viel zu wenig Information

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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valentina

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Beitrag von valentina »

Hallo zusammen
Als ich Meikis Bericht gelesen habe, konnte ich meinen Augen nicht trauen. Wie kann einen eine Ärztin so im Stich lassen? Frauen mit einer PPD befinden sich in einer Ausnahmesituation und brauchen Hilfe. Es braucht doch schon so viel Mut, dass man erstens einmal sich selber eingesteht, dass etwas gar nicht gut läuft, man hat das Gefühl nächstens durchzudrehen und dann , wenn man sich durchgerungen hat, sich fachmännische Hilfe zu holen, wird man abgewiesen. Ich hatte in meiner akkuten Phase oft das Telefon in der Hand und suchte mir Nummern von Psychiatern und Notfallstellen heraus. Ich hatte immer ein so schlechtes Gefühl dabei und habe mich schlussendlich entschieden einen Arzt aufzusuchen, den ich von einer Akkupunkturbehandlung kannte und der mir sympathisch und einfühlsam erschien. Ich wusste einfach, dass ich Hilfe brauchte.
Aber mir scheint, dass die Ärzte ganz allgemein überfordert sind mit dieser Krankheit. Sie wissen zu wenig, nehmen es zu wenig ernst. Ich glaube auch, dass es noch immer ein ziemliches Tabuthema ist. Wir Frauen reden zu wenig darüber. Aber wie wollen wir darüber reden, wenn uns keiner versteht? Für viele Leute ist es peinlich , sie wollen gar nichs davon hören. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Leute, die von meiner PPD wussten, sehr selten oder überhaupt nie gefragt haben, wie es mir geht. Wenn ich eine "normale" Krankheit habe, werde ich immer gefragt, wie gehts ist es besser? Aber mit psychischen Sachen wird man eigentlich sehr allein gelassen. Ich habe es jedenfalls so erlebt. Und wenn man dann noch von den Arzten im Stich gelassen wird, zu wem will man dann noch Vertrauen haben.
Liebe Meiki, ich hoffe, du kannst dir die Hilfe, die du brauchst, woanders holen und wünsche dir viel Kraft.
Was habt ihr so Erfahrungen mit Ärzten gemacht? Liebe Grüsse Valentina
Carlotta

Beitrag von Carlotta »

Hallo Valentina,
interessante Frage mit den Ärzten. Wobei ich ja nicht so mitreden kann, zumindest was die reine PPD betrifft. Als ich meiner Hausärztin über meine Panik erzählt habe, hat sie sehr gut reagiert. Sie wusste auch, dass das von einer Geburt nochmal ausgelöst werden kann. Sie ist auf alle meine Zweifel, Fragen etc eingegangen und hat nie die Nerven verloren, wenn ich mal wieder in ihrem Sprechzimmer sass und dieses und jenes untersucht haben wollte (bin ja leicht hypochondrisch). Mein Frauenarzt hingegen hat das alles immer gerne abgetan, von wegen die Hormone seien schuld. Naja, Männer eben :) Ich glaube, die Leut fragen nicht so gerne nach pyschischen Sachen, weil sie selber keine Ahnung haben und sich wer weiss was vorstellen, dass man durchdreht etc. Sie haben dann Angst, dass man sie damit belastet. Aber auch da habe ich nur gute Erfahrungen gemacht, viele fragen, obs denn langsam besser ginge. Tja, Du kriegst sicher noch genügend andere Antworten, so pauschal was für oder gegen Ärzte zu sagen, ist wohl eher schwierig :) LG Charlotte
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Marika
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Beitrag von Marika »

Hallo Valentina!

