Wie geht ihr damit um?

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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Sternschnuppe2023
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Wie geht ihr damit um?

Beitrag von Sternschnuppe2023 »

Ihr Lieben,

meine Eltern verstehen nicht, dass mein Freund fast alle Nächte macht, obwohl er arbeiten geht. Und sie verstehen auch sonst nicht, wie so er so viel macht. Das was ich mache, sehen sie komischerweise nicht. Sie können auch nix damit anfangen, wenn ich sage, dass ich krank bin. Für sie gibt ws glaube ich keine psychischen Krankheiten. Mein Papa ist der Meinung man darf nicht so verlappt sein und meine Mama meint, Rotwein würde gut helfen. Ich versuche es mir nicht so zu Herzen zunehmen, aber die Sprüche ab und zu enttäuschen mich und machen mich auch wütend. Wie geht ihr denn mit so Situationen um, falls es euch so oder so ähnlich geht?
Liebe Grüße
Liebe Grüße
alibo79
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Re: Wie geht ihr damit um?

Beitrag von alibo79 »

Hallo Sternschnuppe,
Das zu hören macht mich wirklich traurig und wütend. Gerade von den eigenen Eltern sollte man mehr Verständnis erwarten.
Und wenn sie auch nicht verstehen oder nachempfinden können, so sollten sie sich wenigstens bemühen ein bisschen über diese Erkrankung zu erfahren.
Gerade in der älteren Generation sind psychische Erkrankungen leider oft nicht anerkannt. Und ganz wichtig ist, dass es ja wirklich eine Erkrankung des organ,, Gehirn ,, ist. Und nicht irgendwie nur schlecht drauf sein. Ich finde es gut dass du so offen damit umgehst. Ich habe es auch getan, natürlich fühlte ich mich anfangs stigmatisiert, aber ich habe auch sehr viel Verständnis dadurch erfahren von vielen Menschen in meinem Umfeld die auch davon betroffen sind oder betroffene Angehörige haben. Fast wie ein aufatmen endlich darüber offen sprechen zu dürfen. Oder ich wurde auf einmal ein Ansprechpartner was depressionen angeht und oft als Ratgeber kontaktiert .
Es gibt von den Krankenkassen Info Broschüren, die habe ich damals gerne weitergegeben damit andere Leute verstehen, was es mit der Krankheit auf sich hat.
Und rot Wein, also bitte, das geht gar nicht, oft führen solche Ratschläge in die Sucht und dann hat man das nächste Übel wogegen man kämpfen muss.
Ich würde immer wieder das Gespräch mit deinen Eltern suchen und ihnen erklären was genau im Gehirn vor sich geht. Denn sonst wäre ja auch Demenz oder Alzheimer keine Krankheit sondern nur anstellerei.
2014 schwere PPD mit Ängsten, 6 Monate Tagesklinik
2015- 2019 mirtazapin, erst 45mg ab 2017 langsam reduziert
Zwischendurch versuch mit citalopram, nach 2 Monaten abgesetzt, da starke Verschlimmerung der Depression
Anfang 2021 erneut schwere Depression wieder 45 mg mirtazapin zusätzlich noch quetiapin 150mg
Über Jahre zusätzlich noch psychotherapeutische Behandlung
Sternschnuppe2023
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Re: Wie geht ihr damit um?

Beitrag von Sternschnuppe2023 »

Danke dir, liebe Alibo. Ich werde meinen Eltern mal die Broschüre von Schatten & Licht mitgeben. Mal schauen, ob sie diese dann lesen und vielleicht etwas Verständnis aufbringen. Meine Freunde haben überraschenderweise alle sehr verständnisvoll reagiert. Das tut schonmal echt gut, wenn man weiß, man darf sich bei ihnen so zeigen, wie man gerade fühlt.
Liebe Grüße
Mammsie
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Re: Wie geht ihr damit um?

Beitrag von Mammsie »

Vielleicht hilft es dir, dich etwas von deinen Eltern zu distanzieren. Ich weiß, es ist schwer, aber was du brauchst ist Zuspruch und Unterstützung und nicht solche althergebrachten Ratschläge. Wenn sie die Wissenschaft schon nicht anerkennen....
Sie verstehen es nicht. Du musst dich nicht erklären. Du hast einen tollen Partner.
cwe
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Re: Wie geht ihr damit um?

Beitrag von cwe »

Hallo du Liebe,

es tut mir sehr Leid wie deine Eltern reagiert haben. Anhand der Antworten kann man erkennen dass sie sich nicht gerade gut auskennen. Mir geht es ähnlich - sie sagten ich kann gar nicht unglücklich sein da ich Haus und Mann habe. Es tut weh das zu hören. Mir hat geholfen mich da stark zu distanzieren und zu akzeptieren dass meine Eltern da keine große Hilfe sind. So wie du deinen Freund beschreibst unterstützt er dich so gut und das ist so wichtig.

Alles Liebe
cwe
Sternschnuppe2023
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Re: Wie geht ihr damit um?

