Auslöser und Veränderungen

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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Asrai

Auslöser und Veränderungen

Beitrag von Asrai »

Hallo Ihr,

ich beschäftige mich gedanklich gerade viel damit, welche Faktoren bei mir die Krise ausgelöst haben. Wie viele von Euch ja schon geschrieben haben, denke ich auch, dass man sehr viel aus einer Krise lernen kann und man dadurch letztendlich ein erfüllenderes Leben führen kann. Vielleicht habt Ihr Lust zu schreiben, was bei Euch die Auslöser für die PPD waren und was Ihr daraus gelernt habt?

Ich fange einfach mal an:
Ich denke, dass die Schwangerschaft und das Wochenbett einfach eine sehr sensible Zeit sind. Durch die hormonellen Umstellungen, die körperlichen Beschwerden, die Veränderung unseres Alltags und die neue Rolle als (mehrfache) Mutter machen alle Schwangere und junge Mütter anfällig für psychische Schwierigkeiten. Ich glaube aber auch, dass noch andere Faktoren dazu kommen müssen, damit es zu einer PPD kommt.
In meinem Fall spielt sicherlich eine sehr große Rolle, dass ich in meinem bisherigen Leben irgendwie immer auf der Überholspur gelebt habe. Ich wollte immer das Maximum aus allem herausholen, was mich sehr unter Druck gesetzt hat. Meistens konnte ich den Moment gar nicht genießen, sondern war mit meinen Gedanken immer schon beim nächsten Schritt. V.a. beruflich habe ich mich sehr verausgabt und immer mehr gemacht, als eigentlich nötig war. Außerdem habe ich mich viel zu sehr damit beschäftigt, was andere von mir denken. Mir war es so wichtig, von allen gemocht zu werden. Ich habe mir zu wenig Zeit für mich selbst gegönnt, bzw. wusste gar nicht, wie ich diese Zeit füllen kann. Schwer fällt mir manchmal auch, mich von anderen abzugrenzen. Dazu kommt, dass ich ein ziemlicher Kontrollfreak bin und Dinge nur schwer aus der Hand geben kann.
Mit Hilfe meiner Therapie versuche ich jetzt einige Dinge in meinem Leben zu ändern. Durch meine Krise hat sich eine ziemliche Änderung meiner Prioritäten ergeben (weg von der Arbeit und dem, was andere denken, hin zu meiner Familie und mir selbst). Natürlich habe ich keine 180 Grad Wendung gemacht und vor mir liegt noch ganz schön viel Arbeit. Hoffe, dass ich die Kraft und die Ausdauer habe, dabei zu bleiben.

Wie geht es Euch? Was waren bei Euch die Auslöser für Eure Krise? Was wollt oder habt Ihr in Euerem Leben verändert?

Freue mich über einen Austausch!

Eure Asrai
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Marika
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Re: Auslöser und Veränderungen

Beitrag von Marika »

Hallo Arsai,

was du schreibst, kann ich zu 100 % bestätigen und unterstützen. Wenn man sich die Zeit nimmt, zu schauen "woher kommt das ganze" führt das in weiterer Folge auch zum aktiven Verändern des Lebensstils und so zum Ersetzen von "schlechten Angewohnheiten" durch gesunde Verhaltensmuster. Beides geht zusammen Hand in Hand.

Bei mir habe ich heute - 11 Jahre nach der PPD - glasklar vor mir liegen, was schlussendlich zu meiner PPD geführt hat - und das liegt bereits in meiner Kindheit. Es gab viele Faktoren, jeder für sich einzeln hätte wohl nicht meiner Erkrankung geführt, aber zusammen ergaben sie dann mit der Hormonellen Umstellung nach der Geburt den Tropfen, der das Fass zum überlaufen brachte. Das ist auf den ersten Blick sehr bitter, aber es hat mir auch enorme Vorteile gebracht, durch dieses schwere Tal der PPD gehen zu müssen. In allen Bereichen meines Lebens konnte ich durch das Aufarbeiten in meiner Therapie positive Veränderungen herbeiführen. Ich bin vom "Melancholischen Pessimist" zum "Positivem Optimist" geworden - das ist für das eigentliche Wunder, das mich mit großer Dankbarkeit erfüllt. Ich sehe es auch an meinem Sohn: er hat meine Wesenszüge und hätte auch wie ich damals schon in frühester Kindheit bei ungünstigen Gegebenheiten (wie ich sie hatte) zum ängstlichen Zwängler ohne Selbstvertrauen werden können. Genau DAS ist nicht passiert, weil wir als Eltern (und ich im Besonderen, weil ich wusste was mir damals gefehlt hat) genau anders herum handeln konnten und ich auch Gewisses aus meiner Therapie daheim für ihn anwenden konnte.

