Schub- Welle- die Nacht

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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Eule86

Schub- Welle- die Nacht

Beitrag von Eule86 »

Hey.
Ich hab mal wieder einen Schub oder eine neue depressive Welle, die aufschwabbt.
Ich kann es relativ in Zusammenhang bringen mit Stress. Ich hab doch recht viel von mir abverlangt die letzten 2 Wochen und hab es nicht auf die Reihe gekriegt für Entlastung zu sorgen. Und wie jedes Mal: Nun da eine Erholungsphase anbricht (mein Mann hat wieder etwas mehr Zeit), türmt sich die nächste Depriwelle hoch.
Es fing langsam an mit vermehrt negativen Gedanken, dass ich niemals wieder gesund werde und einfach immer depressiv bin und mich eines Tages umbringen werde und die Verzweiflung und Traurigkeit, was ich meinen Lieben damit antun werde. Und zum Abend hin dann langsam körperliche Symptome. Kribbeln in den Armen und Händen, Druck auf der Brust, Herzrasen, Übelkeit. .. mir war klar als das los ging, dass an erholsamen Schlaf heut nicht zu denken ist.
Hab irgendwie getickert und gelesen bis 1 u konnte dann bis 3 schlafen, wache dann meist wieder mit und von den Symptomen auf.
Meine Frage: Kennt das jemand und wie soll ich mich in diesen Momenten verhalten? Wie macht ihr das?
Ich hab mich nun ins Gästezimmer verkrochen, weil ich dann ungestört bin. Mein Mann übernimmt unsere Tochter und hat gesagt, ich soll einfach solange ausruhen und im Bett bleiben wie ich es brauche morgen. Das hat mich grad tatsächlich ganz schön erleichtert.
Der Gedanke, dass mein Leben keinen Sinn hat steht zwar noch um Raum, aber ich tue einfach so, als hätte ich aber keine Wahl außer weiter zu leben und gucke, was kann ich yenn jetzt irgendwie tun um das zu meistern. Also das pure Weiterleben. Und da ist das Stichwort Entlastung!
Aber wie jedes Mal krieg ich das nicht zusammen mit diesen vermehrt negativen Gedanken. Ich denke mir immer, dass ich das einfach bin diese Gedanken und das nicht eine Folge von Stress und Überanstrengung ist. In meinem Kopf ist das Blödsinn...
Ich denke, ich bin einfach nur zu bescheuert.
Das macht mich echt traurig:(
Wie kann ich so lieblos mit mir selbst sein?
Niemals wäre ich so zu jemand anderem. So veruteilend...
Eule86

Re: Schub- Welle- die Nacht

Beitrag von Eule86 »

In so vielen Büchern und Ratgebern steht, dass mein sein Denken umstellen lernen muss.
Das man wieder lernt positiv zu denken.
Ich bin nur irgendwie hilflos wie ich das angehen soll. Wie denkt man bewusst anders?
Ich weiß auch garnicht wie es dazu gekommen ist, dass ich in solche negativen GedankenStrukturen rein geschlittert bin. Kommt das durch Erfahrungen die man macht und aus denen man dann seine (negativen) Gedanken und Lebensvorstellungen zieht?
Wie seht ihr das? Wie habt ihr das in der Therapie erlebt?
Mein Mann sagt, dass das halt nicht so ist wie wenn man aufgrund einer Blasenentzündung einfach schnell mal 2-3 Liter Flüssigkeit nach kippt und dann wirds schon recht schnell besser, sondern dass es ein viel schwierigerer und langwieriger Prozess ist und das ich da viel mehr Geduld für Aufbringen muss als Kopf- oder Blasenschmerzen zu bekämpfen/verändern.
lotte

Re: Schub- Welle- die Nacht

Beitrag von lotte »

Hey Eule,

gut ist doch schon mal, dass Du erkannt hast, woran der neue Schub liegen könnte. Und klar, wenn Du dann gezwungermassen Entlastung hast (Dein Mann hat frei) hast Du wieder mehr Zeit, in Dich hineinzuhören.

