An alle mit Angststörung

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

Moderator: Moderatoren

Antworten
susi69

An alle mit Angststörung

Beitrag von susi69 »

Hallo Ihr Lieben,

ich habe ein bissl` nachgedacht über die Angststörung, um es wieder ein Stückchen weiter begreifen zu können.

Die Gedanken und Gefühlszustände die wir jetzt haben, haben wir sonst ja auch. Nur das sie uns im Moment verstärkt belasten, weil das Empfinden der Angst gestört ist. Die Angst ist im Übermaß da, wie z.B. bei einem Bluthochdruckpatienten. Der nimmt dann ein Mittel zum Senken, bzw. bemüht sich um ein gesünderes Leben. Genauso müssten wir das auch tun. Der chemische Prozeß im Gehirn stimmt bei uns nicht. Also müßten wir ein Medi nehmen, um das wieder ins Gleichgewicht zu bringen und uns bemühen diese Gedanken als ? - ja normal - abzutun (man hat ja auch vor ganz banalen Dingen Angst). Und die ganz schlimmen ZG jemanden etwas anzutun sind der größte Unsinn, weil man es nie tun wird! Das Unterbewußtsein sucht sich leider immer das ärgste - das absolut Gegensätzlichste - aus, das was uns am meisten auf der Welt weh tun würde - unser Kind zu verlieren und das noch verursacht durch uns selbst - schrecklich.

Eigentlich ganz einfach......... puh, wenn es doch so einfach wäre. Manchmal glaub ich nicht wirklich an das, was ich so schreibe. Aber ist doch trotzdem logisch? Oder?

Liebe Grüße
Eure Susi

PS. Komm` mir manchmal wie ein "Erklärbär" für mich selbst vor........
susi69

Beitrag von susi69 »

Mir ist noch was eingefallen................

Wir müssen das als ganz normale Krankheit sehen - wie, um bei dem Beispiel zu bleiben - Bluthochdruck.

Vieles ist Veranlagung. So neigen wir zur Überängstlichkeit. Einiges angeboren und einiges im Laufe des Lebens angeeignet. Manche sind als Kinder auch mal allein aufgewacht und niemand war da. Denen hat es nichts ausgemacht, nur uns Überängstliche hat das schon einen Knacks gegeben. Wie der mit Bluthochdruck, der schon die Veranlagung hatte, hat sein Leben lang immer schon gern fett gegessen und kann es nicht so einfach ändern, sondern muß umdenken, wie wir auch lernen müssen nicht so ängstlich zu sein. Und dann gab es bei uns - so war es bei mir - ein Erlebnis, welches uns in eine totale Paniksituation trieb (aufgebaut auf den Situationen im Laufe des Lebens, in denen wir Angst hatten) und schon ist die Störung perfekt. Und muß bei dem Einen mit Medis wieder ins Gleichgewicht gebracht werden und bei dem Anderen nicht.
In einer Therapie müssen wir lernen, angstauslösende Situationen (die ja eigentlich banal sind) richtig einzuschätzen. Und um noch mal auf den mit dem Bluthochdruck zu kommen. Der lernt halt in einer "Therapie" gesünder zu leben.... oder wenns nicht hilft, weil es so nicht weg geht oder sein Leben arg beeinträchtigt, nimmt der halt auch ein Medi.

Ihr Lieben, ich kann das Geschriebene selbst auch nur verstehen, wenn Momente da sind, in denen es mir gut geht.

Danke fürs Zuhören.

Liebe Grüße
Eure Susi
Benutzeravatar
Marika
power user
Beiträge: 9998
Registriert: 04:06:2005 16:05

Beitrag von Marika »

Liebe Susi!

Was du schreibst ist ganz richtig - siehst du, du kommst schon ein paar Schritte vorwärts.

Ich dem ganzen nur beipflichten. Die PPD ist eine Krankheit, das sind nicht "Wir" und diese ist heilbar - mit verschiedenen Mitteln bzw. Methoden. Und jede von uns muss für sich herausfinden, was ihr am besten hilft.

Was ich jetzt grad angefangen habe sind, positive Leitsätze auf einen Zettel zu schreiben und er hängt in der Küche wo ich immer drauf schaue. Da steht z.B. auch: Meine Handlungen sind gut - das genaue Gegenteil von meinen ZG. oder auch: Ich lasse die ZG kommen und gehen - sie sind nicht wichtig. Mir hilft das sehr, um meine "CD im Gehirn" richtig zu "brennen"... ;-)

Alles Liebe
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Sas

Beitrag von Sas »

Hallo Susi,

Das Du das zumindest theoretisch verstanden hast ist der erste Schritt auf dem richtigen Weg. Ich weiß wie schwer die Umsetzung ist. ich habe diese Krankheit jetzt seit fast 18 Monaten und es beutelt mich hin und wieder immer noch. Du schaffst es!