Das sind die 2 ganz großen WUNDER in meinem Leben , die sich durch die PPD zugetragen haben: Ich bin heute voller Selbstvertrauen und Optimismus und meinem Sohn ist bei selber Wesensgrundlage ein ganz anderer Weg vorherbestimmt als bei mir damals. Ich glaube auch, dass ich die Kette durchbrochen habe, die seit Generationen in unserer Familie schlummert und immer weitergeflochten wurde: die Disposition zu Depressionen (Mütterlicherseits) und Zwängen (Väterlicherseits). An unserem Sohn sehen wir eindrucksvoll wie die ur-Eigensten Wesenszüge unter anderen Voraussetzungen um 180 Grad anderes herum das Leben beeinflussen können.
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
lotte

Re: Auslöser und Veränderungen

Beitrag von lotte »

Hey zusammen,

Auslöser für meine Krankheit (eher eine reine Angststörung, die ich mit 20 schon mal hatte) war die Geburt meiner 2. Tochter. Sturzartig, mit viel Blutverlust. Da ich sowieso aufgrund der früheren Ängste hypochondrisch war, habe ich das als sehr schlimm empfunden und mit circa 6 Wochen war die Angst dann wieder voll da. Kein Vertrauen in mich selbst. Geschweige denn in ein Leben als 2-fache Mutter. Das kam wiederum von meiner Kindheit/Jugend, meine Eltern haben mich emotional nicht so unterstützt, wie sie es hätten tun sollen. Das Ur-Vertrauen, das alles gut ausgehen kann, dass ICH genüge, so wie ich bin, hat mir schon immer gefehlt. Nach aussen hin hat man das nicht bemerkt, da hatte ich eine gute Maske auf. Die ist dann gefallen mit der Geburt und so hart die Jahre waren, ich bin meiner Tochter heute dankbar dafür, dass sie mich quasi gezwungen hat, noch mal genauer hinzusehen.

Durch 2 Therapien bin ich dem dann nach und nach auf den Grund gegangen. Die Angst hatte mich sogar soweit im Griff, dass ich alkoholkrank wurde, weil ich statt einem wirksamen Medi mit dem Alk versucht habe, meine Symptome zu bekämpfen.

Heute bin ich sehr zufrieden mit mir. Ich muss mich nicht immer in den Vordergrund spielen, um von meinen Schwächen abzulenken. Ich bin gerne auch mal alleine mit mir selbst, und vertraue mir jetzt zu 100%. Ich bin von niemandem abhängig, denn ich bin, wenn auch spät, endlich erwachsen geworden und handele auch demnach. Wenn mir etwas zu viel wird (2 Mädels, 1 Vollzeit-Job) sage ich Bescheid, achte also auch auf meine eigenen Bedürfnisse, BEVOR mir die Angst ein Signal geben kann.

Aktuell verändern möchte und muss ich nichts, was aber nicht heisst, dass ich nicht offen für Veränderungen bin ;)
Wichtig bleibt, dass ich weiterhin authentisch lebe und gut zu mir selbst bin.

LG
Lotte
Nickolakala

Re: Auslöser und Veränderungen

Beitrag von Nickolakala »

Hallo Ihr,

ich habe oder hatte ja nicht direkt eine PPD sondern eine generalisierte Angststörung. Damals mit den Geburten dem super wenigen Schlaf und dem anstrengenden Baby ging es dann mit der Psyche bergab.

