Zwangsgedanken...wie schafft ihr die Tage

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

Moderator: Moderatoren

lenismama

Zwangsgedanken...wie schafft ihr die Tage

Beitrag von lenismama »

Hallo,
ich wollte euch mal was fragen. Ich habe ja jetzt schon einige Zeit mit Zwangsgedanken meiner Tochter gegenüber zu kämpfen. Manchmal machen mir diese Gedanken so Angst, obwohl ich weiß, daß es nur Gedanken sind. Aber irgendwie hab ich noch nicht den Dreh raus, damit umzugehen. Ich bin oft richtig traurig und kann mein Leben gar nicht genießen. Gar nichts macht mir Spaß. Wie kommt ihr dann über die Tage, wenn ihr so fiese Gedanken habt? Würde mich sehr über eure Antworte freuen.
Lg Jessica
Benutzeravatar
Marika
power user
Beiträge: 9949
Registriert: 04:06:2005 16:05

Re: Zwangsgedanken...wie schafft ihr die Tage

Beitrag von Marika »

Hallo,

für mich war Ablenkung ganz wichtig. Sehr oft war jemand bei mir, oder ich irgendwo auf Besuch. Das hat mir sehr geholfen. Auch den Tag ganz streng zu strukturieren hat mir vieles leichter gemacht.
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
lenismama

Re: Zwangsgedanken...wie schafft ihr die Tage

Beitrag von lenismama »

Ja das klingt einleuchtend. Je mehr Ablenkung umso weniger komische Gedanken.
Ich hatte in einem anderen Beitrag gelesen, dass jemand sich ein Gummi um das Handgelenk gemacht hat und wenn ein Gedanke kam, hat sie es schnacken lassen. Das möchte ich auch noch probieren.
Marika, wie lange hattest du denn die Gedanken?
Lg Jessica
Benutzeravatar
Marika
power user
Beiträge: 9949
Registriert: 04:06:2005 16:05

Re: Zwangsgedanken...wie schafft ihr die Tage

Beitrag von Marika »

Ja, das mit dem Gummiband habe ich auch schon geraten - ist eine Übung aus der Therapie.

Ich hatte sehr lange ZG - fast 2 Jahre lang immer mal wieder. Das klingt jetzt brutal, aber man darf nicht vergessen, dass sie immer weniger und milder wurden bis sie schließlich ganz verschwanden. Bzw.: der Zwang und die Häufigkeit der Gedanken verschwanden. :idea: Ganz wichtig das zu unterscheiden. :idea:

Merkst du schon was von deinem AD? Wie läuft es therapiemäßig?
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
lenismama

Re: Zwangsgedanken...wie schafft ihr die Tage

Beitrag von lenismama »

Hey Marika,
und hat dir das mit dem Band gut geholfen?
Ich glaube das Fluoxetin wirkt schon. Ich bin innerlich schon viel ruhiger geworden. Zum Glück. Am Freitag habe ich aber auch noch einen Termin beim Psychologen.
Ich denke momentan viel über mein Leben nach und gestern habe ich so Gedanken gehabt, dass ich ohne meinen Mann und meine Tochter gar keine neue Zwangserkrankung bekommen hätte. Mein Mann ist in manchen Dingen schon irgendwie ein Stressfaktor. Na und die kleine quengelt richtig viel. Ich fühle mich richtig mies weil ich so denke,denn ich liebe beide so sehr und wollte ja ein gemeinsames Kind mit meinem Mann.
Momentan fühle ich mich auch nicht verstanden. Ich weiß es ist keine schlimme Krankheit prinzipiell aber trotzdem machen mich die Gedanken traurig, die ich hab. Und dann kommen so Sprüche "Freu dich doch mal", oder von meinem Mann "Boah dein Zwang nervt". Ja vielen Dank auch, ich habe mir das wohl kaum gewünscht.
Die Therapeutin hätte mich gerne in eine Tagesklinik gesteckt. Ich bin zu meinem Mann und er war da nicht so begeistert. Er hat jetzt Elternzeit und starten morgen den Umbau des Kinderzimmers. Naja das finde ich dann auch auf eine Art egoistisch. Das kann er doch dann alleine machen.
Ist im Moment nicht so einfach.
Nox

Re: Zwangsgedanken...wie schafft ihr die Tage

Beitrag von Nox »

Liebe Lenismama,

Ablenken hat mir z.B. auch viel geholfen - habe mir schon immer den nächsten Tag komplett verplant, damit ich immer wusste, was ich wann tun kann. Meine Mutter hatte zwei Wochen Urlaub - das hat mir auch sehr gut getan, so konnte ich üben, immer Stundenweise wieder allein mit meinem Sohn zu sein - und im Notfall meine Mutter anzurufen.

