im Selbstmitleid. Das Nichtalleineseinkönnen ist sicherlich auch ein Symptom der PPD. Mittlerweile erzähle ich auch niemandem mehr, wie es mir geht. Denn die meisten verstehen es nicht und die, die es verstehen würden, sollen sich keine Sorgen machen.

Oh man, wenn ich das hier so schreibe, dann komme ich richtig ins Grübeln...da könnte ich manchmal alles kurz und klein schlagen, weil ich einfach so angespannt bin und nicht weiß, wohin damit.
Sanna
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Re: Unsicherheit und mehrere Fragen

Beitrag von Sanna »

Hallihallo!

Auf was willst du noch warten, bevor du dir Hilfe holst?

LG, Sanna
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Kalora

Re: Unsicherheit und mehrere Fragen

Beitrag von Kalora »

Hallo Sanna,

ja, das ist eine gute und berechtigte Frage.
Ich warte eigentlich nur darauf, dass es endlichbesser wird. Auch wenn es das von selbst wahrscheinlich nicht mehr wird.
Ich hatte die Hoffnung, dass ich in der im April angefangenen Ausbildung eine Ablenkung und Zerstreuung finde, aber das hat nicht geklappt.

Lg,
Anna
Sanna
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Re: Unsicherheit und mehrere Fragen

Beitrag von Sanna »

Weißt du, viele von uns hatten sicher den Gedanken "Ach, das wird schon wieder." oder "Sooo krank bin ich ja gar nicht." Hatte ich auch. Bis ich dann einsehen musste, dass es ohne Hilfe nicht wieder besser wird.

Klar, den Großteil der Arbeit muss man alleine stemmen. Keiner macht für dich den Gedankenstopp oder Entspannungsübungen oder ähnliche Dinge. Aber eine Psychiater und Therapeut können auf dem Weg eine unheimliche Stütze sein. Vielleicht auch ein Medikament, das kann ich nicht beurteilen, dafür müsstest du eben zum Psychiater.

Wir stehen dir hier gerne zur Seite, aber eine Therapie oder ein Medikament ersetzen wir nicht. DU musst jetzt aktiv etwas tun. Auch wenn die langen Wartezeiten oder Wege abschrecken in einer Situation in der man akut krank ist. Das verstehe ich, glaub mir. Auch deine häusliche Situation scheint nicht die einfachste zu sein. Okay, verstehe ich auch.

Es ist nur so, dass du wieder richtig gut leben kannst. Aber du musst den ersten Schritt machen, und vielleicht zumindest erstmal einen Termin beim Doc machen. Jeder Tag, den du wartest, hast du wieder verplempert. Das ist einfach zu schade.

LG, Sanna
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lotte

Re: Unsicherheit und mehrere Fragen

Beitrag von lotte »

Hey Anna,

noch ein Wort zum Thema Ablenkung: das ist sicher alles schön und gut, wenn man nicht nur grübelt, sondern versucht, auch wieder "normale" Dinge, wie Arbeit etc anzugehen.

Aber: das sind keine Garantien dafür, dass die Krankheit zurückgeht oder sogar ganz plötzlich verschwindet. Denn eigentlich solltest Du in der Zeit der Heilung, Genesung im wesentlichen nach Dir und damit Deinen inneren Bedürfnissen schauen. Wenn Du "nur" arbeiten gehst, um Dich abzulenken, wird das nicht funktionieren. Wenn Du aber arbeiten gehst, weil DU es wirklich willst, kann es helfen.

Sicher wäre es "einfacher", man könnte quasi mit äußeren Umständen (Arbeit, Umzug, Urlaub) die Krankheit verdrängen, stoppen. Aber es ist ein Prozess, der da in Gange kommt und der braucht auch die seelische Unterstützung.

LGL
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