Ich habe es anders erlebt

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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valentina

Ich habe es anders erlebt

Beitrag von valentina »

Hallo zusammen
In einem der letzten Beiträge hat Biggi über ihre Gefühle geschrieben, und dass sie ja auch vor der PPD nicht immer nur gute Tage gehabt hat, und all diese schlechten Gefühle auch im "Normalzustand" dasein können.
Ich habe es nicht so erlebt. Klar habe ich auch mal schlechte Tage, bin müde, mürrisch oder gereizt. Das nenne ich aber eine kleinere Verstimmung. Aber während der schlimmsten Phase der PPD hatte ich Gefühle, die ich noch nie zuvor gehabt habe. Ich konnte diese Gefühle auch zuerst nicht richtig einorden. Es war für mich ein Grauen, nicht nur Ängstlichkeit oder Widerwille. Da kamen Gefühle hoch, von denen ich gar nicht gewusst habe, dass es sie gibt. Eine solch lähmende Angst, ständige Adrenalinstösse, eine furchtbare innere Unruhe. Ich konnte mich überhaupt nicht mehr entspannen. Es war einfach fast nicht zum Aushalten. Hat das jemand anderes auch auf diese Art erlebt?
"Ich könnte dem den Hals umdrehen", das sagt man vielleicht mal so, aber das ist nicht im Entferntesten so gemeint. Aber während meiner PPD
hatte ich Angst durchzudrehen und die Kontrolle zu verlieren und echte Angst irgend etwas zu tun, das meinen Kindern schaden könnte.
Ich habe heute auch noch kleine Tiefs, aber die laufen wirklich unter Verstimmung und sind nicht zu vergleichen mit den kohlrabenschwarzen Tiefs, die ich früher hatte. Ich wünsche allen Frauen, die noch in der schlimmen Phase stecken, dass es ihnen bald besser geht! Liebe Grüsse Valentina
nicki2605

Beitrag von nicki2605 »

Hallo Valentina,

ich denke ähnlich. Vor der Geburt meines Kindes hatte ich, wie schon in einem anderen Beitrag geschrieben mit Depris und Angst- und Panik zu tun (bis heute, buchstäblich heute...). Seit der Hochzeit und dann der Geburt bzw. Schwangerschaft fing es bei mir jed.in neuen Dimensionen an u.a. auch die blödesten ZG, sind mir leider bis heute erhalten geblieben. Damals in der Klinik hatte ich solche Angst, mit dem Kind nach Hause zu gehen, sowas hatte ich vorher noch nie erlebt, fast unbeschreiblich, zumal ich bis dahin doch soviel geschafft hatte. Das jedoch schien für mich eine fast unüberwindbare Hürde!
Trotz dass ich im Moment zu hause bin, wächst mir immer wider oft vieles über den Kopf und ich denke ich drehe durch. Vor kurzem war ich bei einer kinderpsychol. Beratungsstelle, da mit meinem Sohn auch nicht alles so läuft, wie ich mir das wünsche(viell. stelle ich auch oft zu hohe Anforderungen an meine Umwelt..) Die Psychologin sagte, nachd. sie sich auch mein Problem angehört hatte, dass Heirat und Kinder kriegen GROßE Einschnitte im Leben sind. Ich glaube, dass habe ich unterschätzt!( Die erste Panikatt. trat einen Monat nach unserer Hochzeit auf....)
Das ganze ist fast 6J. her, die Geburt 4J., aber ich kämpfe bis heute mit den Problemen und will sie nun verstärkt angehen, mir reicht es langsam, allein wirds nicht.
Ich habe, schneller als gedacht, schon nächste Woche das erste Diagnosegespräch, was hoffentl. auch Beginn einer Therapie sein wird...

Wie hast Du Deine Probleme meistern können?

Liebe Grüße

Nicki
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Marika
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Beitrag von Marika »

Hallo Valentina!

Auch ich habe in meiner schwersten PPD Phase Gefühle und Ängste erlebt, die ich nie zuvor gekannt habe. Als dann die ZG anfingen, war ich gelähmt vor Angst, Abscheu gegen mich selber und war überzeugt den Verstand zu verlieren.

