Ich fühle mich so alleine

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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Noalia
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Ich fühle mich so alleine

Beitrag von Noalia »

Ihr Lieben,
Ich schreibe hier, da ich sonst niemanden habe mit dem ich reden kann...
Mein Partner versteht mich nicht - und ihm ist meine Situation/Gefühle/Ängste leider auch egal, Freunde erkennen den Ernst der Lage nicht und meine Familie hat gerade andere große Sorgen - da kann ich nicht auch noch 'nerven'.

Zu meiner Vorgeschichte:
2017 wurde ich mit meinem ersten Kind schwanger. Meine damalige direkte Arbeitskollegen hat sehr schlecht auf die Neuigkeit meiner Schwangerschaft reagiert. Ab diesem Moment entwickelte ich wohl einen Verfolgungswahn - ich hatte panische Angst sie (oder irgendjemand anderes) könnte irgendwas machen damit ich mein Baby verlieren könnte. Dazu entwickelte ich große Ängste ich könnte mich mit irgendwelchen Krankheiten anstecken und somit meinem Baby schaden oder es verlieren. Dies führte alles zusätzlich zu einer schweren Depression. Ich zog mich komplett zurück, niemand durfte mich berühren, ich fasste außerhalb des Hauses nichts mehr an, weinte den ganzen Tag etc.
Kurzfristig fand ich eine Psychologin, die mich noch einige Wochen vor ihrem Ruhestand betreute. Allerdings wurde es daraufhin schlimmer, anstatt besser.
Nachdem mein Kind dann völlig gesund auf die Welt gekommen ist, wurde die Angst vor Krankheiten schlimmer. Ich hatte panische Angst ich könnte mich irgendwie mit HIV anstecken. Überall habe ich Blut(spuren) gesehen, konnte mich nirgends hinsetzen aus Angst irgendwo können Nadeln liegen etc.

Mit der Zeit wurde es besser.
Richtig weg waren meine Ängste nie, aber wesentlich besser.

Nach einer Fehlgeburt Anfang 2021 wurde ich dann ziemlich schnell wieder schwanger. Am Anfang war alles super. Ja die Angst um mein Würmchen war da - aber auszuhalten.
Bis zu einem Tag im Oktober 2021.
Ich war mit einer Freundin und den Kindern im Wald und haben Esskastanien gesammelt. Irgendwann sah ich auf dem Boden komisches weißes Zeug.
Plötzlich ratterte es in meinem Kopf - könnte das von einem Tier mit Tollwut sein? Ich bekam Panik. Wir sind daraufhin sofort nach Hause.
Ich habe viel nachgelesen und konnte mich dann erstmal beruhigen.
Bis ich gelesen habe das hier nur noch fledermäuse tollwut haben könnten.
Seit diesem Tag habe ich panische Angst vor Fledermäusen - bzw davon von einer gebissen oder gekratzt zu werden.
Mittlerweile ist die Angst dauerhaft da - ich kann keinen Schritt mehr vor die Tür machen ohne Angst zu haben ich könnte (bemerkt oder auch umbemerkt) von einer gebissen oder gekratzt werden.
Trotz fliegengitter vor den Fenstern, hab ich durchgehend das Gefühl in der Wohnung würde eine fliegen oder hätte mich gebissen.
Bei jedem Kratzer oder kurzem Schmerz (der anderen wahrscheinlich garnicht auffallen würde) werde ich panisch und denke das wars jetzt.
Dann muß ich mir die Stelle (zwanghaft) andauernd angucken, fotografieren, nachprüfen wo es her kommen könnte, mehrfach Rückversicherungen einholen usw. Aber nichts beruhigt mich.
Ich weiß das diese Ängste total irrational sind - aber ich kann sie nicht abstellen oder mich in so Situationen (die mittlerweile mehrmals täglich auftreten) beruhigen.

Des weiteren habe ich panische Angst meinen Kindern könnte etwas passieren. Nach mehreren traumatischen Ergebnissen mit meinem 2. Kind werden die Ängste immer schlimmer.

Eine erneute Therapie habe ich gemacht - die hat allerdings nichts gebracht -

In 8 Wochen habe ich einen Termin beim Neurologen um mir endlich Medikamente verschreiben zu lassen. Ich habe echt Respekt davor und auch Angst vor dem Nebenwirkungen. Aber das muß ich in Kauf nehmen. Ich will endlich wieder 'normal' werden und nicht mehr vor Angst ausrasten und die Nerven verlieren. Gerade meinem Kindern zu liebe. Sie haben eine glückliche Kindheit verdient und keine Mama die schreit weil sie irgendwas gemacht haben was meine Angst getriggert hat.

Leider schleichen sich mittlerweile immer wieder die Gedanken ein ob die Kinder es nicht besser hätten, wenn ich nicht mehr da wäre...
Aber das macht mir noch viel größere Angst. Ich will nicht, dass sie ohne mich aufwachsen müssen. Sie hängen beide extrem an mir - komplette Mama Kinder. Der Papa lebt zwar bei uns, aber kümmert sich überhaupt nicht um sie und hat auch kaum echtes interesse an ihnen. So ein Leben könnte ich ihnen niemals antun.

Ich will und werde es schaffen - für sie!

