ich muß mir mal was von der Seele schreiben

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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Maike

ich muß mir mal was von der Seele schreiben

Beitrag von Maike »

Hallo,

ich habe mich hier lange nicht mehr gemeldet, denn es geht mir seit ein paar Monaten wieder gut. Dennoch liegt mir etwas auf der Seele...

Mika wird in 4 Wochen etwas 1 Jahr alt! Ich kann das gar nicht beschreiben, aber diesen Tag gehe ich mit freudigen und nachdenklichen/ängstlichen Gedanken entgegen. Ich habe Angst, dass ich an dem Tag nicht glücklich sein kann, dass vieles wieder hoch kommt und ich daran denke, was wir/ich durchgemacht habe. Ich habe Angst davor nicht gut drauf/depressiv zu sein.
Gestern hatte ich einen tiefen Punkt, es kam vieles wieder hoch und die ganzen Selbstzweifel erdrückten mich mal wieder! Meine Therapeutin hat mir damals angeboten, ihr immer zu schreiben, wenn mir danach ist...was ich gestern auch getan habe. Ich habe über die Angst von Mika´s Geburtstag geschrieben, über meinen tiefen Punkt gestern und die Angst, dass diese schlechten Tage, die man mal hat bei mir keine schlechten Tage sind, sondern diese depressive Phase noch in mir steckt...! Sie hat mir heute geantwortet und mir geschrieben, dass sie mich gerne noch einmal vor dem Geburtstag sehen möchte....! Mit dieser Antwort habe ich nicht gerechnet! Sie hat mir geschrieben, dass sie nicht hofft, dass ich mich als Versagerin fühle....ich weiß nicht, wie ich mich gerade fühle, aber ich glaube, dem kommt das schon sehr nah. OBWOHL ich glaube, dass es gut sein wird, wenn ich noch einmal hingehe!
Aber zum ersten mal in dieser ganzen Zeit habe ich Angst, dass mich in dieser Hinsicht keiner verstehen wird! Und das macht mir Angst. Mein Freund hat mir zugestimmt, dass ich da noch einmal hingehen sollte, aber er kann meine Gedanken wegen Mika´s Geburtstag nicht verstehen, weil ja alles wieder gut ist...er meinte, dass nach einem Jahr doch mal gut sein muß, gerade weil es mir ja wieder gut geht! Mika ist total knuffig und ich kann es mittlerweile genießen mit ihm zusammen durch`s Leben zu gehen. Eigentlich kann ich die Gedanken von meinem Freund schon nachvollziehen, aber ich kann meine nicht abstellen!
Ach herje, ich weiß nicht, was ich denken soll...ich komme mir gerade voll doof vor....!
Ich fange im Oktober wieder an zu arbeiten (ich bewerbe mich zur Zeit). Vielleicht ist das gar nicht so schlecht, wenn ich noch eine andere Aufgabe wieder habe neben dem Mama-dasein! Dass ich das Gefühl habe wieder ein geregeltes Leben zu haben.

Ich glaube, ich habe ganz schön wirrwar geschrieben, ich hoffe, Ihr konntet mir trotzdem folgen und habt ein paar Worte für mich:-)!

LG Maike mit Mika (*08.10.2007)
Carolin

Beitrag von Carolin »

hey du,

mir ging es auch so. ich war zum 1. geburtstag noch nicht wieder gesund, bin es heute leider auch noch nicht, aber als es auf den tag zuging wurde ich richtig ängstlich. versuche es anders zu deuten. dir geht es ja eigentlich wieder gut. du hast aber angst weil der tag dein leben veränderte. versuche zu denken das es jetzt zu deinem leben dazugehört und das du es aber gesschafft hat. so nach dem motto:

man,das war ne harte beschissene zeit, aber es WAR!!!!
JETZT geht es mir wieder gut. und es ist auch nicht schlimm wenn du an dem tag traurig bist. es war ja auch wirklich schlimm.