Das ist die große Kunst, nicht nur für uns mit den seelischen Krankheiten, dass man mitten im Stress quasi auch mal die Handbremse zieht. Oft ist es ja so, dass man kleine Signale in der frühen Phase von Stress einfach übersieht, nach dem Motto, hab jetzt keine Zeit, mich darum zu kümmern, aber am Ende läuft das Fass dann doch über und der Körper reagiert, mit Panik, Herzrasen usw.

Gelernt habe ich das in der Therapie, also vermehrt auf Signale des Körpers zu achten und sie richtig zu bewerten. Dazu zählte dann auch, mal NEIN zu sagen, was liegen zu lassen und sich einfach nur was gutes tun, ein WE mit der Freundin wegfahren oder so was.

Denken umstellen ist ein langer Prozess und ja, viele von uns hier haben negative Erfahrungen in Kindheit und Jugend gemacht und diese krankmachenden Verhaltensmuster dann ewig mit sich rumgeschleppt, bis man selbst Mutter geworden ist, Verantwortung hatte, aber tief im Inneren oft selbst noch klein. Und vor allem ohne rechtes Ego, nicht in der Lage, sich selbst zu lieben.

Wie war das denn bei Dir früher so? Hattest Du da auch schon mit Ängsten, Grübelein zu tun? Wie war das Verhältnis zu Deinen Eltern? Da liegt oft der Schlüssel, obwohl es scheinbar so lange her ist.

LGL
Graureiherin
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Re: Schub- Welle- die Nacht

Beitrag von Graureiherin »

Hallo Du,

bei mir kommen ganz viele negative Verhaltensweisen aus meiner Kindheit und Jugend. Ich habe diese so gelernt und vorgelebt bekommen. Es lohnt sich also wirklich darauf das Augenmerk zu legen. Das ist ein langer Weg. Aber Du bist glaube ich in einer Therapie, oder?

Sehr gut finde ich in Deiner momentanen, akuten Situation, dass Du dir ganz bewußt vorgenommen hast, eben nicht ausschließlich den Gedanken zu folgen "Dein Leben ist sinnlos, ich werde mich umbringen etc." sondern Dir vorgenommen hast "weiter zu leben" auch wenn es einem funktionieren gleicht. Das ist doch wichtig, weil es auch heißt dass Du dich entscheiden kannst was Du denkst, auch wenn die negativen Gedanken immer wieder dazwischen krätschen.

Und ich finde es sehr gut, dass Du einen Auslöser festmachen kannst. Sehr gut auch, dass Dein Mann zu Dir steht und Dich entlastet.

Ich selber bin fortlaufend dabei, eingefleischte Verhaltensweisen aufzudecken, zu verändern und mich trotz allem zu mögen, was oft gar nicht so einfach ist. Mir hilft dabei unter anderem die Achtsamkeitsmeditation. Kurz gesagt, das Üben Gedanken wahrzunehmen, sich wieder davon zu lösen (ohne Bewertung) und sich wieder in Achtsamkeit (je nach Meditation) zu vertiefen. Ich habe jetzt erst wieder gelesen, dass vor allem Menschen mit Depressionen und Ängsten davon sehr profitieren können.

alles Liebe

die Graureiherin
postpartale Zwangserkrankung 10/2012
Cipralex bis 2014
Rückschlag 2015, wieder Escitalopram bis 15mg
langsame Reduzierung auf 5 mg Escitalopram seit Juli 2017
Verhaltenstherapie beendet seit September 2017
Eule86

Re: Schub- Welle- die Nacht

Beitrag von Eule86 »

Danke ihr beiden für die Antworten!
Was ist denn genau diese Achtsamkeitameditation? Klingr ganz interessant für mich..Denn mein Hauptproblem sind halt wirkliche diese destruktiven Gedanken.