Saskia
Carlotta

Beitrag von Carlotta »

Hi Susi,
genauso ist es. Ich habe das ganze ja von meiner Mutter sozusagen "vererbt" bekommen, was jetzt für mich aber nicht heissen muss, dass ich das nie mehr loswerde. Mein Thera weist mich immer wieder auf meine guten Eigenschaften hin, die so ganz anders als die meiner Mutter sind: Risikofreude, Kreativität, Lebenslust. Das muss man der Angst einfach entgegensetzen und je mehr gute Momente man erlebt, desto mehr geht die Angst. Ich bin auch schon 18 Monate am Lernen, rausfinden, was mir gut tut, neue Ziele stecken. Die Angst hat ja auch was gutes, sie weist uns auf Defizite hin, zeigt uns Lernschritte, was wir tun müssen, damit es uns wieder besser geht. Ich habe mitterweile auch eine mehr theoretische Einstellung zu meinen "Krankheiten". Ich bin nämlich nicht krank, sonst wäre ich in den letzten 18 monaten wohl schon umgefallen, gestorben etc. Liebe Susi, versuche ruhig weiter, alles zu analysieren, das nimmt der Angst den Schrecken. LG Charlotte
Patricia

Beitrag von Patricia »

Liebe Susi,

als ich Deine Worte eben las dachte ich: Du hast meine Gedanken in Worte gefasst. Ich denke auch ständig über solche Dinge nach.

Ich habe eine Postpartale Psychose aber ich habe wohl eben auch eine Angststörung sowie schreckliche Zwangsgedanken.

Du hast recht, ich würde niemals nimmer nicht meinem über alles geliebtem Baby auch nur ein Haar krümmen aber diese widerlichen Gedanken kommen und quälen mich. Zudem die Ängste es passiert jemandem was und dann dieses: "wenn Du jetzt nicht das Glas austrinkst stirbt ein geliebter Mensch"

Ich hatte schon immer ein paar schlechte Gedanken und schon immer eine gewisse Angst dass meinen geliebten MEnschen etwas geschiet doch ich habe mich nur am Rande damit beschäftigt nun ist es der Hauptbestandteil meiner Gedanken.

Ich hoffe so sehr dass wir bald damit wieder ganz normal leben können, dass wir diese verdammte Angst und die ZG im Griff haben und nicht umgekehrt!
valentina

Beitrag von valentina »

Hallo Susi
Eigentlich war es genau das, was mir auch immer Angst eingejagt hat. Theoretisch konnte ich ganz genau erklären was abläuft. Aber ich konnte überhaupt nichts dagegen machen. Ich dachte, wenn ich abends wieder einmal eine etwas bessere Phase hatte - morgen fällst du nicht wieder in ein Loch, lässt die Gedanken nicht immer um das Gleiche kreisen und lenkst dich irgendwie ab. - Aber am anderen Tag fiel ich in genau das gleiche Loch und meine Gedanken kreisten immer um das Gleiche. Ich fragte mich manchmal, was habe ich eigenglich früher so den ganzen Tag gedacht?
Man beobachtet sich natürlich auch viel genauer, weil man sich nicht mehr richtig kennt. Weil diese Krankheit mit einem macht was sie will. Und dann erschrickt man über seine Gedanken und was mich auch runtergezogen hat war, dass ich vor mir selbst nie sagen konnte, nein, so etwas würdest du nie tun. Ich konnte mir nicht die hundertprozentige Gewissheit geben.
Ich konnte mir selber nicht mehr vertrauen.
Ich finde diese Krankheit so gemein. Sie trifft einen in einem Moment. wo man es schon überhaupt nicht gebrauchen kann, weil man doch seine Kraft eigentlich für sein Baby brauchen würde.
Das einzig positive ist, dass es irgend einmal vorbei ist. Viel Kraft für alle! Valentina
Benutzeravatar
Marika
power user
Beiträge: 9998
Registriert: 04:06:2005 16:05

Beitrag von Marika »

Hallo zusammen!