vielen menschen geht es so wenn es auf den todesjahrestag eines geliebten menchen zugeht, oder wenn eine andere schlimme sache passiert ist. das ist normal. ist vielleicht ein blöder vergleich, du verstehst hoffentlich was ich damit sagen wollte.
die erinnerungen sind da und kommen von zeit zu zeit noch hoch. deine seele ist noch zu verletzt. es dauert seine zeit bis die wunden heilen.
kommt zeit, kommt rat und die zeit heilt alle wunden.
es ist ja grad nen jahr her. ich leide seit 19 monaten. ich nähere mich dem 2. geburtstag. manche leiden 3 oder noch mehr jahre täglich.

sieh es nicht als angst davor an dem tag depressiv zu sein. seh es als verarbeitungsprozess.

mein noah war eine frühgeburt. wenn ich nur irgendwo die geräusche der geräte vom inkubator höre wird mir schlecht, wenn ich die bilder sehe wird mir schlecht usw.
irgendwann werde ich da vernünftig drüber reden können, irgendwann ist es verarbeitet. und bei dir wird es auch so sein.

es braucht halt eben.
du darfst an diesem tag auch mal traurig sein. erfreu dich daran deinen sohn zu haben. aber du darfst auch ruhig traurig sein.

ich hoffe das ich dir etwas helfen konnte.

und versuch nicht die gefühle zu unterdrücken, dann richtest du sie innerlich gegen dich und das ist nicht gut. lass sie raus.

lieben gruß, carolin
Nora

Beitrag von Nora »

Liebe Maike,

ich verstehe genau was Du meinst! Die PPD fing bei mir direkt nach der Geburt meines Sohnes an. als dann der 1. Geburtstag vor der Tür stand, war ich auch sehr verwirrt und in gedrückter Stimmung. Ich habe damals hier auch geschrieben deswegen. Es ist aber normal, dass sich an so manchem Jahrestag Erinnerungen einschleichen, die einen nachdenklich machen. Auch ich hatte Angst, dass mir ein großes Tief bevorsteht, aber soll ich Dir was sagen: es ging mir an diesem Tag gut.
Es gehört zum Verarbeitungsprozess, dass man sich vor solchen Ereignissen natürlich fürchtet, denn schließlich waren sie ein ganz einschneidendes Erlebnis im Leben und haben viel verändert.
Hab keine Angst vor Deinen Gefühlen - das ist normal. Und das Dein Freund das nicht so nachvollziehen kann ist verständlich. Er ist nicht dadurch gegangen gegangen und kennt die Gefühle und Ängst nicht, die Du durchgemacht hast. Für meinen Mann war es auch nicht verständlich, denn er war auch der Meinung, es geht mir doch gut und das alles ist vorbei. Aber es braucht Zeit, das alles zu verarbeiten. Gib Dir die Zeit und laß alle Gefühle zu - es ist ein Teil von Dir und gehört zum Heilungsprozess dazu.

Viele Grüße
Nora
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Marika
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Beitrag von Marika »

Hallo Maike!

Auch ich habe den 1. Geburtstag von Noah damals mit gemischten und ängstlichen Gefühlen erwartet. Wie die Mädels vor mir geschrieben haben, ist das absolut normal, wenn man durch die PPD Hölle gegangen ist. Ich glaube, dass es den meisten Mamas hier so geht. Und es gehört tatsächlich zum Verarbeiten dazu.

Diese Krankheit (wie jede andere schwere Krankheit auch) hinterläßt ihre Spuren und wir werden sie nie vergessen. Der erste Geburtstag ist da meist so ein "Meilenstein". Lass ruhig deine Gefühle zu, auch gesunde Mamas werden oft irgendwie wehmütig, wenn sich der Geburtstag ihres Kindes nähert. Erkläre vielleicht deinem Freund, dass deine Gefühle wirklich zur Verarbeitung der PPD dazu gehören, auch wenn es dir heute wieder gut geht. Die Erinnerung der PPD wird uns immer begleiten, bei dir jetzt noch in ängstlicher Erwartung, aber das wird mit der Zeit besser.

