Ich kann nicht mehr

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

Moderator: Moderatoren

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Asrai

Ich kann nicht mehr

Beitrag von Asrai »

Hallo Ihr,
ich bin grade so verzweifelt, weil es mir immer schlechter geht. Die innere Unruhe und Anspannung ist so stark und permanent vorhanden. Vor ein paar Tagen gab es wenigstens ein paar bessere Stunden am Tag und ich konnte v.a. nachts gut schlafen. Seit 2 Nächten habe ich kaum geschlafen, stehe permanent unter Strom. Heute früh dachte ich, ich drehe durch. Mein Mann und ich sind daraufhin in die Notfallambulanz der Psychiatrie gefahren. Dort hat man mir eine Bedarfsmedikation mit Quetiapin 25 mg mitgegeben und mir empfohlen zusätzlich zum Sertralin, das ich seit einer Woche mit 50mg nehme, abends noch Mirtazapin 7,5mg zu nehmen. Das Mirtazapin hat mir die Psychiaterin aus der Mutter-Kind-Ambulanz schon empfohlen, ich hab es aber bisher nicht genommen, weil ich ja noch voll stille (mein Baby ist erst 3 Wochen alt). Auch das Quetiapin habe ich noch nicht eingenommen, aus den gleichen Gründen. Ich habe so Angst, meinen Baby zu schaden. Auf der anderen Seite kann ich einfach nicht mehr. Bisher habe ich den KLeinen versorgen können, grade ist mir aber alles zu viel. Ich habe auch noch ein Kind im Kindergartenalter und ab Montag müsste mein Mann wieder arbeiten, meine Eltern sind außerdem im Urlaub. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Nie hätte ich gedacht, dass ich einmal in so einen Ausnahmezustand gerate. Das bin nicht mehr ich.
Asrai
Nickolakala

Re: Ich kann nicht mehr

Beitrag von Nickolakala »

Hallo,
also in wie weit sich Deine Medis mit dem Stillen vereinbaren lassen weiss ich nicht. Dazu müsstest Du Deinen Arzt befragen.

Ich wollte Dir nur schreiben, dass das Mirtazipan bei mir echt super geholfen hat, wobei ich bei 7,5 mg gar nichts bemerkt hatte, aber 15 mg waren super und es hat mir auch am nächsten Vormittag noch ein bisschen die Anspannung und innere Unruhe genommen.

Alles Gute
Nicole
Asrai

Re: Ich kann nicht mehr

Beitrag von Asrai »

Danke, Nicole.
Laut Ärztin würde das Mirtazapin in geringer Dosis schon ok gehen mit Stillen, am besten wären 4 Stunden Abstand zwischen Medikamenteneinnahme und Stillen. Auch das Quetiapin könne man beim Stillen in so geringer Dosis nehmen. Bei Embryotox steht allerdings bei beiden Medikamenten so was wie"unter guter Beobachtung des Kindes akzeptabel". Das hört sich nicht ganz so bedenkenlos an, finde ich.
Ich habe beschlossen, zu versuchen den restlichen Tag durchzuhalten und abends Mirtazapin 7,5mg zu probieren - in der Hoffnung, dass ich dann schlafen und etwas entspannter in den nächsten Tag starten kann.
Nickolakala

Re: Ich kann nicht mehr

Beitrag von Nickolakala »

Hallo,

ja das ist doch eine gute Idee. Der Schlaf ist total wichtig.

Und abstillen und Dich medikamentös richtig einstellen lassen? Kommt das in Frage für Dich??

Alles Gute
Nicole
Asrai

Re: Ich kann nicht mehr

Beitrag von Asrai »

Das Mirtazapin gestern hat super geholfen! Hab es schon um 19 Uhr genommen, weil die Unruhe kaum noch zu ertragen war. Wurde ziemlich schnell müde und ruhiger. Bin gut eingeschlafen und hätte bestimmt auch durchgeschlafen, wenn ich nicht ein paar mal gestillt hätte. Eine große Erleichterung!

