Brauche Euren Rat

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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Tribunus

Brauche Euren Rat

Beitrag von Tribunus »

Im März diesen Jahres bin ich zum dritten Mal in meinem Leben in eine Angst-Depression-Phase gerutscht. Zum ersten Mal mit Zwangsgedanken. Beide Male zuvor habe ich es mit Medikamenten geschafft mich wieder komplett gesund zu fühlen. Dieses Mal mache ich eine VT und nehmen 20 mg Escitalopram.
Momentan geht es mir so:

Mich quälen die Erinnerungen an die ZG´s. Also wenn ich z. B. gerade was mache, kommt mir der Gedanke, dass ich in dieser Situation immer ZG´s hatte. Dann frag ich mich, ob es nur die Erinnerung ist oder ob ich gerade doch wieder ZG´s habe. Dann beginne ich mich wieder und wieder zu überprüfen, ob ich gerade normal denke oder nicht. Dann bekomme ich Angst, dass es wieder losgeht. Das macht mich echt fertig. Ich will einfach wieder normal leben. Ich habe langsam das Gefühl zu verblöden.

Heute war ich bei meiner Psychiaterin und ich wollte mit ihr einen Weg besprechen, wie ich diese Phasen vermeiden kann. Ich habe ihr gesagt, dass ich gerne für immer eine geringe Dosis meines Medikaments nehmen will. Das hat sie abgelehnt. Sie meinte, dass ich die Angst wie eine unliebsame Verwandte sehen soll, die manchmal kommt. Ich solle ihr aber keinen Raum geben und lernen damit umzugehen.

Heißt das jetzt doch, dass immer etwas übrig bleiben wird?
Soll ich die Psychiaterin wechseln?
Muss ich mich damit abfinden, dass ich mich für immer krank fühlen werde? :cry:
Warum fühle ich mich nach den Besuchen bei meiner Psychiaterin so schlecht?
Ich war mir bis vor kurzem so sicher, dass alles wieder gut wird und wieder bringt mich so etwas aus der Bahn...
Sanna
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Re: Brauche Euren Rat

Beitrag von Sanna »

Hm, ich verstehe nicht, was gegen eine Erhaltungsdosis des Medikamentes spricht, zumal du ja anscheinend rückfallgefährdet bist. Da würde ich mir nochmal eine zweite Meinung einholen.

Und nein, das heißt NICHT, dass du dich für immer krank fühlen wirst. Es braucht vielleicht noch Zeit und Geduld, aber es besteht eine große Möglichkeit, dass es dir wiedet gut gehen wird. Gerade ZG brauchen oft etwas länger, aber das wird. Glaub nur fest daran!

LG, Sanna
schwere PPD 2012, heute komplett symptomfrei
lotte

Re: Brauche Euren Rat

Beitrag von lotte »

Hey Du,

in einem gebe ich Deiner Psychiaterin recht: Du wirst über kurz oder lang mit Deinen Ängsten, Deiner Krankheit ein Stück weit leben müssen, sprich: du kannst das nicht einfach so ausblenden, drauf hoffen, dass es nie mehr kommt. Das heisst aber nicht, dass Du Dich permanent schlecht fühlen musst damit.

Ist sie denn auch gleichzeitig Deine Therapeutin oder nur für die Medis zuständig? Ob Du für immer eine geringe Dosis brauchst, weisst Du doch jetzt noch gar nicht? Das wäre wie wenn man propylaktisch ein Schnupfenmittel nimmt, damit erst gar keiner kommt.

Kennst Du denn Deine Auslöser für die Krankheit? Vielleicht solltest Du da mal verstärkt ein Auge in Deiner Therapie drauf werfen.

LGL
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Marika
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Re: Brauche Euren Rat

Beitrag von Marika »

Hallo du,

bei ZG bzw. Zwangserkrankungen ist zum jetzigen Zeitpunkt der Forschungen so, dass die allermeisten eine Erhaltungsdosis brauchen, um bei größerem Stress nicht wieder mit ZG zu reagieren. Das heißt aber nicht, dass man in der Therapie nicht zu arbeiten braucht. :wink: Nur wenn du das auch machst - und davon gehe ich aus - kannst du mit einer Minimaldosis des AD´s wirklich stabil und gesund bleiben.

