Rückfall - bin genervt von mir selbst

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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Julikeks

Rückfall - bin genervt von mir selbst

Beitrag von Julikeks »

Liebe Frauen,

Leider geht es mir seit ca. einer Woche richtig schlecht. D.h. ich kann nicht richtig ein- und durchschlafen, habe depressive Gedanken (ich schaff das nicht, mir ist alles zuviel, möchte keinen sehen, auch, dass es nicht schlimm wäre wenn mich jetzt ein Auto überfahren würde habe ich schon gedacht :twisted: ) und bin total angespannt. Seit 1,5 Wochen war ich mein AD los und das Absetzen dürfte wohl der Grund sein warum es mir Gerade wieder schlechter geht. Habe das AD heute in Rücksprache mit meiner Psychiaterin wieder angesetzt. Immerhin sind noch keine Symptome von meiner guten Freundin postpartale Psychose wieder aufgetreten.

Weiß auch nicht warum ich das hier Schreibe, habe wohl einfach Rede- und Zuspruchbedarf. Wer von euch hatte auch schon mal einen Rückfall nach Absetzen der Medikation und wie schnell ging es euch dann wieder besser?

Nebenbei ärgere ich mich gerade über mich selbst. Warum kann ich nicht einfach funktionieren und gesund sein und mich des Lebens freuen? Ich habe einen tollen Mann, eine liebenswerte 2jährige Tochter, einen Job der mir Spaß macht. Warum kann ich das alles einfach nicht genießen?


Lg, Julikeks
Mareike

Re: Rückfall - bin genervt von mir selbst

Beitrag von Mareike »

Hallo julikeks,

auch ich habe vor ca. 3 wochen mein AD reduziert....aufgrund der Schwangerschaft. Es überkam mich auch ein dickes tief. Ich habe mein AD erhöht, leider sogar höher als vor dem reduktionsversuch. Jetzt wird es allmählich wieder.... du brauchst Geduld. Leider ! Aber jedes tief geht vorbei.....

Und verurteile dich nicht selbst....die Fragen nach dem wieso kann ich nicht einfach alles genießen .... bringt uns nocht weiter. Im Gegensatz es zieht dich noch mehr runter ! Sei nicht so streng mit Dir.

Fühl dich gedrückt
Lg Mareike
Graureiherin
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Re: Rückfall - bin genervt von mir selbst

Beitrag von Graureiherin »

hallo Du,

ich hatte einmal einen Absetzversuch, der vier Monate gut ging, dann kam der Rückfall ( im Grunde hat er sich aber schon einige Zeit vorher angekündigt). Ich kenne die Enttäuschung sehr, sehr gut. Ich dachte auch, ich funktioniere sicherlich...
Es hat ca. vier Wochen gedauert bis ich mich stabil gefühlt habe, die Enttäuschung hat aber wesentlich länger angedauert.

Letztendlich habe ich mich dafür entschieden diesen "Rückfall" als eine erneute Aufforderung zu sehen, weiterhin genau auf meine (negativen) Verhaltensmuster zu schauen, auf mich gut zu achten und dass es wohl noch wichtige Dinge bei mir gibt die veränderungswert sind. Mir aber auch bewußt zu sein, dass es vielleicht ohne eine Erhaltungsdosis nicht gehen wird. So lasse ich auch die Stütze des Medikamentes zu.

Tja und das mit dem Funktionieren und das Leben einfach genießen können. Das wollen wir alle. Vielleicht gibt es dafür nur die Antwort: so das ist das Leben. Leid, Glück, Gesundheit, Krankheit usw.

Aber sicherlich kommen noch mehr Antworten.

mit lieben Grüßen und sei nicht zu streng mit Dir und glaube nicht das scheinbare endlose Glück der anderen, das entspricht sicherlich nicht der Realität

mit lieben Grüßen die Graureiherin
postpartale Zwangserkrankung 10/2012
Cipralex bis 2014
Rückschlag 2015, wieder Escitalopram bis 15mg
langsame Reduzierung auf 5 mg Escitalopram seit Juli 2017
Verhaltenstherapie beendet seit September 2017
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Marika
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Re: Rückfall - bin genervt von mir selbst

Beitrag von Marika »