Im Moment tue ich das, was Marika und auch meine Verhaltenstherapeuten mir geraten hat - ich gebe dem Zwang einen Namen, sage mir dann, wenn einer sich bemerkbar macht: "Du schon wieder? Na, hast du dir wieder was neues ausgedacht? Ja? Schön. Ich habe aber keine Zeit für dich - verzieh dich!"

Und natürlich hat mir das Medikament geholfen - das Escitalopram 10mg. Es hat meine Grundstimmung deutlich verbessert, und ich denke, es sorgt dafür, dass ich überhaupt in der Lage bin, so "gelassen" an den Zwangsgedanken zu arbeiten (die manchmal wirklich trotzdem noch ganz schon gemein sein können).

Dieses "Freue dich doch mal" kenne ich auch.. und das nervte wirklich. Es ist schließlich nicht so, dass man sich nicht freuen will!.. sondern, dass man es nicht kann. Auch das dein Mann etwas unsensibel ist, finde ich schade.. aber vielleicht muss er auch erst lernen, mit deiner Erkrankung umzugehen.

Und du darfst durchaus egoistisch sein.. tue bitte das, was für dich (!) im Moment das Beste ist. Ich glaube, ich bin krank geworden, weil mir immer die Bedürfnisse anderer wichtiger waren, als meine eigenen. Ich war (und bin es auch noch) sehr harmoniesüchtig. Ich hasse Streit. Ich lerne gerade, Konflikte aushalten zu können und auch mal lernen, dass ich auch Bedürfnisse habe..

Fühl dich gedrückt!
Graureiherin
power user
Beiträge: 530
Registriert: 07:01:2015 12:57

Re: Zwangsgedanken...wie schafft ihr die Tage

Beitrag von Graureiherin »

Hallo Du,

ich schließe mich Nox und Marika an. Ich habe mir die Tage auch sehr gut strukturiert Mit Unternehmungen (ich kenne sozusagen jeden PEKIP Kurs :-) , Besuche, Einkäufe (dass der DM nicht leer ist :-) und gezielten Leerzeiten.

Das mit dem Gummiband wurde mich auch als Tipp gegeben, ich habe es aber nicht gemacht. Ich habe mich gleich auf die Arbeitsblätter meiner Thera "gestürzt". Wichtig war für mich den Zwang sofort zu erkennen und schnell zu versuchen mir (wie Nox das schreibt) zu sagen, ah Du schon wieder..o.ä. dann kommt man nicht so sehr in die Gedankenspirale.

Die Reaktion Deines Mannes ist nicht verständnisvoll und tut weh, aber Du liebst ihn, denkst nicht an Trennung etc. Ich würde dann versuchen das "Positive" aus seinen Reaktionen zu ziehen. So wie er z. B. Deinem Zwang gegenüber reagiert, kannst Du im Grunde in ähnlicher (nicht gleicher) Weise Deinem Zwang gegenüber auch reagieren... im Sinne von "ach Du, ja Hallo aber Du interessiert mich nicht, denn jetzt koche ich oder werkel im Garten... Verstehst Du was ich meine?

und an Nox
Ich glaube, ich bin krank geworden, weil mir immer die Bedürfnisse anderer wichtiger waren, als meine eigenen. Ich war (und bin es auch noch) sehr harmoniesüchtig. Ich hasse Streit. Ich lerne gerade, Konflikte aushalten zu können und auch mal lernen, dass ich auch Bedürfnisse habe..
. Das übe ich auch !!! Es sind doch immer wieder die ähnlichen Verhaltensmuster die man ausmachen kann. Wir Harmoniehammel, gell!