Ja jetzt nach immerhin 15 Jahren hab ich mitgekriegt dass man auf sich achten soll, nicht zu viel Stress, auch mal nein sagen und und und.

ABER: ich bin immer noch keinen einzigen Schritt weiter ! Mein Selbstvertrauen ist gleich null, ich bemerke oft in Gesellschaft dass ich mich immernoch fühle wie ein kleines Mädchen und nicht wie eine erwachsene Frau.

Marika Du schreibst Du bist zum "positiven Optimist" geworden. Wie um Himmels Willen hast Du das nur geschafft?
ich bin ewig voller Sorgen Sorgen Sorgen über meine Mitmenschen, wie schlimm doch alles ist und und und. Mich nervt das selbst dermassen zumal ich ja eh nichts aufhalten kann. Ist alles Schicksal im Leben.
Warum kann ich nicht einfach geniessen und Dankbar sein für alles was ich schönes habe???
LG N.
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Marika
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Re: Auslöser und Veränderungen

Beitrag von Marika »

Hallo ihr Lieben,

ich werde das öfter gefragt, wie sich dieser Wandel in mir vollzogen hat. Und noch immer fällt es mir sehr schwer, dass zu beschreiben - denn war und ist auch heute noch ein Prozess aus viele kleinen Dingen. Dennoch möchte ich es versuchen:

Ich glaube am Anfang stand in der Therapie so eine ganz persönliche "Schlüssel" - Übung für mich. Damals sollte ich zu jedem negativen Gedanken ganz bewusst einen positiven setzen und auch aufschreiben. So sah ich schwarz auf weiß, dass es neben "schlecht" auch immer "gut" gibt - vereinfacht gesagt. Ein Beispiel: ich plane am nächsten Tag schwimmen zu gehen - das Wetter ist schön. Wider erwartend regnet es aber genau am nächsten Tag - der Ausflug findet nicht statt. Jetzt bin ich zuerst endtäuscht (ja - diese Gefühle habe ich auch ganz normal) - aber gleich darauf kommt der andere Gedanke: "jetzt bekommt die Natur wieder Wasser und ich kann endlich das Buch gemütlich auf der Couch lesen, was ich schon lange wollte". Als ich das verstanden hatte, war das für mich eine kleine Offenbarung. Natürlich habe ich das ganz lange geübt, aber mit den Jahren muss ich es jetzt nicht mehr aktiv herbeiführen, es kommt tatsächlich von selber. Wahrscheinlich habe genau das Gehirnareal das für das "positive Denken" zuständig ist, genug trainiert, damit es das jetzt von selber kann.

Wichtig war auch, Dinge zu tun, dir mir eigentlich Angst gemacht haben. Z.B. alleine einen Kaffee trinken zu gehen, über einen großen Platz gehen, im Restaurant bestellen (musst mein Mann immer machen.... :shock: ) - immer und immer wieder. Dadurch hat sich auch mein Selbstvertrauen immer mehr gesteigert. Der nächste Schritt war dann auch - anfangs mit klopfendem Herzen - in einer Runde MEINE Meinung zu sagen, auch wenn ich damit alleine da stand und damit auch manchmal Konflikten ausgesetzt war. Das aus zu halten, ist ZU SICH SELBER ZU STEHEN. Man muss deswegen nicht streiten, es geht nur darum SICH SELBER zu definieren und das auch zu sagen - so wie alle anderen das selbstverständlich auch tun.

Dann - eher jüngere Erkenntnisse: DANKBARKEIT UND ACHTSAMKEIT! Gerade die Dankbarkeit hat nochmal ganz vieles in mir Bewegt. Gerade gestern war ich dankbar für einen wunderschönen Regenbogen - ganz einfach, weil er mein Auge erfreut hat. Diese kleinen Wunder des Lebens, die man wirklich jeden Tag zu Hauf findet, beflügeln mich unendlich. Und sei es nur, dass man für einen freien Parkplatz dankbar ist.