Beitrag von Sternschnuppe2023 »

Liebe Mammsie und liebe cwe,

Danke euch für die bestärkenden Worte 🩷.
Ja, das mit dem Distanzieren habe ich mir auch schon öfter überlegt. Es kämpfen dann immer zwei Anteile in mir. Einerseits denke ich, sie meinen es ja nicht böse und sind halt selbst so aufgewachsen plus das schlechte Gewissen, dass sie den kleinen dann nicht sehen. Andererseits ist da auch die Wut, auf das Unverständnis und die Einmischerei in mein Leben. Zum Beispiel, dass wir doch heiraten müssten, sonst wäre das nichts gescheites. Aber wehe wenn nicht kirchlich und der Kleine muss unbedingt getauft werden...Ich bin allerdings schon vor zwei Jahren aus der Kirche ausgetreten. Naja und dann hatte ich meiner Mama letzte Woche die Broschüre von Schatten und Licht hingelegt und sie meinte nur, ach du hast doch keine Depressionen.
Da es mir selbst nicht gut tut mit meiner Familie, werde ich jetzt versuchen, dass ich mit dem Kleinen nur noch alle zwei Wochen mal hinfahre und am besten mit meinem Freund. Er ist mein Fels und sehr verständnisvoll.
Am Sonntag habe ich Geburtstag. Normalerweise feiere ich den jedes Jahr mit meinen Eltern und meiner Oma. Dieses Jahr habe ich mich dagegen entschieden. Ich werde nur nächste Woche mal vorbei fahren...Ach ein schwieriges Thema..
Liebe Grüße
Franzi
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Re: Wie geht ihr damit um?

Beitrag von Franzi »

Liebe Sternschnuppe,
genau davor habe ich auch Angst. Dass meine Eltern so doof und unsensibel reagieren. Mein Onkel ist psychisch schwer krank. Sie können es null verstehen. Sie haben sich allerdings auch noch nie mit der Krankheit auseinandergesetzt.
Nach langem Überlegen habe ich es meinen Geschwistern gesagt. Sie haben überraschenderweise toll reagiert und auf den Hinweis, dass ich es meinen Eltern noch nicht sagen will, meinten sie, dass ich es ihnen auch gar nicht sagen muss, wenn mir nicht danach ist. Das tat gut. Generell habe ich mich schon seit Jahren von meinen Eltern mehr oder weniger distanziert. Das tut mir total weh, weil ich jahrelang ein schlechtes Gewissen hatte und meinte, ich sei schuld an dem schwierigen Verhältnis. Die Therapie hat mir aber gezeigt, dass es zum einen immer zwei Seiten gibt und die Umstände, wie ich aufgewachsen bin, einfach nicht mehr hergeben. (Okay der letzte Punkt ist eine Interpretation von mir).
Auf jeden Fall habe ich es für mich so gelöst, dass ich mit meiner Tochter oder wir gemeinsam als Familie einmal im Monat hinfahren und abends was mit Freunden machen. So haben Oma/ Opa Zeit mit der Kleinen und wir können ihnen aus dem Weg gehen und haben etwas Zeit für uns.
Zur Kleinen sind sie super, bis auf so typische Sachen wie Naschen, Limo etc, aber da verschwende ich keine Nerven, es ist einmal im Monat. (Meine Schwiegereltern sind übrigens auch so beim Thema Zucker, aber denen nehme ich das viel weniger übel). Insgesamt mischen sie sich sonst alle nicht groß ein. Kirchliche Hochzeit haben wir nicht gemacht, Taufe wird immer mal wieder angesprochen, aber mittlerweile ist sie 2. Ich glaube, sie geben langsam auf.

Was ich eigentlich sagen will: Die Distanz hilft mir. Ich bin mehr bei mir selbst. Vlt schreibe ich aus der Klinik einen Brief. Der Hinweis Flyer von Schatten & Licht finde ich gut. Vlt lege ich den einfach bei. Sollen sie dann daraus machen was sie wollen. Ich tippe auf totschweigen. Aber besser als dumme Ratschläge.

Liebe Sternschnuppe, ich drücke dich ganz fest und freue mich, dass du so tolle Freunde und einen verständnisvollen Partner hast!

Franzi
Sternschnuppe2023
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Re: Wie geht ihr damit um?

Beitrag von Sternschnuppe2023 »

Liebe Franzi,

Wie schön, dass deine Geschwister so verständnisvoll reagiert haben :). Das tut einfach gut, wenn man sich öffnen kann und mit allem wie man ist, angenommen wird.
Schade, dass deine Eltern gegenüber psychischen Krankheiten, genau wie meine, es nicht verstehen können. Aber gut, dass du für dich eine Lösung gefunden hast, wie du mit ihnen umgehst, sodass es dir gut geht. Ich denke das wird bei mir auch erstmal zur Entspannung beitragen, wenn ich etwas auf Distanz gehe.
Auch die Idee mit dem Brief schreiben finde ich ganz toll. Man kann sich alles von der Seele schreiben und muss nicht fürchten, wie im Gespräch, dass es irgendwie aus dem Ruder läuft.

Und ja, ich bin so dankbar, dass ich einen so tollen Partner habe und auch meinen Freunden gegenüber offen damit umgehen kann.

Alles Liebe für dich 🩷
Liebe Grüße
Franzi
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Re: Wie geht ihr damit um?

Beitrag von Franzi »

Ich würde nicht sagen, dass ich schon eine Lösung gefunden habe. Bin noch nicht glücklich damit. Ich bin noch mitten im Prozess. Ich würde mich lieber mit meinem Papa mal aussprechen und alles auf 0 setzen. Aber das fällt mir extrem schwer und hoffe, dass ich da im Laufe der Therapie klarer werde. Für den Moment ist der Abstand aber auf jeden Fall gut.
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