mit lieben Grüßen

die Graureiherin
postpartale Zwangserkrankung 10/2012
Cipralex bis 2014
Rückschlag 2015, wieder Escitalopram bis 15mg
langsame Reduzierung auf 5 mg Escitalopram seit Juli 2017
Verhaltenstherapie beendet seit September 2017
lenismama

Re: Zwangsgedanken...wie schafft ihr die Tage

Beitrag von lenismama »

Hallo ihr Lieben,
Danke für eure Antworten.
Ich werde mich jetzt auch um Ablenkung kümmern. Heute war ich mit Leni in einem Kurs, "Zeit zu zweit" heißt das. Da macht man kleine Spiele und die Babys dürfen sich dort nackidei fortbewegen. Das hat mir sehr gut gefallen.
Nebenbei bin ich jetzt endlich mit dem Tagebuch angefangen. Dort schreib ich alles rein was mich belastet und ich merke, dass es guttut, auch mal das loswerden zu können was man Menschen nicht so ins Gesicht sagen will. Dann schreib ich auch wichtige Fakten, die den Zwang betreffen, rein. Dann habe ich sie immer griffbereit.
Heute war ich dann noch bei meinem Internisten. Ich habe Hashimoto und da muss jetzt geguckt werden wie die Werte sind, zumal ich seit einigen Wochen schon ein "Kloßgefühl" im Hals habe.
Was meint ihr? Betrifft Zwangsstörung eine bestimmte Art Menschen? Ich habe jetzt viel gelesen und frage mich ob meine ganze Vergangenheit was damit zu tun hat.
Ich bin mehr oder weniger bei meinen Großeltern groß geworden. Meine Eltern haben immer gehauen und geschrien. Meine Jugend war nicht so schön. Ich wurde gehänselt wegen meines Übergewicht Solange bis ich dann Magersucht bekommen habe. Meine Beziehungen zu Männern waren beständig, ich war treu und habe so manche Aggressionen und Fremdgehereien meiner Partner übersehen.
Ich bin ein Mensch der Werte hat, habe einen großen Gerechtigkeitssinn und möchte nur Ruhe und Frieden.
Meint ihr meine Vergangenheit ist der Grund für meinen jetzigen Zustand?
Lg
Nox

Re: Zwangsgedanken...wie schafft ihr die Tage

Beitrag von Nox »

Hallo ihr nochmal...,

Ich denke schon, dass gerade diese Zwangserkrankung Menschen trifft, die immer alles besonders gut machen wollen, sich nach Ruhe und Frieden sehnen und auch eher als sehr "liebe" Menschen gelten. Deine Vergangenheit spielt mit Sicherheit eine große Rolle dabei.

Mir war (ist) es z.B. immer wichtig (gewesen), was andere von mir denken. Ich habe mich wegen der Zwangsgedanken in Grund und Boden geschämt, weil ich doch immer "normal" und "lieb" sein will, und dass mich auch ja die anderen mögen müssen. Das ist verdammt schwer abzulegen. Warum das so ist, versuche ich nun mit meiner Therapeutin zu erörtern.

Vielleicht sollte ich diese Erkrankung auch als Chance sehen, etwas an mir zu ändern, mehr auf mich zu achten, und vielleicht sogar mich selbst gern zu haben.. mit all meinen Fehlern ;)
Graureiherin
power user
Beiträge: 530
Registriert: 07:01:2015 12:57

Re: Zwangsgedanken...wie schafft ihr die Tage

Beitrag von Graureiherin »

Hallo Ihr,

Ich stimme Nox in jedem Punkt zu.

Also ran an die Knackpunkte der Vergangenheit... um ab jetzt (trotz allem) gut leben zu können. Und bei der Beschreibung Deiner Kindheit und Jugend gibt es sicher viel zu "entdecken".

mit lieben Grüßen

die Graureiherin
postpartale Zwangserkrankung 10/2012
Cipralex bis 2014
Rückschlag 2015, wieder Escitalopram bis 15mg
langsame Reduzierung auf 5 mg Escitalopram seit Juli 2017
Verhaltenstherapie beendet seit September 2017
Graureiherin
power user
Beiträge: 530
Registriert: 07:01:2015 12:57

Re: Zwangsgedanken...wie schafft ihr die Tage

Beitrag von Graureiherin »

ach so,

und ich war/bin immer lieb und nett, weil es für mich früher ein Schutz war, um von meinen Eltern in Ruhe gelassen zu werden. Ich habe es bei meiner älteren Schwester mitbekommen, was passiert wenn dem nicht so ist...

