Haben die Hebammen keine Ahnung?

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

Moderator: Moderatoren

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Muschelkalk

Haben die Hebammen keine Ahnung?

Beitrag von Muschelkalk »

Hallo, ihr Lieben!
Alle Menschen in diesem Forum wissen, wie es ist, wenn man will und nicht kann. Ich lese andauernd so schrechkliches Zeug und frage mich immer wieder, wieso viele von euch sooo lange keine Hilfe bekommen haben. Das geht oft schon vor der Geburt los, dann kommen Horrorentbindungen und Höllenwochen danach. Wo sind die Hebammen, die doch eigentlich genau das auffangen sollten. Ich möchte keinen kompletten Berufsstand anklagen, aber ich bin voll verunsichert... Eine psychische Erkrankung rund um die Geburt ist doch keine Lappalie...eine vorübergehende Disfunktionalität der Frau!

Wenn das hier von einer Hebamme gelesen wird, bitte fühl dich nicht persönlich angegriffen, aber ich bitte dich von Herzen: Machs besser! Das letzte was ein frisch gebackene Mama brauchen kann, ist eine unwissende Umwelt...

Muschelkalk (die bald viele Babys will :D )
Milla

Beitrag von Milla »

Hallo kleine Muschel! :wink:

Ich nehme an,daß die Beschreibung und Behandlung dieser Krankheit nicht zu der Ausbildung der Hebammen gehört! :(

Ich habe persönlich während des Geburtsvorbereitungskurs nie von dieser Krankheit gehört,auch nie etwas in den Schwangerschaftsliteratur gelesen!Die Krankheit wird oft von den Hebammen mit dem Babyblues verwechselt!Echt traurig!

Und dazu kommt , daß viele Hausärtze über diese Krankheit kaum etwas wissen!

Das Pb mit den Hebammen,ist daß die meisten nur in den ersten Wochen nach der Geburt die Mutter sehen, diese Krankheit aber erst später eintreten kann,wenn die Hebamme längst keine Besuche mehr macht!

Ich persönlich hätte meiner Hebamme nicht zugetraut,diese Krankheit zu diagnostizieren ,geschweige denn behandeln.

Und das andere Pb:die betroffenen Frauen selber erkennen oft spät,wenn ihr Zustand sich arg verschlimmert hat,daß sie krank sind und zum Artz müssen!Ich dachte persönlich,es sei die Müdigkeit,die Überforderung wegen des Haushalts und der Kinderpflege,ich habe erst spät erkannt,daß ich an eine behandelbare Krankheit litt!

Und das Umfeld der Frau denkt auch oft so ,sie habe halt einen schlechter Charakter,sei müde wegen der schlaflosen Nächte,des Stillen,usw.

Ich persönlich denke, daß die beste Prävention darin bestehen würde,die Schwangeren UND ihr Partner in den Vorbereitungskursen gründlich über die Symptomen und Behandlungsmöglichkeiten dieser Krankheit zu informieren und eine oder mehrere Vorsorgeuntersuchungen beim Psychiater nach der Geburt vorzusehen (vielleicht 1 , 3, 6 Monate nach der Geburt),damit dieser eine beginnende PPD und PPS rechzeitig erkennen und behandeln kann!

LGMilla
Zuletzt geändert von Milla am 05:03:2006 22:15, insgesamt 1-mal geändert.
valentina

Beitrag von valentina »

:-) Hey Muschelkalk
Das denke ich auch immer, wie wenige Fachpersonen wirklich über diese Krankheit Bescheid wissen. Vor allem habe ich immer das Gefühl, sie wird nicht ernst genommen. Viele meinen das bisschen Babyblues gehört einfach dazu. Aber wie todernst eine PPD ist, wissen wir ja alle. Für mich wars die Hölle auf Erden. Ich habe es grösstenteil überstanden. Aber manchmal traure ich noch meiner totalen Leichtigkeit und Unbeschwertheit von früher nach. Ich glaube einfach, wenn bei mir gleich am Anfang richtig gehandelt worden wäre, wäre ich nicht so tief abgestürzt. Ich wusste ja überhaupt nicht, was mit mir passiert am Anfang. Ich dachte erst immer ich sei körperlich krank. Ein bisschen mehr Aufklärung bei Ärzten und Hebammen wäre bitter nötig. Wenn man in der Vorsorge die Symptome bekanntgeben würde, die auftreten könnten, würde manche Frau sicher besser auf ihre Gefühle eingehen können und wachsam sein, und sich früher ärztliche Hilfe holen.
Vielleicht aber weiss man noch so wenig, weil lange Zeit die Frauen überhaupt nicht darüber gesprochen haben, weil sie sich schämten, und sowas gar nicht aussprechen konnten. Sie hatten dann Zusammenbrücht und das lief dann vielleicht unter Erschöpfungsdepression. Ich kann mirs nur so erklären, dass die Hebammen häufig so ahnungslos sind. Wir Frauen sind es, die das ändern müssen. Und ich finde, ein grosser Schritt ist schon getan. Wir können uns wenigsten gegenseitig helfen. :!: Liebe Grüsse Valentina
Muschelkalk