Jetzt merke ich wieder eine leichte Unruhe und Anspannung, ist aber (noch) nicht so schlimm wie z.B. gestern. Diese Unruhe ist für mich echt das Schlimmste. Ich hoffe so, dass es heute nicht so extrem wird bzw., dass der Tag bald wieder vorbei ist und ich mit Mirtazapin schlafen kann.

Abstillen kommt für mich nur in Frage, wenn's wirklich gar nicht mehr geht. Ich versuche jetzt noch durchzuhalten, will dem Sertralin eine Chance geben. Ich nehme es ja erst seit gut einer Woche.
Steph

Re: Ich kann nicht mehr

Beitrag von Steph »

Hallo Asrai,
uch finde es gut, dass Du Dich fürs Mirtazapin entschieden hast. Wenn Embryotox es nicht ausschließt, sondern nur eine genaue Beibachtung des Kindes empfiehlt, glaube ich, dass alles ok ist. Die gehen bei solchen Aussagen bestimmt keine Risiken ein.
Ich hatte das Medikament auch mal eine Weile genommen und es hat mir gut geholfen. Sogar 7,5mg haben ausgereicht, um mich ruhiger zu machen und die Stimmung zu stabilisieren. Ich habe es als Zweitmittel mit Elontril kombiniert. Gib nicht auf, Du schaffst das! Du hast in einer solchen Situation übrigens Anspruch auf eine Familienhelferin. Wende Dich mal an Deine Krankenversicherung und frag nach, wie das läuft. Vielleicht kann Dich das entlasten, wenn Dein Mann arbeiten geht. Ich kenne eine Betroffene, die von Mo-Fr jeden Tag von 8-16.00 jemanden hatte.
Und vergiss eines nicht: Auch wenn jetzt alles schrecklich ist, geht es wieder aufwärts. Du schaffst das auch!
LG,
Steph
Asrai

Re: Ich kann nicht mehr

Beitrag von Asrai »

Liebe Steph,
danke für Deinen Zuspruch und den Tipp mit der Familienhelferin.
Ich bin jetzt erst mal mit dem Kleinen zu meinen Eltern, die 2 Wochen Urlaub haben und mich unterstützen können.
Die Unruhe ist weiterhin nicht mehr so stark ausgeprägt und lässt sich derzeit aushalten (von einer Angstattacke gestern abgesehen).
Wegen Mirtazapin und Stillen habe ich mich noch mal bei "Reprotox" informiert. Habe innerhalb kürzester Zeit eine sehr differenzierte und informative Antwort bekommen! Zusammenfassung: "Die Daten für die Einzelsubstanzen (ich hatte auch bezüglich Sertralin und Seroquel gefragt) lassen keine besonderen Risiken für die kindliche Entwicklung erkennen. Mögliche Wechselwirkungen bei Kombinationstherapien sind allerdings nicht ausreichend untersucht.". Die ausführliche Antwort mit der aktuellen Studienlage kann ich ja mal im Medikamente-Unterforum posten.
Ich hoffe jetzt einfach, dass das Sertralin bald anschlägt und ich das Mirtazapin dann wieder weglassen kann. Wäre so gern wieder ich selbst. Es ist echt erschreckend, wie wesensverändert ich bin.
Wenn ich fragen darf, wie lange hat es bei Dir denn gedauert, bis zu aus dem tiefsten Loch wieder draußen warst und enigermaßen im Alltag zurecht gekommen bist?
Viele Grüße,
Asrai
Steph

Re: Ich kann nicht mehr

Beitrag von Steph »