Hallo,

ich möchte mich den Worten von Graureiherin anschließen. Genau DAS ist das Leben - ein ewiges Auf und Ab, ein Hin und her ein Wechsel zwischen Gut und Schlecht. In vielen Köpfen ist immer noch die Meinung, dass psych. Erkrankungen alleine mit dem "Wollen" oder "Zusammen reißen" zu stemmen ist. Man darf bitte nicht vergessen, dass bei dieser Form von Krankheiten das Gehirn (also ein ORGAN!) und sein Stoffwechsel betroffen sind (und noch andere Stoffwechsel Prozesse im Körper) - wie soll das mit dem bloßen "Wollen" zu heilen sein? Ein gebrochenes Bein braucht auch mehr als den Willen! :wink: Da würde sich auch niemand fragen "warum kann ich nicht einfach wieder laufen".... :wink:

Auch ich habe einmal mein AD komplett abgesetzt - 9 Monate lang. In dieser Zeit kamen die Symptome schleichend zurück. Ich habe in all den Jahren erkannt, dass mein Gehirnstoffwechsel besonders durch den "psychosozialen Stress" (=Alltag) sehr sensibel reagiert und bereits bei geringen Belastungen reagiert. Mein Psychiater nannte mal folgenden Vergleich: Es gibt Menschen die kommen mit sehr heller Haut auf die Welt und bekommen bereits im Schatten einen Sonnenbrand - sie brauchen ständig einen hohen Lichtschutzfaktor. Dann gibt es die mit der eher dunkleren Haut - sie brauchen viel weniger Schutz. So ähnlich kann man sich auch das Nervensystem des Menschen vorstellen - die einen haben ein sensibles, die anderen ein robusteres. Daher haben wir oft schon von Geburt aus andere Start Voraussetzungen. Dann ist mitentscheidend wie das Leben verläuft - dieser Mix aus so vielen Faktoren kann dann eben zu Erkrankungen der Psyche führen.

Mein Gehirnstoffwechsel braucht dauerhaft eine kleine AD Dosis um gesund zu reagieren. Als ich nach 9 Monaten wieder mit dem AD begonnen habe - natürlich fast unter Tränen damals weil auch ich natürlich mega enttäuscht war - hat es sehr, sehr schnell wieder angeschlagen. Bereits nach 1 Woche ging es mir um Welten besser, nach 2 Wochen war ich fast wieder "die Alte". Das ist nun schon wieder 6 Jahre her und ich werde keinen Absetzversuch mehr machen - es sei denn die Forschung hat neue Erkenntnisse und diese Hoffnung besteht ja zurecht. :wink: Ich lebe mit AD so gut, als wäre nie etwas gewesen und das was du dir wünscht ist tatsächlich für mich eingetreten: Ich liebe und genieße mein Leben in vollen Zügen, gehe meiner Arbeit mit Leidenschaft nach, bin mit Hingabe auch Mama und "Haushaltsmanagerin" und natürlich auch Partnerin von meinem Mann in unserer Beziehung.

Mich hat die Krise eindeutig gestärkt, erwachsen gemacht, mich gelehrt Verantwortung zu übernehmen, mich selbst zu lieben und vor allem: an mir zu arbeiten - für ein schönes Leben!
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Julikeks

Re: Rückfall - bin genervt von mir selbst

Beitrag von Julikeks »

Vielen Dank für eure Antworten!

Mir geht es schon etwas besser, auch wenn ich noch immer ein ziemliches Morgentief habe, schlafen kann ich immerhin wieder und das ist mir das wichtigste.

Ich hoffe jetzt dass das AD schnell anschlägt und es mir schnell noch besser geht, damit ich auch wieder arbeiten kann. Bin momentan mit Lungenentzündung krank geschrieben, also ewig kann ich die Ausrede auch nicht benutzen.


Ach ja, und eigentlich standen bei mir schon einige Zeichen mit niedriger AD Dosis auf Rückfall, ich wollte sie wohl nur nicht sehen.

LG Julikeks
Julikeks

Re: Rückfall - bin genervt von mir selbst

Beitrag von Julikeks »

Liebe Damen,

hier ein kurzes update: Gott sei dank das AD wirkt mittlerweile und bis auf gelegentliche Gedanken abends wie "ich schaff das alles nicht mehr" (aber nicht jeden Abend) geht es mir wieder einigermaßen gut. Anscheinend gehöre ich auch zu denjenigen die sich auf eine längere Medikamenteneinnahme einstellen müssen. Da ich aber alles gut vertrage finde ich das nicht so schlimm.

Danke euch allen für die aufbauenden Worte!

Lg, Julikeks
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