Ob ich die früher schon hatte.. also als Kind war mir öfter mal langweilig und ich habe mich einsam gefühlt dort wo ich aufgewachsen bin. Ich habe mich nie richtig wohl gefühlt in meiner Familie und dem Haus wo ich aufgewachsen bin. Dieses Lebensgefühl schleppe ich noch mit mir herum. Nicht wohlfühlen hier, Einsamkeit.
Ansonsten große Ängste hatte ich als Kind erstmal nicht. Bis ich dann 11 Jahre alt war und Angst vor dem ZuBettGehen und der Nacht hatte. Übertragen vielleicht auch die Angst vor dem Tod. Da meine Mutter darauf nicht adäquat reagierte und ich in dieser Angst ganz alleim gelassen wurde haben sich natürlich diese Ängste und natürlich das Gefühl der Einsamkeit manifestiert.
Während der Pubertät als ich einen tollen Freundeskreis hatte war dieses Gefühl nicht da. Da hatte ich einfach Lebensfreude und habe mich wohl gefühlt.
Aber dann sind einige Dinge passiert (Ausgrenzung im Freundeskreis, jahrelang Betrogen vom Exfreund) und dieses Lebensgefühl hat sich wieder eingeschlichen oder sagen wir sehr verstärkt.
Und seitdem bin ich es auch nicht mehr richtig los geworden, obwohl es jetzt definitiv ganz anders wieder ist. Habe einen ganz tollen Mann, einen tollen Job und ein wunderbares Zuhause, gute Freunde und eine gute finanzielle Absicherung. Garkeine Gründe um sich einsam und Fehl am Platz zu fühlen.
Trotzdem sind diese Gefühle und Gedanken da und die machen mir natürlich große Angst, weil ich denke ich habe hier etwas nicht unter Kontrolle. Dieses Lebensgefühl passt nicht zu meiner Situation. Normalerweise ist es ja so, dass man etwas fühlt und man ziemlich schnell festmachen kann was schief läuft. Als es heraus kam, dass mein Ex mich betrogen hat, da habe ich auch diese Gefühle gehabt. Aber ich fand sie berechtigt und konnte etwas tun: mich von ihm trennen, was neues starten, trauern etc.
Jetzt stehe ich da und habe das Gefühl, ich kann irgendwie nicht in Aktion treten. Mein Leben und meine Lebenssituation ist eigentlich schön und ich empfinde sowas.. wie kann das sein und wie soll ich mit diesen "falschen" Gefühlen umgehen? Oder sind sie vielleicht doch nicht falsch? Vielleicht fehlt mir ja wirklich etwas.
Klar fände ich es schöner, wenn ich nicht permanent alleine zuhause mit der kleinen wäre. Ich habe schon als Kind die Sehnsucht nach einer Großfamilie gehabt. Viele Leute, immer Action im Haus. Aber das wird niemals so sein. Weder möchte ich/noch können wir mit meinen Eltern oder den Eltern meines Mannes zusammen ziehen. Ich glaube auch nicht, dass das des Rätsels Lösung wäre.
Ich finde es nur igendwie so komisch ein Gefühl aus meinem Leben zu verdrängen und bewusst anders zu denken, weil ich denke, dass es deplatziert ist.
Das fühlt sich einfach so komisch an bewusst Gedanken und Gefühle zu versuchen zu steuern.
Man verlässt sich ja so auf die, dass die schon richtig sind. Aber ich merke ja, dass dieses System sich auf meine intuitiven Gefühle und Gedanken zu verlassen nicht wirklich funktioniert. Die veräppeln mich.
Hein Erhardt hat ja mal gesagt: "Sie sollten nicht alles glauben, was sie denken!"
Ganz schön wahr!
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Marika
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Re: Schub- Welle- die Nacht

Beitrag von Marika »

Hallo,

du schreibst ... "es fühlt sich komisch an Gedanken und Gefühle bewusst zu steuern..." genau so ist das aber Anfang, wenn man am Üben ist, quasi "positiv" zu denken. Denn wir kennen das ja nicht und müssen es lernen. Wenn ich anfange Englisch zu lernen und zu sprechen, fühlt sich das auf fremd an, genau so ist es mit dem Umlernen der Gedanken und Verhaltensmuster. Und: es DAUERT - es geht nicht von heute aus morgen. Es raucht GEDULD, ZEIT UND AUSDAUER.