Meine ZG traten schon im Kindesalter auf - das ist z.B. ein klarer Indikator dafür, dass ich mein Leben lang auf das AD angewiesen bin - außer es gibt mal was neues in der Forschung. 8) Allerdings hat deine Psychiaterin insofern recht, als das diese "Besonderheit" dich möglicherweise dein Leben lang begleitet - aber: nicht in Form, dass es dir schlecht geht und dein Leben nur aus Kampf gegen die ZG besteht - das kann es nicht sein. Es geht darum, dich symptomfrei zu bekommen - im besten Fall dann später ohne AD. Aber oft geht es nicht ganz ohne AD - siehe mich. Ich bin absolut aus therapiert, brauche aber eine kleine AD Dosis um das auch zu halten. Da widerspricht z.B. mein Arzt auch klar deiner Ärztin. Ganz viel Menschen mit psych. "Besonderheiten" brauchen für immer ein AD, um stabil zu bleiben. Es gibt im Moment einfach noch vieles, dass man noch nicht für immer heilen kann und das dann auch ohne AD so bleibt.

Dass du evlt. auch diesen gehörst, die das AD einfach brauchen, um stabil zu bleiben zeigt für mich der Umstand, dass du 3. diese Hölle erlebst. Man muss sich einfach klar sein, dass es nicht für alle die komplette Heilung gibt - egal wie hart sie in der Therapie arbeiten, wie sehr sie die Auslöser suchen. Diese - nämlich die Auslöser habe ich längst gefunden, die Zusammenhänge erkannt - aber all das hat so zu sagen einen irreparablen Schaden 8) in meinem Oberstübchen hinterlassen. Mein Gehirnstoffwechsel fällt ab, sobald Stress auftaucht. Es bringt nichts, ein Leben lang zu suchen, zu therapieren, zu kämpfen, sich mehr schlecht als recht zu fühlen nur um auf dem Sterbebett zu sagen: ... "aber das habe ich alles ohne AD gemacht..." Ist jetzt etwas makaber, aber ich denke du weißt was ich meine. Ich will ein schönes Leben und das führe ich seit vielen Jahren mit einer Minidosis AD.

Im Zweifelsfall hol dir eine 2. Meinung bzw. such dir einen weiteren Fachmann/Fachfrau. Ich finde es nicht zielführend, wenn Ärzte mit erhobenem Zeigefinger mit dem Ende des AD´s daher kommen. Ehrlich gesagt finde ich das ein bissl unerfahren. Es muss auf jeden ganz individuellen Fall eingegangen werden und das Beste für jeden einzelnen Mensch gesucht werden. Warum sonst leben so viele schon ewig mit AD, mit Blutdrucktabletten, mit Kortison bei MS z.B. - da würde niemand auf die Idee kommen, Medikament weg zu lassen!

Nicht einschüchtern lassen - du bist eine mündige, erwachsene Frau und DU entscheidest zu 100 % mit!
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Tribunus

Re: Brauche Euren Rat

Beitrag von Tribunus »

Ihr Lieben,

vielen, lieben Dank, dass ihr euch selbst an Weihnachten Zeit für andere nehmt und mir damit eine sehr große Hilfe seid. Euch und euren Liebsten auf diesem Weg alles Liebe.

@Sanna: Ich werde mir eine zweite Meinung holen!!!!

@ Lotte: Ich bin voll bei Dir, was das Akzeptieren der Angst und der Krankheit angeht. Nur leider fühle ich mich jetzt seit März krank, was für mich lange ist. Aber ich werde versuchen die Angst noch mehr zu akzeptieren und in der Therapie noch mehr nach den Auslösern zu suchen...

@ Marika: Warum kannst du nicht meine Psychiaterin sein? :wink: So wie du das erklärst, kann ich es voll und ganz annehmen und akzeptieren. Ich habe immer gesagt, dass wenn ich eine Erhaltungsdosis brauche, um gesund zu bleiben dann tue ich das. Vor allem weil ich keinerlei Nebenwirkungen spüre.
Was die Therapie angeht, so habe ich das Gefühl, dass ich gerne mehr arbeiten würde. Ich musste in meiner Therapie nur kurz Expositionsübungen machen, die auch sehr schnell ihr Wirkung gezeigt haben. Meine Therapie momentan besteht darin Momente herauszuarbeiten, wann solche Tiefs auftauchen und diese dann zu analysieren. Bei mir steht vor allem der Umgang mit meinen Kindern im Vordergrund. In ihrer Anwesenheit bin ich meist sehr emotional und instabil. Das liegt wohl daran, das ich in meiner Kindheit mit einem alkoholkranken und gewalttätigen Vater umgehen musste.
Ich sehe das genau wie du, dass ich aber nicht mein Leben lang damit kämpfen will. Ich will auch ein schönes Leben führen, was ich bis auf die 3-4 Phasen in meinen Leben auch getan habe. Ich habe eine tolle Familie mit zwei wundervollen Kindern. Ich habe einen Beruf, den ich liebe. Ich habe tolle Freunde. Nur kann ich das im Moment nicht so genießen, wie wich will.
Aber so wie du es schreibst will ich es leben. Ich will symptomfrei werden und dann alles dafür tun, dass ich es wie du halten kann, was auch immer dafür nötig ist.
Was mir noch Angst macht :lol: ist die Tatsache, dass es dieses Mal so lange dauert und die ZG dazu gekommen sind. Ich kann die Fortschritte nicht wirklich erfühlen, obwohl sie mit Sicherheit da sind. (Sie waren schon zwei Mal über 5-7 Tage voll da, weil ich komplett symptomfrei war)
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Marika
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Re: Brauche Euren Rat