Ich glaube Biggi hat eher die Phase der PPD gemeint, in der es leichter wird und man stabiler ist. Wenn es dann da negative Gefühle oder Stimmungen gibt, sollte man sie nicht zwangsläufig auf die PPD zurückführen, sondern sich vor Augen halten, dass so was auch vor der PPD auftrat. Also wenn man z.B. mal an einem Tag überfordert ist - gut - war ich im Job auch ab und an mal und hatte keine PPD.

Aber all das, was ich oben beschrieben habe, gehört leider in die Kategorie "schwere PPD" und ist auch für mich reinste Hölle gewesen. Nie mehr möchte ich sowas erfahren müssen. Ich dachte, mein Leben ist zu Ende, ich betete zu Gott, er möge mich einfach tot umfallen lassen und meine Familie von mir erlösen.

Und trotz allem - die PPD hatte ihr Gutes! Sie zwang mich, mich und mein Leben anzuschauen und was zu ändern. Das habe ich getan und ich bin ein neuer Mensch geworden - das sagen alle die mich kennen!

Viele liebe Grüße
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
susi69

Beitrag von susi69 »

Hallo Valentina,

all dem kann ich auch beipflichten. Solche Gedanken sind ja auch ganz normal und gehören zum Leben dazu. All der Haß, Neid und Wut sind vielleicht auch wichtig? Aber in unserem "Angstzustand" kommt man sich wie ein schlechter Mensch vor.

Mir geht es zum Beispiel so - und ich komme z.Z. überhaupt nicht damit klar, weil ich es so gar nicht einordnen kann (geht mir im Moment besch....): Unsere Nachbarin bekommt ein Baby. Ok ist ja ganz normal. Jetzt hatte sie eine Kiste mit Babyzeugs vor der Haustüre stehen. Plötzlich gab es mir einen Stich (so ein Gefühl wie vor Angst erschrecken) und ich war voll neidisch und mit Haß belegt.
Oder anderes Beispiel: Unser anderer Nachbar wird nächste Woche 50. Zu runden Geburtstagen feiern wir immer zusammen. Gestern sagte sie zu mir, daß wir doch einen Tag später kommen sollen und nicht den gleichen Tag, wenn sie die große Feier machen. DA bekam ich auch wieder so einen "Stich" wie erschrecken und ich war neidisch auf alle anderen Gäste. Ich hatte in beiden Situaionen eine verdammte Angst, fast panisch, weil ich dachte wie kann ich so einen Neid haben. Ist ja eigentlich keine große Sache und es kann ja auch niemand was dafür. Ich hatte das Gefühl, als stände jemand vor mir kleinem Mädchen und sagt "Du nciht" und ich bin ohnmächtig und kann mich nciht wehren.
Vielleicht kennt ja noch jemand anderes solche Gefühle.

Das mit den ständigen Adrenalinstößen, der inneren Unruhe das kenne ich auch. Man ist in ständiger Anspannung, kurz vorm Hyperventilieren. Ich erkläre das den Leuten dann immer so: Du stehst vor Deiner Examenprüfung und hast fürchterlich Angst vor der Prüfung. Kannst die ganze Nacht nicht schlafen und mußt nur an die dämliche Prüfung denken. Kriegst bis dahin keinen klaren Gedanken auf die Reihe und bist nur aufgeregt. Kannst Dich mit nichts ablenken. Jeder der Dich anquatscht stört eigentlich nur.

Was bei mir aber besser geworden ist.... ich kann halt wieder mal sagen: "Ich könnt die erschlagen oder den Hals umdrehen...." weil es ist nicht so gemeint, wie Du schon sagst.

Nimmst Du irgendwelche Mediis?


Liebe Grüße
Susi
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Marika
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Beitrag von Marika »

Hallo - ich nochmal,

@ Susi: das mit der Prüfungsanst kann ich absolut bestätigen - genau so hat es sich bei mir auch angefühlt!!!! Und genau so habe ich es auch immer meinen Mitmenschen versucht zu erklären.

Es ist ein absolut scheußliches und lähmendes Gefühl - aber es geht wieder weg!!!! Ganz sicher!