Ich kann mich sonst nur 100 % meinen Vorschreiberinnen anschließen und finde auch, dass du es schon sehr gut machst. Das ist z.B auch "Achtsamkeit" wenn man sein Befinden, seine Gefühle und Gedanken wahr nimmt und etwas tut, damit es besser wird - so wie du jetzt das Zimmer gewechselt hast.

Hilfreich könnte auch diese Übung sein: Wenn ein negativer Gedanke kommt - schreib ihn auf und auch wie du dich damit fühlst. Dann schreibst du daneben einen bewusst "positiven" auf und auch wie du dich dabei fühlen würdest. Natürlich erscheint dieser positive Gedanken dann wieder als "fremd", aber mit der Zeit verfestigen sich die positiven Gedanken in deinem Gehirn und verlernst dieses extreme Negativdenken. Das sind so Übungen die man in einer Therapie bekommt und ganz viel üben muss. Es lohnt sich aber zu 100 %.

z.B.
Gedanke: "Ich werde nie mehr gesund" Gefühl: Angst, Traurigkeit, Resignation
Gedanke: "Ich werde gesund und ein schönes Leben haben" Gefühl: Hoffnung, Kampfgeist, Vorfreude
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
lotte

Re: Schub- Welle- die Nacht

Beitrag von lotte »

Hey Du,

wenn Du achtsam mit Dir umgehen kannst, kommt vieles von selbst. Sprich: dann lernst Du Deine eigenen Bedürfnisse kennen, und kannst sie vermehrt einfordern. Grundsätzlich denke ich nicht, dass es falsche Gedanken gibt, jeder einzelne hat seine Berechtigung. Man muss "nur" herausfinden, warum man sie eigentlich denkt, was sie einem denn sagen wollen.

Auch, wenn Dein äußeres Umfeld perfekt ist, gibt es vielleicht tief drinnen in Dir irgendwas, was stört, noch an die Oberfläche will. Das findet man am besten mit einem Thera gemeinsam heraus, aber auch, wenn man sich mal ganz auf sich konzentriert, ehrlich zu selbst ist, in sich hinein horcht. Und sich auch den Druck nimmt, man dürfe jetzt eigentlich nix negatives über die momentane Lage denken, weil doch scheinbar alles wunderbar ist.

Ein wichtiger Faktor ist bestimmt auch, dass Du Dich nicht wohl, angenommen gefühlt hast in der Kindheit. Wie sollst Du dann jetzt eine glückliche Erwachsene sein?

Versuche also, die negativen, "falschen" Gedanken erstmal so anzunehmen und schau, was sie Dir sagen wollen.

LGL
Graureiherin
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Re: Schub- Welle- die Nacht

Beitrag von Graureiherin »

Hallo Du Liebe,

ich meditiere nach der Methode von Jon Kabat Zinn, sie heißt in der Abkürzung MBSR (mindful body stress reduction). Von Kabat Zinn gibt es gute Bücher und im Internet findest Du genügend Infos zu MBSR. Ich habe zuerst darüber gelesen, dann ein Kurs bei einer Trainerin besucht. Das war super und ich gehe immer mal wieder in die offene Meditationsgruppe. Eine Bekannte von mir hat eine Angst- und Panikstörung und hat mit der Meditation viel Gutes erlebt. Bei ihr hat es besser gewirkt als drei Jahre Psychoanalyse. Aber da ist ja jeder anders.

Gerade beschäftige ich mich außerdem mit Yoga, was auch viel mit Achtsamkeit zu tun hat. Atem und Bewegung im Einklang, da muss man ganz schön achtsam sein.

viele Grüße

die Graureiherin
postpartale Zwangserkrankung 10/2012
Cipralex bis 2014
Rückschlag 2015, wieder Escitalopram bis 15mg
langsame Reduzierung auf 5 mg Escitalopram seit Juli 2017
Verhaltenstherapie beendet seit September 2017
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