@Valentina: Du hast so leidenschaftlich geschrieben, ich konnte mit jeder Faser meines Körpers und meiner Seele alles komplett nach empfinden. Ich fühle und fühlte ganz genau so - ich könnte grad vor Rührung und Erleichterung, dass es euch gibt heulen....

Seid umarmt!
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
valentina

Beitrag von valentina »

Hallo zusammen

Es ist wohl das beim Forum, dass man sich einfach verstanden fühlt. Ich habe sonst mit nur sehr wenigen Menschen über meine PPD gesprochen, nur wenn es sich nicht vermeiden liess. Das Unverständnis der Leute kann man ihrem Gesicht ablesen. Einige bemühen sich dich zu verstehen, aber sie können es nicht nachvollziehen. Das ist ja auch eigentlich gut zu verstehen, weil es nicht erklärbar ist. Und deswegen finde ich dieses Forum so wertvoll, man sagt etwas und allen ist klar was man meint. Es tut so gut! Liebe Grüsse Valentina
susi69

Beitrag von susi69 »

Hallo Marika, Saskia, Charlotte, Patricia, Valentina und all Ihr anderen,

es ist so super, Euch zu haben. Und wie Ihr seht habe ich dank Euch schon große Fortschritte gemacht. Heute war ein Tag, ja ich will mal sagen, 50 % so wie früher. Ich hatte heute kaum ZG, die kamen einfach nicht, weil auch weniger Angst, die war einfach nicht so doll da. Und auch keine blöden anderen Gedanken. Ich "probiere" auch meine ZG aus, ob sie noch da sind, dann denke ich den ZG und merke das sie mir nichts ausmachen und bin mir schon 100%-ig sicher, daß ich so etwas nie machen würde. Ist schon ein toller Fortschritt. Natürlich haben sich seit früher meine persönlichen Umstände auch verändert, was sehr zur Heilung beiträgt. Aber so soll es sein und wenn es mir wieder richtig gut geht, dann will ich auch wieder durchstarten. Aber alles gemach. Das kann von einer Minute zur anderen umschlagen.......

Ich weiß jetzt nicht mehr im Einzelnen, was jeder so geantworteet hat, aber ich kann auch all das Geschriebene wiedergeben.

Auf die Frage: "Was haben wir früher den ganzen Tag gedacht?....... NICHTS, bzw. irgendetwas schon, aber man hat nicht unbewußt (also ich kriege das schon manchmal nicht mehr mit, das passiert schon automatisch) jeden Gedanken analysiert und versucht für richtig oder falsch, gut oder schlecht zu bewerten (Grübelzwang). Und wirklich man traut sich selbst nicht mehr über den Weg. Man kann für sich nicht garantieren.
Und was noch schlimm ist. Man hat keine Gefühle. In den Momenten der größten Gefühlshingabe (z.B. ich denke ach ist der Kleine süß) versuche ich shcöne Gefühle mit Macht aufzubauen. Das geht natürlich mit Macht nach hinten los und die ZG kommen, aber keine schönen Gefühle. Also wieder das Gegenteil.....

Auch dieses zwanghafte Verhalten kenne ich zu gut - ich muß jedes falsch geschriebene Wort korrigieren oder ich muß das Glas austrinken, dann führe ich auch die ZG nicht aus, dann passiert meinem Kleinen nichts.

Schön daß Ihr mich versteht.

Danke nochmals fürs Zuhören.

Liebe Grüße
Eure Susi
Carlotta

Beitrag von Carlotta »

Hallo Susi,
ja, das stimmt, das man sich selbst nicht mehr traut und sich auch nix zutraut, also das Selbstwertgefühl im Keller. Ich glaube auch, dass wir alles anders registrieren, jetzt mit der Krankheit. Bestimmt hatte ich früher auch mal Herzrasen nach einer Zigarette oder so, habe mir aber weiter nichts dabei gedacht. Heute wird alles systematisch zerlegt und beoachtet, bewertet. Ich denke auch immer, jetzt musste Dich aber mal freuen, oder das alles toll finden. Und dann sitze ich da und denke: Mensch, Du bist einfach nicht normal, kannste das alles nicht einfach geniessen? Tja, Susi, ich weiss aus eigener Erfahrung (weil ich das alles schon mal hatte, auch ohne Geburt), dass es eines Tages besser sein wird. Aber mit einem Restrisiko müssen wir wohl leben, das müssen aber alle. Schliesslich kann ich auch morgen vom Laster überfahren werden :( Liebe Grüße Charlotte
Antworten