Wir Menschen sehen und registrieren Negatives viel stärker, als Positives. Das ist ein Erbe aus Urzeiten - da war es noch Überlebenswichtig, aus schlechten Erfahrungen zu lernen. Heute brauchen wir das in diesem Maße nicht mehr, müssen aber dafür unsere Sichtweise für das Positive oft aktiv stärken. Und das heißt üben, üben, üben....
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
lotte

Re: Auslöser und Veränderungen

Beitrag von lotte »

Hey Nicki ;)

versuche doch mal, Deine Sorgen zu kanalisieren. Sprich 1 x am Tag machst Du Dir richtig viele Gedanken, was alles schlimmes passieren könnte, male Dir alles in schrecklichen Szenarien aus, lass das quasi wie einen Film, den Du selbst anschaust, an Dir vorbeiziehen. Dann verlässt Du Dein Kopfkino und verbittest Dir, den Rest des Tages wieder dran zu denken. Höre dabei nur auf Deinen Verstand (wie wahrscheinlich ist es, dass xy überhaupt eintrifft), lass Dich nicht vom Gefühl leiten. Höre auch auf, darüber mit anderen zu reden. Tue so, als hättest Du diese Sorgerei gar nicht. Ja, das erfordert regelmässige Übung, wäre aber vielleicht ein Weg, das Sorgenkreiseln zu beenden.

Und dann: LEBE, mach Dein Ding, Sachen, die Dir gefallen. Horche in Dich hinein, was würde Dir gut tun?

LGL
lotte

Re: Auslöser und Veränderungen

Beitrag von lotte »

PS: Dankbarkeit und Geniessen kommen nicht per Verstand oder Knopfdruck, das musst Du fühlen, am eigenen Leib erfahren. Genießen, in dem Du das machst, was Du gerne möchtest. Dann stellt sich auch irgendwann eine Form der Dankbarkeit ein. Wenn Du Dir überwiegend Sorgen machst, für was solltest Du dann dankbar sein? Das geht ja gar nicht ;(
Graureiherin
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Re: Auslöser und Veränderungen

Beitrag von Graureiherin »

Liebe Asrai,

was für eine tolle Frage an alle hier.

Die Auslöser bei mir liegen in meiner Kindheit. Im Grunde kann ich ähnliches schreiben wie Lotte.
Bei uns zu Hause gab es keinen liebevollen Umgang, kein emotionales Begleiten, kaum Verständnis. Urvertrauen wurde mir mit einem Wert der gegen Null geht mitgegeben. Selbstwert, Liebe, Anerkennung etc. waren Fremdwörter. Das Leben an sich ist schlecht, die Anderen sind besser und haben es besser... waren übliche Parolen. Dazu bin ich als ein sehr sensibler Mensch ausgestattet auf die Welt gekommen.
Ich hatte keine wirkliche Maske nach außen, sondern war in der Schule (überhaupt in fremder Umgebung) Außenseiterin. Ich wurde nicht gehänselt, war aber unbemerkt, wurde übergangen, am ehesten noch bemitleidet (da die Situation bei uns zu Hause wage durch den Ort schwirrte).

Ich habe schon vor der Geburt meiner Tochter viel getan. Früher Auszug von meinen Eltern. Ich bin viel umgezogen, habe mich dadurch neuen, fremden Situationen und Menschen gestellt. Während des Studiums habe ich mich das erste mal getraut an die Dozenten eine Frage zu stellen.

Ich würde sagen, ich bin bei einigen Lebensbereichen auf einem guten Weg. Ich kann mit fremden Menschen reden, mich auf verschiedene Situationen einlassen. Ich kann (wenn auch teils mit rotem Kopf :oops: ) meine Meinung vertreten. Nicht immer, aber wenns besonders drauf ankommt schon.

Üben tue ich eigentlich immer: dass ich mir selbst genüge, mich so wie ich bin einfach gut finde, mich selbst liebe, mich von anderen (vor allem in Partnerschaften) unabhängiger mache. Mir Gutes gönne, im Hier und Jetzt lebe. Grenzen erkenne etc.