Beitrag von Marika »

Hallöchen,

ich denke es könnte dieses Mal so lange gehen, weil eben jetzt die ZG dazu gekommen sind - und die sind schon eine langwierige und harte Nuss zu knacken. Und: du machst erst jetzt eine Therapie! Schau, ich habe 2 Jahre (!!!!) Therapie gebraucht, um sagen zu können: jetzt bin ich soweit stabil, dass ich alleine weiter gehen konnte. ZG sind zäh und langwierig, da dauert es echt länger, somit brauchst du deswegen nicht beunruhigt zu sein.

Sehr gut, dass du bereits Erfolge in der Therapie hast und diese auch registrierst. Versuch Geduld zu haben - das ganze ist kein Pappenstiel (wie wir in Österreich sagen... :lol: ), gerade Zwänge dauern - leider.

Aber du machst das super, nimmst ein AD und machst Therapie. Bei mir war erst nach genau 1 Jahre Therapie und AD ein DER Durchbruch da, den ich auch wirklich so richtig gemerkt habe. Mach weiter so, das wird schon!!!
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
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Nepal

Re: Brauche Euren Rat

Beitrag von Nepal »

Hallo Tribunus,

ich weiß genau was du meinst, mir geht es im Moment genauso wie dir. Mehr als 1,5 Jahren habe ich mich ohne AD durch die schlimmste Zeit durchgebissen. Aber u.a. die beschriebenen Ängste werde ich einfach auch nicht los und kann auch nicht mehr. Nehme daher seit kurzem Escitalopram und hoffte eigentlich, dass es besser wird... (du nimmst doch aktuell auch Escitalopram?).
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Marika
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Re: Brauche Euren Rat

Beitrag von Marika »

Hallo liebe Frauen,

diese Ängste brauchen ebenfalls GEDULD, GEDULD und nochmals GEDULD!!! Gerade wenn man du wie liebe Nepal 1,5 Jahre "ohne AD durch gebissen" hat, haben sich in dieser Zeit regelrecht falsche Verhaltensmuster eingegraben, man könnte auch sagen negative "Spurrillen" im Gehirn gebildet, die nun immer und immer wieder runter gespult werden. Das DAUERT bis dass wieder mit viel Üben in der Therapie mit anderen, "positiven Spurrillen" überlagert wird. Das AD braucht dazu auch noch einige Zeit um seine Wirkung zu entfalten, das geht langsam - nach und nach. Und: Das AD ist eine gute und wichtige Stütze, nur Zaubermittel ist es keines. Was JAHRELANG falsch lief, kann nicht in wenigen Wochen wieder gut sein, versteht ihr?

Ihr müsst neben dem AD eure Augenmerk ganz stark auf die Therapie ausrichten und arbeiten, arbeiten, arbeiten!!!!! Da führt kein Weg vorbei. Natürlich darf man auf Besserung hoffen, aber "... eigentlich warten bis es besser wird" ( :wink: ist nicht böse gemeint liebe Nepal) ist zu wenig - ihr müsst eures DAZU TUN!!! Kurz gesagt: Ihr müsst was tun. Da bist du liebe Tribuns bereits auf einem sehr guten Weg. Nicht locker lassen, sondern konsequent weiter arbeiten!!!!
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Sanna
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Re: Brauche Euren Rat

Beitrag von Sanna »

Liebe Tribunus,

wenn du schon mal symptomfrei warst, bist du auf dem richtigen Weg. Diese Phasen werden länger und stabiler, bis sie irgendwann überwiegen. Und dann kannst du auf diese schwere Phase zurückblicken.

LG, Sanna
schwere PPD 2012, heute komplett symptomfrei
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