Liebe Asrai,
gib den Medikamenten genügend Zeit und versuche währenddessen alle Hilfe anzunehmen, sodass Du wenigstens in dieser Hinsicht entlastet bist. Sehr gut, dass Du Dich von Deinen Eltern unterstützen lässt.
Ich hatte von etwa Oktober bis Mai meine zeite richtig tiefe depressive Episode. Mein Sohn ist bald 11 und ich hatte damals eine schwere postpartale Depression. Bei mir haben die Medikamente damals innerhalb von wenigen Wochen angeschlagen, sodass ich wieder gut zurecht kam. Du darfst nicht erwarten, innerhalb von kürzester Zeit wieder "die Alte" zu sein. Ich würde es als wellenförmigen, nach oben ansteigenden Verlauf beschreiben. Es ist ja bei jedem anders, deshalb kann man sich leider nur bedingt mit anderen vergleichen. Die schlimmste Phase der postpartalen Depression hatte ich in etwa einem halben Jahr hinter mir.
Was mein großer Fehler war, war die Annahme, dass ich aufgrund langjähriger Einnahme von Antidepressiva keine Rückschläge mehr erleiden könne. Ich habe mich in den letzten beiden Jahren dermaßen selbst überfordert, dass es im Nachhinein völlig logisch war, dass meine Psyche wieder streikte. Sehr wichtig ist einfach, eine DAUERHAFTE Veränderung von negativen Gewohnheiten und Einstellungen vorzunehmen, was nur durch Therapie funktioniert. Fang so früh wie möglich damit an! Ich persönlich mache eine Psychoanalyse (da bekommt man das größte Studenkontingent genehmigt), aber vielen hier hat auch Verhaltenstherapie geholfen. Ich drücke Dir die Daumen!
LG,
Steph
Asrai

Re: Ich kann nicht mehr

Beitrag von Asrai »

Danke, Steph, dass Du von Deinen Erfahrungen erzählst. Ich hoffe, es geht Dir nach dem Rückschlag mittlerweile wieder besser!

Ich hatte letzte Woche einen ersten Therapietermin, bin mir aber nicht ganz sicher, ob die Chemie zwischen der Therapeutin und mir stimmt. Werde aber auf jeden Fall noch mal hingehen und habe zusätzlich in 2 Wochen bei einer anderen Therapeutin einen Termin. Hoffe, dass ich jemanden finde, bei dem ich mich gut aufgehoben fühle.

Worüber ich mir grade Gedanken mache, ist die richtige Balance zu finden zwischen Schonung/ dem Akzeptieren, dass vieles was früher selbstverständlich war momentan einfach nicht geht und dem Stellen von Anforderungen/ Aufgaben. Geht Euch das auch so? Wie geht Ihr damit um?
Seit vorgestern bin ich ja bei meinen Eltern, meine Große ist bei meinem Mann zu Hause geblieben und ich muss mich nur um das Baby kümmern. Sitze viel im Garten, lese ein bisschen, mache kleine Spaziergänge. Das klappt soweit bisher ganz ok. Sobald dann aber etwas zusätzliches auf mich zu kommt (z.B. der Besuch eines sehr engen Freundes), fühle ich mich überfordert und die Unruhe/Anpannung nimmt wieder stark zu. Gerade die Aussicht auf den Kontakt mit anderen Menschen (von meinen Eltern und meinem Mann abgesehen) stresst mich enorm - selbst oder gerade wenn es um Menschen geht, die ich sehr mag und deren Kontakt mir normalerweise gut tut. Sogar ein Telefonat ist mir meist zu viel, und das obwohl meine Freunde sehr viel Verständnis aufbringen. Kennt Ihr das? Schafft Ihr es, in Euren schwierigen Phasen Kontakt zu Euren Freunden zu halten?
*peggy*

Re: Ich kann nicht mehr

Beitrag von *peggy* »