Ändern möchte ich zur Zeit aktiv , dass ich meine Tochter in ihrem Wesen so akzeptieren kann wie sie eben ist. Ich habe (im Unterschied zu Marika) immer Sorgen, wenn ich an Ihr Züge von mir zu erkennen meine. Ich merke dann, dass ich Angst habe, dass sie in der Schule etc. ähnliches erlebt wie ich und bin etwas hilflos und werde auch wütend. Mir ist bewußt, dass es an mir selber und meiner (wohl noch nicht vollständig aktzeptierten) Vergangenheit liegt, aber es fällt mir trotzdem schwer das zu trennen.

mit herzlichen Grüßen
die Graureiherin
postpartale Zwangserkrankung 10/2012
Cipralex bis 2014
Rückschlag 2015, wieder Escitalopram bis 15mg
langsame Reduzierung auf 5 mg Escitalopram seit Juli 2017
Verhaltenstherapie beendet seit September 2017
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Marika
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Re: Auslöser und Veränderungen

Beitrag von Marika »

Liebe Graureiherin,

mir ist sofort was ins Auge gesprungen, beim Lesen deines Beitrages:

"Ändern möchte ich zur Zeit aktiv , dass ich meine Tochter in ihrem Wesen so akzeptieren kann wie sie eben ist."

Siehst du/ihr den Widerspruch? "Ändern, dass ich akzeptiere...." Diese 2 Begriffe würden sich gegenseitig ausschließen. Akzeptieren ist das Gegenteil von Ändern. Es ist wohl wirklich so, dass du dich selber noch nicht so annimmst und liebst wie du eben bist. Wenn du das kannst, dann hast du automatisch keine Angst mehr, denn dann siehst du dass DU MIT ALL DEINEN EIGENSCHAFTEN wunderbar bist und Tolles bewirken kannst. Dann werden vermeintlich "schwache" (wie ich das hasse, wenn das jemand so sagt) Eigenschaften wie Sensibilität, Extrovertiertheit, Sanftmut, usw... plötzlich zu Möglichkeiten wirklich Großes an sich aber auch in der Gesellschaft zu vollbringen. Die Angst um deine Tochter verwandelt sich dann in Stolz und der Fähigkeit IHR ZUZUTRAUEN, dass sie ihren Weg geht. Wenn du dir selber vertraust, dann gibst du dieses Selbstvertrauen automatisch an sie weiter.

Somit würde ich sagen: du musst nicht "ändern" - du kannst LERNEN, dass ALLE Eigenschaften 2 Seiten haben - man muss sie nur sehen. Nehmen wir Sensibilität - das kann heißen, dass jemand gleich Angst hat, dass man sich von vermeintlich "starken" Personen gleich überfahren fühlt und nichts mehr zu sagen traut. Das mag stimmen, klar. ABER - was kann es noch heißen? Dass solche Menschen in höchstem Masse fähig sind, sich in die Gefühlslage anderer zu versetzen, sie schnell analysieren und in weiterer Folge sogar durchschauen können. Dass kann ein "robuster" Mensch oft gar nicht - ist mir schon sehr oft aufgefallen. Die haben dann halt ihre anderen Strategien entwickelt.
Ich persönlich habe diese Eigenschaft für mich nutzen können, als ich gemerkt habe, dass mir andere nicht wirklich was vormachen können - ich durchschaue meine Zeitgenossen heute meist sofort. Mir fällt es sehr leicht Menschen zu "analysieren" und habe gemerkt, dass mir das extreme Vorteile privat - aber auch beruflich bringt. Das selbe kann mein Sohn heute bereits und setzt es auch ein - so weit war ich damals mit 11 Jahren bei weitem nicht.

Es geht meiner Meinung nach also einfach nur um das "LERNEN" das was einem mitgegeben wurde, positiv für sich zu nutzen.
Liebe Grüße von
Marika

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Sanna
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Re: Auslöser und Veränderungen

Beitrag von Sanna »

Hallo, ihr Lieben!