Wer es bis hier hin geschafft hat, danke fürs Lesen.
Es hat gut getan mal alles aufzuschreiben, da ich keinen habe den ich es erzählen kann....
seit erster Schwangerschaft 2017 starke Angststörung mit Zwangsgedanken
alibo79
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Re: Ich fühle mich so alleine

Beitrag von alibo79 »

Guten Morgen. Erstmal generell zur Angst vor Tollwut. Deutschland ist zum Glück Tollwut frei. Ja es gibt vereinzelt und damit meine ich wirklich vereinzelt bei Fledermäuse die Fledermaus Tollwut. Ich bekomme durch meinen Job monatlich einen Bericht wie verbreitet Anzeigepflichte tierseuchen sind und soweit ich mich erinnere gab es in den letzten Monaten keinen einzigen Fall und wenn sind es in der Statistik 1 Fall auf die ganze Population in Deutschland. Also im Jahr maximal 1 bis 4 Fälle so ungefähr.
Ich weiß es wird dich wahrscheinlich nicht beruhigen, aber vielleicht hilft es dir ja ein bisschen sich das Verhältnis mal vorzustellen.
Dann zu deinen allgemeinen Ängsten. Wenn meine Angst Störung sich meldet konnte ich mich auch mit rationalen Gedanken nicht beruhigen. Ich habe zb was über Krebs gelesen, dann war ich der Meinung ich hätte es auch.
Ich kann bei dir nicht sagen ob es eine Angst Störung ist, depressionen, ZG oder andere psychische Erkrankungen, aber auf jeden Fall ist es richtig und wichtig dir Medikamente verschreiben zu lassen. Denn die Ängste kommen daher dass dein Gehirn nicht richtig arbeitet und da kannst du manchmal Therapie ohne ende machen, wenn die verschaltung im Gehirn nicht passt, bringt das oft nicht so viel.
Wie wäre es als erstes den Hausarzt zu kontaktieren, der könnte dir auch schon Medikamente geben, dann brauchst du nicht 8 Wochen jetzt abwarten.
Und Angst vor den Medikamenten brauchst du nicht zu haben. Es ist eine große Chance dass es dir endlich besser geht.
Liebe Grüße
2014 schwere PPD mit Ängsten, 6 Monate Tagesklinik
2015- 2019 mirtazapin, erst 45mg ab 2017 langsam reduziert
Zwischendurch versuch mit citalopram, nach 2 Monaten abgesetzt, da starke Verschlimmerung der Depression
Anfang 2021 erneut schwere Depression wieder 45 mg mirtazapin zusätzlich noch quetiapin 150mg
Über Jahre zusätzlich noch psychotherapeutische Behandlung
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Marika
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Re: Ich fühle mich so alleine

Beitrag von Marika »

Hallo und herzlich Willkommen!

Hier bist du nicht alleine und kannst alles, alles raus lassen. Genau das ist der Anfang und diesen ersten so wichtigen Schritt hast du jetzt gemacht. Darauf kannst du mega stolz sein, denn es ist ganz schwer oft über diesen Schatten zu springen.

Es sieht so aus, als wären bei dir Ängste und Zwänge vermischt, die 2 gehen ja meist Hand in Hand. Ich kenne das, ich habe auch eine sehr zwanghafte Persönlichkeit. Ich gratuliere dir zu deiner Entscheidung, dich um Medikamente zu kümmern. Bei so schweren Symptomen ist es fast unmöglich anderweitig aus diesem Kreislauf auszubrechen. Du wirst erstaunt und dann mit der Zeit so erleichtert sein, wenn du merkst, wie die Symptome zurück gehen und du endlich ein schönes Leben leben kannst. Das was du erlebst kann man tatsächlich sehr, sehr gut medikamentös behandeln, ich spreche aus Erfahrung :wink: Und es ist tatsächlich für dich UND deine Kinder wichtig, dass du gesund wirst. Kinder übernehmen sonst doch auch solche Verhaltensmuster.

Was ich dir noch ans Herz legen möchte: wenn du medikamentös eingestellt bist, schau nochmal nach einer Therapie. Bei Zwängen ist es sehr wichtig diese Verhaltensmuster zu erkennen und aktiv dran zu arbeiten. Mir hat beides zusammen extrem gut geholfen, so gut dass ich seit Jahren Beschwerde frei bin.

Schön, dass du da bist! ❤️
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Sternschnuppe2023
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Re: Ich fühle mich so alleine

Beitrag von Sternschnuppe2023 »

Hallo liebe Naolia,

das tut mir unglaublich leid zu lesen, dass du niemanden hast mit dem du reden kannst. Ich kenne das von meiner Familie, die der Meinung ist man müsse sich nur zusammen reißen und sich nicht so verrückt machen, dann wäre alles klar.
Aber immerhin ist mein Freund und meine Freunde sehr verständnisvoll, auch wenn sie es alle nicht so wirklich nachvollziehen können.
Es tut gut hier lesen zu können, dass man nicht alleine ist und es andere auch da raus geschafft haben, auch wenn es einem oft schwer fällt Hoffbung zu haben.

Ich selbst habe auch Ängste, vorallem vor Herzkreislauferkrankungen und Messe dann dauernd Puls und Blutdruck und fühle in mich rein wie es mir geht.

Vor ca. 3,5 Wochen habe ich nach langer leidenszeit endlich mit Medikamenten angefangen, da ich auch oft dachte mein Freund und mein Baby wären ohne mich besser dran, extremer Anspannung und Schlaflosigkeit. Ab und zu hatte ich diese Woche schon gute Momente. Mir hatte davor Therapie leider auch gar nicht geholfen. Ich hoffe es geht jetzt langsam bergauf.
Ich hoffe auch bei wird es dann bald besser. Du bist nicht alleine :) fühl dich gedrückt
Liebe Grüße
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