Außerdem war ich lange Außenseiterin (aufgrund meiner Herkunft) und habe mir später eine gewisse Sympathierolle angeeignet um schnell gemocht zu werden. Wobei mittlerweile viele meiner Freunde sagen, dass ich recht deutlich formulieren kann wenn mir etwas nicht passt. Aber in "fremder" Umgebung oder bei der Arbeit fällt es mir schwer.

mit Gruß nochmals

die Graureiherin
postpartale Zwangserkrankung 10/2012
Cipralex bis 2014
Rückschlag 2015, wieder Escitalopram bis 15mg
langsame Reduzierung auf 5 mg Escitalopram seit Juli 2017
Verhaltenstherapie beendet seit September 2017
lenismama

Re: Zwangsgedanken...wie schafft ihr die Tage

Beitrag von lenismama »

Und ich dachte immer, die Vergangenheit kann einen nicht einholen. Aber manchmal träume ich noch von den vergangenen Sachen und werde dann nachts wach und bin erleichtert, dass alles nur ein Traum war.
Ich würde mich auch als einen eher harmonischen Menschen bezeichnen. Ich habe mich so im Griff, dass ich meinen Sohn zum Beispiel nie anschreien würde. Ich fress das immer rein,obwohl das ja auch nicht gut ist.
Irgendwie ist das so gemein.Man freut sich auf sein Baby und dann erkrankt man auch noch. Ich könnte heulen.
Graureiherin
power user
Beiträge: 530
Registriert: 07:01:2015 12:57

Re: Zwangsgedanken...wie schafft ihr die Tage

Beitrag von Graureiherin »

Hallo Du,

ich kann es sehr gut nachvollziehen, dass Du heulen willst. Weinen muss auch sein. Aber dann muss man sich leider wieder aufrappeln und weiterschauen wie es noch gehen kann.

Die Vergangenheit holt einen ein. Ich arbeite mit Senioren und habe genügend Bewohner die mit Ihrer (kriegstraumatischen) Vergangenheit gerade im Alter zum ersten mal konfrontiert werden. Zumal nach Kriegsende häufig keine Chance bestand Erlebtes aufzuarbeiten.

Wir sollten die Chance nutzen schon jetzt an uns zu arbeiten.

Über Zwängen weiß man mittlerweile recht viel und man weiß auch, dass Menschen die an Zwängen leiden, bestimmte Themen haben die ihr Leben begleiten z. B. übergroßes Verantwortungsgefühl, Schuld - und Schamgefühle, Perfektionismus etc.

mit Grüßen die Graureiherin
postpartale Zwangserkrankung 10/2012
Cipralex bis 2014
Rückschlag 2015, wieder Escitalopram bis 15mg
langsame Reduzierung auf 5 mg Escitalopram seit Juli 2017
Verhaltenstherapie beendet seit September 2017
lenismama

Re: Zwangsgedanken...wie schafft ihr die Tage

Beitrag von lenismama »

Ja ich weiß auch noch, dass meine Großeltern, besonders mein Opa sehr traumatisiert war, auf Grund der Kriegsvergangenheit.
Manchmal fühlen sich die Zwangsgedanken so schlimm an,dass man denkt man macht die schlimmen Sachen wirklich. Was macht ihr in solch einen Moment? Ablenken, extra konfrontieren, versuchen einfach zu beobachten?
Sabrina

Re: Zwangsgedanken...wie schafft ihr die Tage

Beitrag von Sabrina »

Auf jeden Fall den Gedanken nicht unterdrücken. Das ist sonst gefundenes Fressen für den ZG. Du musst versuchen ihn nicht zu bewerten. Einfach vorbei ziehen lassen. Der ZG verschwindet auch ganz schnell wieder.

Ich führe seit heute eine Strichliste wie oft ich einen ZG am Tag habe. Ist eine Empfehlung von einem Arzt aus dem Buch, das ich gelesen habe. Ich bin gespannt. So soll man sich von dem Inhalt der ZG distanzieren.
Antworten