Bei meiner PPD handelte es sich um eine endogene Depression, d.h. die Faktoren, die zur Erkrankung geführt haben kamen von außen in Form von Abstillpräparaten (Hormonen) und Medikamenten (Methergin). Ich bin immer schon höchst sensibel gewesen, wenn es um die Gabe von Hormonen geht. So hatte ich mit Anfang zwanzig schon mal eine leichte depressive Episode, die aber wie weggeblasen war, als ich die Pille abgesetzt habe. Ich wurde weder in der Geburtsklinik noch bei meiner Gynäkologin über die möglichen Folgen einer solchen Medkamentengabe (vor allem in Kombination!) aufgeklärt. Allein das Abstillpräparat ging noch, als mir dann aber das Methergin gespritzt wurde, damit sich die Gebärmutter nach der Geburt besser kontraktiert, ging es innerhalb weniger Stunden steil bergab. Es war tatsächlich so, dass mir die Frauenärztin mittags das Medi gespritzt hat und am frühen Nachmittag habe ich meine Mutter um Hilfe gebeten, weil ich plötzlich mit meinem Kind nicht mehr allein sein konnte. Da begann die Abwärtsspirale.

Nach 2,5 Jahren Therapie (zuerst VT, dann tiefenpsychologisch) konnte ich auch mit Hilfe der Therapeuten keinen anderen Auslöser festmachen. Ich hatte eine tolle Kindheit, auch sonst ging es mir psychisch immer gut. Ich war erfolgreich, selbstbewusst und stark. Hans Dampf in allen Gassen. Dass es mich dann so umgehauen hat war ein Schock für uns alle.

Dafür spricht auch, dass ich immer vermehrt Symptome habe, wenn ich z.B. ein Antibiotikum einnehme. Sobald ein Wirkstoff meinen Körper betritt, geht es bergab. Ich bin sehr, sehr vorsichtig geworden, was herkömmliche Medikamente angeht. Hormonelle Verhütung kommt schon mal gar nicht infrage. Ich hatte neulich mal acht Wochen meine Periode nicht. Meine (neue!) Gynäkologin hat sich strikt geweigert mir Hormone aufzuschreiben. Ich hätte sie auch allerdings nicht genommen. Das ganze hat sich dann von allein wieder reguliert.

Mitllerweile hadere ich nicht mehr mit meiner Erkrankung. Sie hatte auch viel Gutes. Ich weiß jetzt, dass ich unheimlich stark bin und glaube, dass mich so leicht nichts mehr umhauen kann. Ich bin gewachsen und über jedes Maß hinaus glücklich mit dem was ich bin und habe. Vieles hat ein Bedeutung verloren (Auto, teurer Urlaub, Markenklamotten), anderes ist immens wichtig geworden, z.B. genieße ich die Zeit mit meinen Kindern viel intensiver. Auch deshalb, weil ich meine Karriere aufgegeben habe und "nur" noch einen Minijob mache. Vor der Erkrankung habe ich immer voll gearbeitet und es ist so vieles auf der Strecke geblieben. Das hat sich grundlegend geändert. Gott sei Dank können wir uns das finanziell auch erlauben.

Natürlich bleibt ein Rückfallrisiko, aber das trägt ja jemand, der den Krebs einmal besiegt hat auch mit sich. Damit kann ich leben. Und selbst wenn es mich nochmal erwischt, es wird auch wieder vorbei gehen. Da bin ich mir sicher.

LG, Sanna
schwere PPD 2012, heute komplett symptomfrei
Asrai

Re: Auslöser und Veränderungen

Beitrag von Asrai »

Hallo Ihr Lieben,
ich danke Euch für die vielen Beiträge! Freue mich über die rege Beteiligung! Werde auch noch meine Gedanken dazu sagen, gerade hat mich aber eine Erkältung erwischt und auch psychisch ein bisschen aus der Bahn geworfen. Spüre wieder mehr Unruhe und Unsicherheit. Außerdem bin ich ein richtiger Hypochonder geworden. Hoffe sehr, dass sich mein Aufwärtstrend fortsetzt, wenn die Erkältung abgeklungen ist.
Liebe Grüße,
Asrai
Erendis

Re: Auslöser und Veränderungen

Beitrag von Erendis »

Hallo zusammen,

ich wollte mich etwas verspätet auch noch zu dem Thema zu Wort melden.
Habe mich jetzt lange hier nicht gemeldet, weil mein Mann jetzt 4 Wochen Elternzeit hatte und mich unterstützt hat. Dadurch konnte ich etwas runterkommen und mir geht es viel besser.

