Sinn der PPD?

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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00julchen

Sinn der PPD?

Beitrag von 00julchen »

Hi,

ich wollte mal bei euch (die es schon überstanden haben bzw. auf dem Wege der Besserung sind) nachfragen, ob die PPD für euch irgendeinen Sinn hatte?

Ich selbst sehe darin NULL Sinn.. die PPD (seit 2,5 Jahren) hat mir wichtige Jahre gestohlen, mich fett werden lassen, mich saft- und kraftlos gemacht, wichtige Freundschaften zerbrechen lassen und genaugenommen fühle ich mich jetzt (obwohl ich psychisch stabiler bin) haltlos wie noch nie.

Ich kann dem Ganzen so garnix abgewinnen und bin immernoch auf dem Weg gesund zu werden... wie oft sehe ich andere Mütter, die gesund sind, ihr Leben leben können und ich zwar wieder geistig da bin und den Tagesablauf geregelt bekomme, aber ein erfülltes Leben ist das wahrlich nicht.
Zora

Beitrag von Zora »

Hi, Julchen!

Es tut mir leid, das du immer noch so zu kämpfen hast.
Für mich persönlich war die PPD irgendwo eine wichtige "Lehrzeit". Es war zwar das Schlimmste, was mir je widerfahren ist, aber es hat mich im Nachhinein stärker gemacht und mir gezeigt, dass ich eigentlich alles schaffen kann, denn immerhin habe ich DAS überstanden.
Ich glaube auch, dass es mir schon vor der PPD nicht so ganz gut ging, aber durch die Geburt meiner Tochter kam einfach alles hoch, und alles, was vielleicht schon jahrelang auf die Seele gedrückt hat, musste mit "einem Schwall" raus. Ich glaube, ich musste erst so "tief sinken", um die Dinge wirklich in die Hand zu nehmen. Und das habe ich dann auch getan, mit allen Mitteln, die ich nur irgend an die Hand gereicht bekommen habe (Klinik, Medis, Therapie, Betreutes Wohnen, Umzug in eine schönere Umgebung, Freiräume für mich, mein Studium etc. etc.)...
Heute kann ich sagen, dass es zwar sehr sehr schlimm war, aber ich ohne diese Krankheit nicht so weit wäre, wie ich heute bin.
Ich glaube aber auch, dass einen Großteil die Medis bewirkt haben, denn mit denen ging es so richtig bergauf, und mein Gehirn konnte sich ganz allmählich wieder "normalisieren". Jetzt nehme ich von ursprünglich 5 verschiedenen Medis nur noch eins, und auch das habe ich bereits um die Hälfte reduiziert.
Ich weiß jetzt nicht, wie intensiv du es schon mit ADs versucht hast, aber wenn alles andere (Therapie usw.) bisher nichts gefruchtet hat, liegt es bei dir doch sicherlich auch am Stoffwechsel im Gehirn und würde sich vielleicht mit einer gezielten medikamentösen Einstellung verbessern lassen?
Liebe Grüße!
ubure

Beitrag von ubure »

Hallo Julchen,

im Großen und Ganzen schließe ich mich Zora an - was ich noch ergänzen möchte: ich für mich persönlich bin einfühlsamer geworden (auchh wenn sich das hier oft nicht so anhört :wink: ), ich kann die schönen Momente des Lebens erkennen und genießen. Mein Denken, das vorher oft sehr fatalistisch war, konnte ich sehr gut umstrukturieren, d.h. ich habe gelernt, jedes Störgefühl in meinem Bauch und Hirn zu analysieren, woher es eigentlich kommt, und dann eine für den Moment eine passende Lösung dafür zu finden. So sind bei mir die Angstattacken verschwunden.

Ja, eine Lehrzeit, das könnte man so sagen. Um was es mir leid tut, sind die verlorenen Jahre, in denen ich so vor mich hingewurschtelt habe und nichts erreicht, nur weil ich zu ignorant, zu stolz, zu faul, was auch immer war, professionelle Hilfe anzunehmen. Ich habe ja keine Therapie gemacht (würde ich aber in jedem Fall tun, sollte es mich wieder schwer packen), sondern "nur" Medikamente genommen, aber die haben mir extrem geholfen, selber wieder die Fäden in die Hand zu nehmen. Das ist es ja, man muss auf ein Level kommen, um selbt wieder aktiv zu werden. Das ist in einer akuten, schlechten Situation ja fast nicht zu machen.