Ideen zur Vorsorge

Beitrag von Muschelkalk »

Also, ich finde diese Vorschläge für die Schwangerenberatung super.
Man müsste allen werdenden Eltern (und am besten noch den Grosseltern in spe dazu) mitteilen, was in einem ungünstigen Fall passieren kann. Wichtige fände ich es, wenn man auf den Gehirnstoffwechsel eingeht. (Dann verliert das ganze diesen Nimbus von "die will einfach nicht", und es wird einfacher, der Wahrheit ins Auge zu schauen, wenns soweit ist.)

Ich fände es auch klasse, wenn das Problem der Zwangsgedanken stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gelangen würde. Dann würden sich die frisch gebackenen Mütter vielleicht viel eher öffnen und ihre schlimmsten Befürchtungen preisgeben...

Vielen Dank für eure Anregungen!

Muschelkalk

P.S.: Eigentlich müssten doch so viele starke Frauen (mit ihrem riesigen Erfahrungsschatz und gelebten Erfahrungen) ihr Wissen an all diejenigen witergeben, für die das Schicksal schon sehr bald eine böse Überraschung bereit hält...i
Blancanieves

Beitrag von Blancanieves »

Hi du!

Deine Frage ist eine gute Frage...

Falls du eine Antwort von einer Hebamme bekommen möchtest, hier kannst du die selbe Frage stellen:

http://www.hebamme4u.net/Forum_CT2/

Magst du das?? ja???. doch, bitte. bitte. bitte...dort bin ich auch als Blancanieves angemeldet.
Mal sehen, was die Hebammen dir antworten... bin gespannt..
Muschelkalk

Beitrag von Muschelkalk »

Herzlichen Dank für deine Internet-Recherche, Blanca.
:? Das ist eine sehr schöne Seite. Ob sie hält, was sie verspricht, müsste man en detail rausfinden.
Ich bleibe dabei: Es ist krass, dass das Gesundheitspersonal so gut wie keine Ahnung hat, was PPD und PPP angeht. Immerhin erkranken bis zu 10 % der Mütter an einer dieser Krankheiten...aber das geht dann so im allgemeinen Trubel unter. Ich finde, das ist eine Wahnsinnszahl...also, (fast) jede zehnte Mutter kann die Zeit nicht geniessen, da sie sich mit Schuldgefühlen, ZG's und Gefühllosigkeit rumschlagen muss.

Muschelkalk :?
Sas

Beitrag von Sas »

Hallo Muschelkalk,

eigentlich müßte ich mich ja mit Kritik an Hebammen zurückhalten. Meine Hebamme war super, sie hat mir den Tipp zu dieser Seite gegeben. Und auch die Hebamme von der Geburtsvorbereitung hat das Thema angesprochen. Außerdem hat mich auf der Station mal eine Ärztin zum Einzelgespräch gebeten und mich darüber aufgeklärt. Vielleicht hat sie damals schon irgendwelche möglichen Anzeichen bemerkt. Bei mir ist die PPD/PPP schon 10 Tage nach der Entbindung und ca. 3 Tage nach der Entlassung aus dem Krankenhaus ausgebrochen.

Ich denke, das größte Problem, was die Hebammen und die Ärzte haben, ist die kurze Pflegedauer nach der Geburt. Meine Mutter blieb bei meiner Geburt ganze 3 Wochen auf der Station, obwohl das eine ganz gewöhnliche spontane Geburt war. Sämtliche Besucher wurden ferngehalten und sogar mein Vater durfte nur zu bestimmten Zeiten rein.

Zum Vergleich, eine Freundin von mir wurde vor 2 Jahren nach einem
Kaiserschnitt mit Komplikationen nach 4 Tagen aus dem Krankenhaus herauskomplimentiert. Zu Hause konnte sie dann mit ihrem aufgeschnittenen Bauch in der Küche stehen, backen und kochen und irgendwelche unwillkommenen Gäste bewirten, die sich uneingeladen aufgedrängt haben. Und natürlich nebenbei das Kind versorgen. Was war natürlich die Konsequenz: Überforderung, PPD. Und keiner hat's erstmal mitgekriegt.