Habe mir jetzt auch mal Gedanken gemacht was bei mir die Krise ausgelöst hat und ich komme auf 2 Hauptauslöser.
Zunächst einmal die Tatsache dass ich überhaupt nicht darauf vorbereitet war, wie es sein würde, ein Kind zu haben. So richtig ist man das beim ersten Kind wohl nie, aber ich konnte es mir überhaupt nicht vorstellen. Obwohl meine Tochter ein absolutes Wunschkind war. Aber bis zu dem Moment wo sie geboren wurde, konnte ich nicht wirklich glauben, dass es so weit kommen würde. Das kommt wohl daher dass ich keine besonders glückliche Kindheit und Jugend hatte; es gab da keine traumatischen Erlebnisse oder auch "nur" solche Dinge wie Mobbing oder so, aber ich hatte nie viele Freunde und war oft einsam und unglücklich. Ich dachte immer dass nur die anderen glücklich sein würden, aber mir das nicht vergönnt sei. Ich konnte mir z.B. nie vorstellen, auch mal einen "richtigen" Freund zu haben, als es dann so weit war, dachte ich nie daran dass es halten könnte und wir irgendwann heiraten. Als das dann soweit war und wir über Familienplanung sprachen, rechnete ich nicht damit, schwanger zu werden. So ging das immer weiter. Immer hatte ich die Befürchtung, dass mein Glück nicht von Dauer sein würde, meine Wünsche nicht in Erfüllung gehen würden. Als ich dann schwanger wurde, dachte ich, ich würde eine Fehlgeburt haben, dann dachte ich das Kind würde nicht lebend zur Welt kommen... Daher machte ich mir auch nie viele Gedanken, wie es sein würde, wenn die Kleine tatsächlich da wäre. Deswegen traf es mich dann irgendwie doch wie ein Schock. Ich glaube das ist der Grund, warum ich so sehr an meinem "alten Leben" festgehalten habe und mir dieses so sehr zurückgewünscht habe: weil ich immer befürchtet habe, dass ich kein "neues Leben" mit Kind haben würde.

Der zweite Grund ist, dass ich mit der Verantwortung überfordert war. Jetzt wo mein Mann die 4 Wochen daheim war, ging es mir super, ich war nicht traurig, dachte nicht mehr so wehmütig an früher zurück und konnte nicht nachvollziehen warum ich meine Tochter weggeben wollte. Diese Gefühle und Gedanken hatte ich nur wenn ich mit der Kleinen alleine war. Jetzt bin ich das auch wieder, aber es geht mir nach wie vor gut. Nicht so gut wie da als mein Mann da war, aber doch viel besser als vorher. Es gibt mir einfach eine unglaubliche Sicherheit wenn er da ist: einfach weil ich weiß, dass, wenn eine schwierige Situation auftritt (dazu muss ich sagen dass ich große Angst vor Situationen habe, die ich nicht kontrollieren kann), ich das nicht alleine durchstehen muss, sondern noch jemand da ist.

Das waren meiner Meinung nach die Hauptgründe.

Wie soll es jetzt weitergehen? Im Moment bin ich am Überlegen ob ich zusätzlich de dem Medikament, das ich nehme und das mir auch hilft, noch eine Therapie machen soll. Habe momentan nur einen Platz für ne tiefenpsychologische Therapie / Psychoanalyse und glaube aber dass für mich eine Verhaltenstherapie besser wäre.
Unabhängig davon will ich versuchen, mir immer wieder bewusst zu machen und dankbar zu sein für das was ich habe: meine kleine Familie. Ich versuche eine noch intensivere Bindung zu meiner Tochter zu bekommen. Und ich versuche jeden Tag aufs Neus, den jeweiligen Tag mit der Kleinen gut zu meistern.

LG Erendis
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