LG,
Inez
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Melanie W.
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Sinn der PPD

Beitrag von Melanie W. »

Liebes Julchen,

es tut mir richtig leid, dass du dich so unwohl fühlst in deiner Haut!

Für mich hat die PPD im Nachhinein betrachtet auf jeden Fall ihren "Sinn" gehabt. Ich bin immer ein sehr perfektionistischer Mensch gewesen. Alles musste 150%ig klappen, was ich angefangen habe, habe ich auch gut zu Ende gebracht (selbst wenn es mir schwer fiel), ich hatte immer alles im Griff (oder glaubte zumindest, immer alles im Griff haben zu müssen). Durch die PPD ist dieser Perfektionismus erstmals in meinem Leben zusammengebrochen wie ein Kartenhaus, und dadurch ist mir bewusst geworden, was ich mir vor anderen und vor mir selbst für einen immensen Druck aufgebaut hatte. Eine systemische Familientherapeutin in der Mutter-Kind-Kur, die ich zum Ende meiner PPD gemacht habe, hat mir mal die Frage gestellt: "Warum haben Sie sich denn eine PPD ausgesucht und nicht zum Beispiel Rückenschmerzen?" Erst war ich empört über die Frage, von wegen "ausgesucht", das war doch nichts als ein ganz fieser Schicksalsschlag - aber dann ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen. Rückenschmerzen hätten meiner ewig-perfekten Maske keinen Kratzer versetzt. Klar, mit einem Baby, das man die ganze Zeit herumschleppt, kann man schon mal Rückenbeschwerden kriegen, und toll, dass ich mein Leben trotzdem super im Griff habe. Das konnte ich mir bei der PPD nicht mehr vorgaukeln, und den anderen auch nicht - viele haben auf meine PPD total erstaunt reagiert und mir gesagt, dass sie das ausgerechnet bei mir niemals für möglich gehalten hätten, eben weil ich immer diesen Alles-im-Griff-Eindruck vermittelt habe. Die PPD hat mich gelehrt, mich nicht mehr so überschätzen, mich nicht mehr so sehr unter Druck zu setzen und eher mal "mit dem Unberechenbaren zu rechnen". Und nicht zuletzt hat die PPD die Beziehung zu meinem Mann gestärkt und vertieft, weil ich jetzt weiß, dass wir auch eine schwere Krise gemeinsam durchstehen können. Und mir fällt sogar noch was ein: ich konnte die Babyzeit bei meinem zweiten Kind (die auch nicht immer nur einfach und rosig war, bei der ich aber von der PPD verschont blieb) viel bewusster genießen und wertschätzen, als das ohne vorhergegangene PPD je möglich gewesen wäre.

Julchen, meinst du, dir würde eine Gesprächstherapie vielleicht bei der Aufarbeitung deiner PPD helfen? Eventuell würde dir das helfen, einen Sinn der PPD in deinem Leben zu erkennen bzw. dich ein Stück weit mit ihr zu "versöhnen".

Viele Grüße
Melanie
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Marika
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Beitrag von Marika »

Hallo Julchen,

für mich war die PPD im Nachhinein betrachtet die größte Chance meines Lebens, krankmachende alte Verhaltensmuster zu erkennen und erfolgreich in gute umzuwandlen. Dazu bin ich heute selbstbewußt und voller Selbstliebe MIR gegenüber, wie die ganzen 33 Jahre vorher nicht.

Ich habe heute eine Lebensqualität erreicht, die schöner nicht sein könnte - klarer Weise ist die auch gespickt mit manchen nicht so tollen Tagen oder Situationen - wer hat die nicht. Aber das ist für mich heute kein Weltuntergang mehr, weil ich diesen Perfektionismus - von dem schon Melanie schreibt - und dieses "immerwährende Friede-Freude-Eierkuchen" Image abgelegt habe.

Ich habe neue Freunde gefunden und manch "alten" verloren... aber das ist gut so.

Das alles hat mir die PPD ermöglicht zu erkennen. Denn ohne diese Krankheit wäre ich nicht gezwungen gewesen, eine Therapie zu machen und alle diese "Störfelder" zu erkennen.