Liebe Grüße
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
valentina

Beitrag von valentina »

Hallo zusammen
Vielen Dank für eure Antworten. Es tut wirklich gut, wenn man einmal verstanden wird. Und das kann wirklich nur jemand, der so etwas selbst schon durchgemacht hat.
Marika, was du geschrieben hast , dass du am liebsten tot umgefallen wärst, damit deine Familie von dir erlöst wäre, genau den gleichen Gedanken hatte ich damals auch ständig. Es ist seltsam aber doch auf eine Art wieder beruhigend, wie ähnlich man viele Dinge empfindet während dieser Krankheit. Auch das mit der "Prüfungsangst" ist so ein Symptom, man kann das jemand anderem einfach nicht richtig erklären.
Ich wünsche allen viele gute Gefühle ! Valentina
sunshine

Beitrag von sunshine »

Hallo Valentina,

ich kann nur sagen, dass ich mich zu keinem Zeitpunkt in meinem Leben, egal wie sehr ich gehasst habe, wie egoistisch war, wiesehr ich auch unter Stress stand, keines dieser Gefühle war annähernd sosehr die Hölle wie es jetzt mit dieser Depression ist.

Oft fühle ich mich körperlich krank, wie grippig, mein Bewusstsein scheint irgendwie hypersensibel zu sein, oder ich komm mir wie betäubt vor, oder beides zusammen.
Oft, wenn ich in unserer Wohnung den Gang lang gehe, denk ich mir, wie komisch das doch ist, dass ich durch diese zwei Höhlen, die sich Augen nennen durchsehe, ich fühle mich so unreal, weisst du was ich meine???

Ist total schwierig zu beschreiben. Auch hatte ich schonmal Platzangst in mir selber, nämlich hat mir eine Freundin die Wimpern gefärbt, da darf man ja die Augen nicht öffnen, ich fühlte mich voll gefangen - in mir!!!!!!

Es ist schrecklich und kaum zu beschreiben, ich wünsche es niemanden sowas durchmachen zu müssen.

Viele hier schreiben auch, sie fühlen sich von Zeit zu Zeit wieder mal "wie früher", also auch das kann ich leider nicht von mir behaupten...

Seit ich diese Hölle erlebe, war kein Tag mehr wie früher - ungelogen...

Sehr traurig das alles, aber trotzdem werden wir es durchstehen - glaube mir!!!

Jetzt hab ich wieder etwas Frust ablassen können, tut das gut!!!!!

Alles Liebe,
Christine
valentina

Beitrag von valentina »

Hallo Christine
Ja, das tönt ganz so wie es bei mir war. Ich fühlte mich keinen einzigen Tag während der Depression auch nur annähernd gut. Und auch das Unreale kenne ich gut. Manchmal wars, als ob ich den Kopf voller Watte hätte. Ich habe mich fälschlicherweise viel zu lange gegen AD gewehrt, weil ich falsch informiert war. Meine Mutter hat sich sehr dagegen ausgesprochen und sagte mir, dass die AD die Psyche verändern. Ich hatte schon so viel Angst vor mir selber, dass ich mich nicht traute, Medis zu nehmen, die mich noch mehr verändern. Als ich mich dann nach fünf Monaten dazu durchrang, weil es mir immer schlechter ging, und die Medikamente dann auch endlich wirkten, war genau das Gegenteil der Fall. Ich fühlte mich endlich wieder einmal annähernd wie ich selbst. Ich bin so wütend, dass immer die Leute dreinreden, die keine Ahnung hat, von der ganzen Sache. Dieses Forum ist wirklich eine grosse Hilfe, damit man sieht, dass es vielen anderen auch so geht und man nicht auf dem besten Weg ist wahnsinnig zu werden. Bei dir hats auch lange gedauert, oder habe ich das falsch mitbekommen? Nützen deine Medikamente nichts? Ich wünsche dir alles Liebe ! Valentina
meiki

Beitrag von meiki »

Hallo an meine Vorrednerinnen!

Eure Zeilen finde ich total gut. Irgendwie erleben wir die PPD-Gefühlswelt unterschiedlich, aber irgendwie auch wieder so gleich, daß wir, glaube ich, uns gegenseitig verstehen. Es ist ein gemeinsamer Nenner da. (Das ist es, was Außenstehende nicht können).