Leider ist es die gängige Praxis, dass man während der Schwangerschaft nicht richtig aufgeklärt wird. Ich habe gehört, dass manche Hebammen den Frauen einfach keine Angst einjagen wollen. Ich denke aber, dass es sehr viel hilft, wenn man es so macht, wie meine 2 tollen Hebammen. Ich bekam innerhalb der ersten 24 Stunden schon Hilfe bei meiner Depri.
Wieviele Frauen müssen deshalb Monate und Jahre lang leiden.

LG an Euch alle, Saskia
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Uli W.
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Beitrag von Uli W. »

Hallo, Ihr Lieben,

ja, da ist noch massig viel zu tun! Hier in Deutschland ist das Wissen um die PPD/PPP auch bei den sogenannten Fachleuten auf einem derartig schlechten Stand, dass es schon fast skandalös ist! Das ist in den angelsächsischen Ländern, auch in den Niederlanden ganz anders. Sabine hat uns erst am Wochenende erzählt, dass sie in einem irischen Pub (!) angesprochen wurde, als sie erzählte, dass sie Kinder hat: "Postpartal Depression? Did you have it?" Und hierzulande wissen nicht mal die Hebammen Bescheid ( rühmliche Ausnahmen gibt es gottseidank, und sie werden immer mehr). Wir vom Verein versuchen immer wieder, die Hebammen dazu zu bringen, das Thema in den Vorbereitungskursen zu behandeln. Und immer wieder wird uns gesagt:"Nein, das wollen die werdenden Mütter nicht hören!" Ein sehr doofes Argument, denn vom Kaiserschnitt wollen sie auch nichts hören, der wird aber trotzdem angesprochen!

Wir planen gerade eine große Kampagne mit Transparenten in den größeren deutschen Städten, die auf diese Krankheit aufmerksam machen und das Tabu brechen sollen, damit irgendwann jeder ( auch die Männer, auch die ganz jungen Leute, auch die Senioren) Bescheid weiß und betroffene Frauen sich nicht mehr schämen und verstecken müssen. Es wird ein langer Weg sein bis dahin, aber wir geben nicht auf!
Jede von uns kann etwas dazu tun, indem sie von ihrer Krankheit erzählt, ihrem Gyn, ihrem Kinderarzt, ihren Freundinnen, ihren Verwandten...Je mehr von uns sich trauen, offen zu sein, desto mehr Wissen um PPD wird verbreitet. Also, falls Ihr Euch stabil genug fühlt, redet darüber!
Ihr könnt auch die gelben Flyer bei Schatten&Licht anfordern und in Arzt- und Hebammenpraxen, Kliniken und Geburtshäusern auslegen. Damit leistet Ihr einen ganz wichtigen Beitrag dazu, unsere Vision Wirklichkeit werden zu lassen. Wenn damit auch nur einer einzigen Frau schneller geholfen werden kann, hat sich die Mühe gelohnt!

Danke an alle, die mitmachen!
Eure Uli
Milla

Beitrag von Milla »

Hallo liebe Ulli! :D

Ich dachte gerade die letzten Tage daran,diese Krankheit in meinem Umfeld,vor allem bei Fachleuten bekannter zu machen.Wußte aber nicht wie...

Werde diese gelben Flyer bestellen und sie in Arztpraxen,Neugeborenenstationen,usw. verteilen!

Ich scheue mich dagegen,das Thema mit Hebammen anzusprechen,weil ich schon mit dem Thema Schreibaby auf tobe Ohren gestoßen bin! :(

Die Öffentlichskeitskampagne,was für eine tolle Idee!

Könnt ihr das Gesundheitsministerium dazu bewegen,eine solche Kampagne in großen Zeitschriften mitzufinanzieren?

LGMilla
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Uli W.
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Beitrag von Uli W. »

Hallo, Milla,

Deinen Hinweis auf die Zeitschriftenaktion werden wir weiterverfolgen. Wir dachten schon mal an eine Anzeigenkampagne, allerdings sind die Preise für Anzeigen für uns viel zu hoch. Aber vielleicht könnten wir da wirklich was über das Gesundheitsministerium machen. Gebe es gleich an Sabine weiter. Der Wiedererkennungswert wäre natürlich groß, wenn unser Kampagne-Bild und Logo auch in Zeitschriften veröffentlicht würde!

Für die Kampagne selbst haben wir im vergangenen Jahr Gelder aus dem Selbsthilfe-Fonds der Krankenkassen erhalten und auch für 2006 wieder Förderung beantragt.

Danke und liebe Grüße
von Uli
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