Liebe Grüße von
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Ava

Beitrag von Ava »

Hallo Julchen,

ich möchte mich meinen Vorschreiberinnen anschließen. Die PPD war mein ganz großer Lehrmeister. Meine Lektion hieß: sagen, wo der Schuh drückt, zu meinen Gefühlen stehen, egal, was andere davon halten, meinen Weg gehen, es nicht allen recht machen wollen, um geliebt zu werden. Ich habe begonnen, mich selbst mehr zu achten und wertzuschätzen und weniger abhängig von der Wertschätzung anderer zu sein.
Das hört sich jetzt vielleicht so an, als sei die PPD positiv. Die Gefühle während der PPD waren furchtbar, und ich habe auch sehr lange gebraucht, um die PPD so zu sehen, wie ich sie jetzt sehe. Als Lehrmeister.

Alles Gute

Ava
Suse07

Beitrag von Suse07 »

Hallo Julchen,

also die PPD selbst macht für mich soviel Sinn wie eine Pestbeule am Hintern - nämlich GAR KEINEN !!! :x

So eine unberechenbare und einfach nur bescheidene Krankheit hat meiner Meinung nach KEINER verdient ! :evil:

Allerdings kann ich etwas Positives darin sehen, was die PPD ZWANGSLÄUFIG ERZWUNGEN hat: die Auseinandersetzng mit mir Selbst, meiner Familie und meiner Art zu leben (Perfektionismus...).
DADURCH habe ich eine Persönlichkeitsentwicklung gemacht, die mich heute selbstbewusster, harmonischer, zufriedener, glücklicher, liebender ...etc. Leben läßt !!! SCHÖNER als jemals zuvor.

Aber dieses verdanke ich nicht der ollen Krankheit, sondern MIR :wink: und meiner Persönlichkeitsentwicklung !!!

Wer weiß, vielleicht wäre es ach OHNE die PPD dazu gekommen?!

LG,
Suse
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Marika
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Beitrag von Marika »

Kleiner Nachtrag noch von mir:

Ich glaube, dass jede schwere Krankheit einen Sinn hat bzw. man ihr einen Sinn abgewinnen kann: Man wird gezwungen sich mit sich selbst auseinander zu setzen und endlich auf sein Innerstes zu hören. Man muss sich gutes tun - etwas dass man in dieser hektischen Welt meist verlernt hat.

Die meisten Menschen berichten von einer enormen Persönlichkeitsentwicklung nach einer schweren Krankheit bzw. Krise und dass sie eine ganz neue Lebensqualität erreicht haben.

Genau das wünsche ich dir von Herzen, liebes Julchen!!!
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
hanna

Beitrag von hanna »

Liebes Julchen

Ich weiss nicht, ob ich sagen kann, die Krankheit hatte einen Sinn, zumindest kann ich das nicht so klar sagen, wie andere hier. Ich stelle auch keine so grossen Veränderungen in meiner Persönlichkeit fest. Ich war voher nicht perfektionistisch und ich konnte schon vorher klar meine Meinung sagen. Aber ich hatte gewisse Verhaltensweisen, mit Schwierigkeiten umzugehen, die heute anders sind. z.B. kann ich heute "besser" mit meinem Mann streiten, ich habe mehr Abstand, ich werde weniger verletzend und fühle mich auch weniger schnell verletzt. Ich hätte das natürlich lieber ohne diese Krise ebenso erreicht, ob ich das ihr "verdanke" weiss ich nicht. Ich sage auch lieber, dass ich das eher meiner Thera und mir selber verdanke, also ähnlich wie Suse.

Ich glaube auch, dass jede schwerere Krankheit einen prägt, hoffentlich meist zum positiven, und dass sie einen zwingt, Verhaltensweisen zu ändern. Ich kann allerdings verstehen, dass das einem irgendwie zynisch vorkommt, wenn es einem noch schlecht geht. so sehen kann man das wohl auch erst im Nachhinein. Und im Nachhinein kann man so auch "versöhnlicher" mit der Krankheit umgehen, momentan aber musst Du noch "dagegen" kämpfen und ich meine das ist auch das Wichtigste.

Bei meiner Thera hängt eine kleine Karte, auf der steht "Probleme sind verkleidete Möglichkeiten" und so sehe ich auch diese Krankheit (und andere schweirige Situationen). Mir hat der Spruch immer sehr gut gefallen, denn er hat mir irgendwie Hoffnung gemacht.

Alles Gute
Hanna
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