Ich finde es auch wichtig, dass man - gerade an solchen Tagen - über die Krankheit reden kann, mit deinem Mann z.B. und es nicht verdrängt. Ich rede heute noch darüber, wenn sich so ein "Tag" nähert, mit dem Unterschied, dass ich heute keine Angst mehr habe, dass die Depression nocheinmal kommt. Sehr wohl aber habe ich noch diese Gefühle von damals in meinem Herzen und kann mich sehr genau an diese schreckliche Zeit erinnern. Das darf auch so sein, nur mit der Zeit wirst du das ganze mit genügend Abstand betrachten können. Dass du das jetzt am ersten Geburtstag noch nicht kannst, ist absolut normal.

Wenn dein Freund meint "nach einem Jahr sollte es mal gut sein", dann irrt er sich sehr, ist aber verständlich, denn er mußte diese Hölle nicht erleben. Das erlebte einer PPD zu verarbeiten dauert seine Zeit - bei mir waren es 2,5 Jahre, bis ich sagen konnte, jetzt habe ich es wirklich komplett gepackt. Es gibt da keine Zeitangaben, nach denen man gehen kann - jede Frau hat ihre individuelle Genesungszeit. Auch wenn das ärgste vorbei ist wie bei dir, dürfen und müssen solche Gefühle wie deine jetzt dazu gehören - sie dienen zum "Heil werden" deiner Seele!

Viele liebe Grüße von
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Maike

Beitrag von Maike »

Hallo Ihr Lieben,

vielen Danke für Eure Worte. Sie haben mir wirklich geholfen! Ich kann jetzt auch den baldigen Besuch bei meiner Therapeutin anders entgegen sehen und mich nicht schlecht dabei fühlen.
Als sie mir das gestern geschrieben hat, dass sie mich vor dem ersten Geburtstag noch einmal sehen möchte, dachte ich für einen kurzen Moment, dass ich mir meine Besserung/wieder gut fühlen nur eingeredet habe und wirklich versagt habe. Heute denke ich anders drüber..:-)!
Auch sie hat mir geschrieben, dass sie meine Angst als gesunden Prozess sieht!
Es ist schon komisch, aber wenn man denkt, es geht einem wieder gut, dann fühlt man sich schon doof, wenn man irgendwie wieder solche Gedanken bekommt. Aber ihr habt recht, die Zeit heilt wunden und es wird ganz bestimmt von mal zu mal besser! Und der erste Geburtstag ist ja nun mal wirklich ein "Meilenstein"...! Anderen, denen es von Anfang an gut ging, denken sicherlich auch an die Geburt und die Zeit zurück, nur mit dem Unterschied, dass sie natürlich nur gute Erinnerungen haben.

Mein Freund hat selber zu mir gesagt, dass er das nicht verstehen kann wie alles andere in der letzten Zeit, WEIL er sich da nicht rein versetzen kann, wie es wohl jedem GESUNDEN schwer fällt!

Aber dennoch habe ich ein wenig Angst, mit dieser Angst offen um zugehen..offen in dem Sinne, dass ich es meinen Freunden/Familie erzähle, wie ich es die ganze Zeit gemacht habe! Weil ich Angst habe nicht verstanden zu werden...!