Gott sei Dank kann ich von meinem Hausarzt sagen, dass er gleich ganz super reagiert hat und auch gleich die Diagnose: PPD gestellt hat. Er weiß aber auch selber was es heißt, denn seine Frau hatte das selbe. Er ging und geht sehr offen und einfühlsam damit um und hat mich dann gleich zu einem super Psychiater überwiesen. Er hat aber zuvor sogar in seiner Freizeit einen Hausbesuch gemacht, um länger, als in der Praxis möglich, mit mir darüber zu reden. Das war nach meinem schlimmsten Absturz und ich habe bei ihm geheult wie ein Schloßhund. Er hat auch gesagt, er würde mich gerne viertel Jährlich sehen - einfach um zu schauen, wie es mir geht. Auch mein Psychiater ist wie gesagt wunderbar und auch zu jeder Tages und Nachtszeit erreichbar!

Mein Frauenarzt dagegen (ihn hatte ich als erstes mal angesprochen bei der 6-Wochen-visite) hat da gleich mal etwas abgeblockt, ohne mich richtig ausreden zu lassen. Aber immerhin hat er mir empfohlen, mich in unserer Hebammenpraxis zu melden - was ich auch gemacht habe. Auch da habe ich tolle Unterstützung erfahren.

Mit Bekannten die von meiner Krankheit wissen, habe ich genau das gleiche erlebt wie du: die Wenigsten fragen nach, wie es einem geht. Sie versuchen krampfhaft, das Thema zu umgehen. Ich spreche es dann oft mal selber an, wenn es grad passend ist. Aber irgendwie ist ihnen dieses Thema unangenehm.

Es ist echt schlimm, dass es immer noch so ist in der Gesellschaft. Da muss sich noch viel tun. Denn dass man drüber schweigt, macht es für uns nur noch schwerer. Und ich werde alles dafür tun, dieses Schweigen zu durchbrechen!

Viele liebe Grüße
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Anke
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Beitrag von Anke »

Hallo Valentina,

mit Ärzten habe ich auch ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht.

Mein Hausarzt (ein richtiger Landarzt), mit dem ich sehr zufrieden war, hat nach ausführlichen Befragungen gleich die Diagnose PPD gestellt. Da ich ihm meine damaligen Selbstmordgedanken (noch) verschwieg, konnte er meine Situation nicht richtig einordnen. Später war ich regelmäßig bei ihm und er war mir immer eine große Hilfe.

Mein Frauenarzt erlebte mich ein paar Tage später ganz anders, nämlich total aufgeregt/panisch und voller Sorge ums Kind. Seine Diagnose war dann PPP mit drei Fragezeichen. Nachdem er mir zum Abstillen geraten hat - was in meinem Fall völlig richtig war - besorgte er mir für den nächsten (!) Tag einen Termin beim Psychiater. Dieser war jedoch der erste Reinfall. Nach einem 7-Minuten-Gespräch und einem Rezept über Tabletten konnte ich wieder gehen. Außerdem kritisierte er, warum ich mit meinem Vater und nicht mit meinem Mann hergekommen bin!?

Auch ein negatives Erlebnis hatte ich in einer Tagesklinik; bei dem Gespräch war ein Facharzt und eine Psychologin anwesend, die mich u. a. doch glatt gefragt haben, warum ich denn jetzt weine (ich wurde dorthin mit einer Überweisung/Diagnose geschickt)!

Kurz vor meinem Klinikaufenthalt suchte ich nochmals einen anderen Facharzt auf, der mir zwar riet, ich solle doch mal eine Zeit lang stationär gehen (war absolut gerechtfertigt), mir aber dann von seiner Tochter erzählte, die einen Gips hat (!?), statt mir zu helfen.

Die besten Erfahrungen habe ich allerdings in der Klinik gemacht; sowohl mit meinem Arzt - zu ihm konnte ich täglich gehen und meine Sorgen loswerden - als auch mit den Medikamenten und Therapien.

Auch mein Facharzt, zu dem ich nach meiner Klinikzeit ging, war gut; er hat ganz behutsam die Medikamente ausgeschlichen; ich hatte keinen Rückfall.
Viele Grüße von Anke

"Die Zeit heilt alle Wunden..."
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