Übermorgen habe ich drei meiner Freundinnen eingeladen; die, die mir am wichtigsten sind. Ich habe vor, ihnen zu sagen, was mit mir los ist. Ich bin immer wieder sehr unsicher, ob ich es tun soll - ich tu mir schwer damit, was von mir preiszugeben. Auch habe ich Angst, daß "es" die Runde machen könnte und unser Örtchen ist klein ...
Aber ich möchte nicht, daß in irgeneiner Art und Weise Mißverständnisse entstehen und ich möchte diese Frauen nicht verlieren. Eure Zeilen helfen mir auch, meinen Kopf zu ordnen

Danke!!

@ Susi: Diese "Stiche" von denen du schreibst und diese Gefühle von Neid und Haß kenne ich auch. Das Gefühl, z.B. nicht dabei sein zu dürfen, ausgeschlossen zu werden. Ist gar nicht so, aber ich erlebe es so. Ich habe sowas phasenweise mehrmals am Tag, manchmal durchgehend, weil mich die Gedanken dann nicht mehr loslassen. Sie fressen mich auf. Manchmal glaube ich, daß man mir diese negativen Gedanken ansieht oder das ich sie ausstrahle oder so. Hast du das gemeint?

meiki
susi69

Beitrag von susi69 »

Hallo meiki,

ich galube schon, daß wir das Gleiche meinen. Vor meiner jetzigen Situation hatte ich auch Neid oder Haß. Z.B. meine Freundin hat größere Brüste als ich oder ist hübscher als ich...ja da habe ich mir gesagt na und ich habe dafür das oder jenes. Kein Problem.
In der jetzigen Situation macht mich das fertig. Ich habe einfach Angst vor diesen Gedanken, weil ich so ein blödes Gefühl wie Rache in mir spüre. Ich kann das nciht so richtig beschreiben. Aber mir fällt gerade Rache ein. Das kommt, meine ich jedenfalls, acuh aus der Kindheit. Das Gefühl nicht geliebt zu sein, verlassen zu werden, nicht beachtet zu werden von anderen, ausgeschlossen zu sein - mangelndes Selbstwertgefühl. Und mit der Angststörung macht uns das halt furchtbare Angst.

Ich habe noch ein Bsp.: Vor einer Weile im Sport - unser Trainer mag meine Freundin schon mehr wie mich, bzw. findet sie wohl attraktiver wie mich. Das ist unbestritten. Ja eigentlich kein Problem. Ich kann ja nun mal nicht jedem gefallen.... Nun er lächelte sie so süß an und schaute die ganze Zeit an mir vorbei. Ich bekam wieder so einen Stich - ich bin auch noch da, Hallo? Der mag mich nicht! Immer die! In dem Moment hatte ich Angst vor mir selber, wenn ich nun wie eine Irre aus Frust oder um Aufmerksamkeit zu erregen ein Massaker anrichte...... Am liebsten wäre ich gegangen! Diese blöden ZG halt wieder. Mehr nicht. Ist doch eigentlich so einfach.

Meinst Du auch solche Gefühle?

Liebe Grüße
Susi
meiki

Beitrag von meiki »

Hallo Susi,

genau diese Gefühle meine ich.
Ein Bsp. meinerseits: Ich kriege mit, wie die eine Nachbarin die andere einlädt. Warum ich nicht? Was ist mit meiner Familie, das die uns nicht auch mal einladen? Die Vernunft sagt mir, daß es halt mal so ist - wir zwei Familien können aus ganz bestimmten Gründen einfach nicht miteinander. Aber grade vor ein paar Tagen war z.B. bei uns die eine Familie zum Abendessen. Also, ist ja alles ganz normal. Nur bei mir nicht. Ich habe Gedanken wie "Ausgeschlossensein, Mobbing, Verschwörung".
So ähnliches in meinem Freundeskreis: Ja, sollen denn alle auf Kino, Skifahren, Essengehen, verzichten, nur weil ich momentan wegen dem Baby nicht kann?? Jaaaa denke ich .. Und das wird dann weitergesponnen etc.
Schwer auszuhalten. Das Resultat ist: Ich ziehe mich zurück, weil ich ja so ausgegrenzt werde - die werden es schon noch lernen. ...

Das mit der Kindheit kann ich mir auch vorstellen, muß aber noch drüber nachdenken. Ich bin die Älteste von drei Kindern - jetzt habe ich auch drei Kinder. Ganz oft denke ich, daß gerade diese Zahl falsch und nicht richtig ist. Einer ist das "fünfte Rad am Wagen."

Oh Mann ...

meiki
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