LG
Sufferingmommy

Beitrag von Sufferingmommy »

Hallo Maike

den tag vor emily's 1. Geburtstag bin ich in Traenen ausgebrochen und habe geheult ohne ende. Mein Mann hat mich genauso wenig verstanden wie Dein Freund. ABER er hat mich gebeten meine damalige Thera anzurufen und Sie hat gesagt ich solle gleich zu ihr kommen. Lese mal hier http://www.schatten-und-licht.de/forum2 ... ght=steffy

Ich hoffe das hilft ein Wenig. Emily hat bald ihren 4. geburtstag. Ich glaube jede mutter hat ein wenig schiss vor dem Geburtstag ihrer kinder. Es will mir auch net so in den kopf rein das meine kleine bald 4 wird. Die Zeit vergeht einfach so schnell.

lg

Steffy
Maike

Beitrag von Maike »

Hallo Steffi,

ich habe mir Deinen Beitrag dazu durchgelesen und es hat mir weiter geholfen....denn es bestätigt mich wieder, dass es normal ist, so darüber zu denken. Am 30. habe ich den Termin bei meiner Therapeutin, ich hoffe, das Gespräch stärkt mich auch noch ein wenig!
Vielleicht sollte ich mir gar nicht so viele Gedanken machen...aber das ist leichter gesagt als getan.

Heut hat meine Freundin ihren kleinen Sohn bekommen...es kommt doch alles wieder hoch, auch wenn es abgeschwächt ist. Ich hoffe eigentlich ganz doll, dass ich sie im Krankenhaus besuchen kann. In dem Krankenhaus war ich auch...und ich möchte einfach wissen, wie ich damit umgehen kann an dem Ort zu sein, wo es anfing und doch eigentlich alles toll sein sollte (Mika lag auf der Intensiv wegen einer Infektion)! Im Mai, als meine andere Freundin ihre Tochter bekommen hat, war es schwer für mich...hoffe, dass es mir nun ein wenig leichter fällt....:-)!

LG Maike
gummibaer

Beitrag von gummibaer »

Liebe Maike,

auch ich kann nur zu gut nachvollziehen, wie es Dir so kurz vor dem 1. Geburtstag geht – das war für mich eine Horrorzeit (siehe meine Kommentare im Link von Steffy). Ich bin dann doch noch wieder in die Klinik, weil ichs zu Hause nicht gepackt hab und war dann nochmal für 4 Monate dort. Das lag allerdings nicht nur am Geburtstag, das war nur quasi der letzte Anstoss, den ich brauchte, um zu merken, dass ich in der Klinik besser aufgehoben bin. Den 2. Geburtstag hab ich dann mehr oder weniger ganz untern Tisch fallen lassen (hab ganz normal gearbeitet und mein Mann hat sich um die Kleine gekümmert), der 3. Geburtstag ging fast ohne Tränen meinerseits ab und jetzt steht schon der 4. Geburtstag vor der Tür.

Aber Dir geht es jetzt ja eigentlich schon wieder besser, was bei mir damals halt nicht der Fall war, von daher denke ich Du wirst das gut meistern. Du bist eine starke Frau (wenn Du es sogar wagen willst, an den Ort wo alles begann zurückzukehren – Hut ab) und Du bist auf einem guten Weg und brauchst meiner Meinung nach keine Angst vor einem erneuten "Absturz" zu haben.

Liebe Grüsse
Sanne
Maike

Beitrag von Maike »

Hallo Sanne,

morgen besuche ich meine Freundin im Krankenhaus...ich bin schon sehr gespannt und vielleicht auch ein wenig ängstlich...! Meine Therapeutin hat mir damals gesagt, dass es gut ist, wenn ich meine Freundinnen im Krankenhaus besuchen gehe und ich denke auch, dass es gut ist...auf Konfrontationskurs:-)! Ich muß aber dazu sagen, dass ich garantiert eine abgeschwächte Form der Depression hatte. Hatte keinen Klinikaufenthalt und auch kaum Tabletten genommen. Und mir geht es seit einiger Zeit auch wieder recht gut, abgesehen vor den Horror vor Mika´s Geburstag...! Aber da muß ich durch und wer weiß, vielleicht wird es ja wirklich nicht schlimm und ich kann den großen Tag von unserem kleinen Mika genießen (auch, wenn er davon ja eigentlich nichts mitbekommt)! Und vorher gehe ich ja auch noch zu meiner Therapeutin....klappt schon irgendwie:-)!

LG Maike
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