Hallo liebe Asrai,

Das mit der überforderung kenn i nur zu gut.Kamen durch Freunde freute es mich zwar aber
Nach kurzer zeit wünschte ich mir das sie wieder gingen. Sogar das telefonieren das ich immer
gerne und lang tat, überforderte mich, so kannte ich mich nicht.. auch dir gefühlslosigkeit meinen
Baby und anderen gegenüber ist nach wie vor schrecklich. kennst das auch?
Gib dir nach wie vor Zeit, mach das was du WILLST und nicht musst und sorge gut für dich selbst.
Gute Freunde verstehen das ; 0) und es wird alles besser , wann das sein wird weiß keiner aber es wird :0)
Geduld ist das A und O.. i dachte oft ich dreh mit den Angstzuständen durch aber das tut man nicht
man muss sich die Zeit geben und den perfektionismus runter schrauben.

Fals du mal Telefonieren möchtest steh ich gerne zur Verfügung.
Schreib mir nur PN

lg
peggy
Asrai

Re: Ich kann nicht mehr

Beitrag von Asrai »

Liebe Peggy,

ich bin wirklich froh, zu meinen Eltern gegangen zu sein. Dadurch, dass ich hier keine großen Anforderungen bewältigen muss, ist der Druck reduziert und damit auch die Angst. Ich versuche mich aufs Hier und Jetzt zu konzentrieren und nicht an anstehende Aufgaben bzw. die Rückkehr in meinen Alltag zu denken. Denke, dass ich erst mal weiter versuchen muss, meine Grundanspannung zu senken, bevor ich wieder "größere" Aufgaben anpacken kann. Wenn ich nur nicht so ungeduldig wäre... Ich höre auch noch ständig in mich hinein und achte auf sämtliche körperliche Unregelmäßigkeiten, was natürlich dazu führt, dass die Anspannung wieder steigt. Insgesamt geht es mir grade aber deutlich besser als zu dem Zeitpunkt als ich den ersten Forumseintrag verfasst habe. Ich hoffe so, dass das nicht nur eine kurze Verschnaufpause ist...
Peggy, wie geht es Dir den im Moment? Können uns auch gerne über PN schreiben. Telefonieren gehört aktuell noch zu den "großen" Aufgaben, die mir meistens noch zu viel sind...

Liebe Grüße,
Asrai
Asrai

Re: Ich kann nicht mehr

Beitrag von Asrai »

Hallo zusammen,
ich wollte Euch kurz berichten, wie es bei mir weitergegangen ist - auch um anderen Frauen, die so unerträgliche Zustände von innerer Unruhe erleben Mut zu machen:
Mir geht es viel besser! Die Medikamente scheinen zu wirken, v.a. das Mirtazapin tut mir gut! Ich kann gut schlafen (von den Unterbrechungen durchs Stillen abgesehen) und bekomme meinen Alltag an den meisten Tagen gut auf die Reihe. Ich bin zwar noch nicht ganz die Alte und noch öfter mal innerlich sehr angespannt und unruhig, aber es ist bei Weitem nicht mehr so schrecklich wie noch vor 3 Wochen. Jetzt hoffe ich einfach, dass es weiter aufwärts geht... Eine Therapeutin, bei der ich mich wohlfühle, hab ich auch gefunden!
Ich drücke allen aktuell betroffenen Frauen die Daumen, dass es auch bei Euch bald wieder aufwärts geht!
Viele liebe Grüße,
Asrai
Graureiherin
power user
Beiträge: 530
Registriert: 07:01:2015 12:57

Re: Ich kann nicht mehr

Beitrag von Graureiherin »

Liebe Asrai,

das freut mich sehr für Dich! Gut, dass es Medikamente und Therapeuten gibt!

Trotzdem wünsche ich viel Geduld und gewinnendes "Arbeiten" für Deinen weiteren Prozess

die Graureiherin
postpartale Zwangserkrankung 10/2012
Cipralex bis 2014
Rückschlag 2015, wieder Escitalopram bis 15mg
langsame Reduzierung auf 5 mg Escitalopram seit Juli 2017
Verhaltenstherapie beendet seit September 2017
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