Jetzt hat es mich doch erwischt ( vorsicht lang )

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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sandy

Jetzt hat es mich doch erwischt ( vorsicht lang )

Beitrag von sandy »

Hallo zusammen,

ich weiß nicht, ob sich einer von Euch noch an mich erinnern kann. Ich hatte schonmal im November geschrieben kurz bevor ich zur Einleitung ins Krankenhaus musste. Damals hatte ich fürchterliche Angst, dass ich aggressive Zwangsgedanken gegen meinen Sohn entwickeln könnte, da ich diese gedanken schon in der Schwangerschaft gegen meinen Mann hatte.

Tja, nach 3 Tagen Geburtseinleitung bekam ich dann doch endlich Wehen aber der Muttermund wollte sich noch nicht so recht öffnen. Irgendwann gingen dann die Herztöne des Kindes runter und ich bekam innerhalb von 15 Minuten einen Notkaiserschnitt. Das war eigentlich schon das schlimmste was passieren konnte, da ich immer schon furchtbare Angst vor OP's hatte. Ist ja auch egal. Am 17.November um 19.30 Uhr war mein kleiner Niclas dann endlich da und kerngesund. Da seine Nabelschnur vor dem Muttermund lag, hätte er eine normale Geburt niemals geschafft.

Die ersten 24 Stunden war schon komisch für mich. Ich konnte noch gar nicht realisieren, dass das mein Kind sein sollte. Ich hatte schon da Angst mit ihm allein zu sein. Gott sei Dank hatte ich ein Familienzimmer mit meinem Mann. Natürlich kamen auch sofort alle unsere familienmitglieder um Niclas zu begutachten. Das war wohl, wie ich im nachhinein finde, zuviel und zu stressig für mich. Kaum waren alle weg und mein Mann im Raucherzimmer bekam ich den Gedanken ich könnte jetzt durchdrehen und Niclas töten. Ich bekam sofort furchtbares Herzrasen und war froh als mein zurück war. Niclas haben wir dann ins Kinderzimmer gebracht, weil ich zuviel Angst davor hatte mit ihm in einem Raum zu sein. Ich bekam zur Beruhigung erstmal Diazepam von der Ärztin und durfte erstmal nicht mehr stillen. Nach einer Horrornacht hat mein mann meinen Psychologen( er ist auch gleichzeitig Gynäkologe ) angerufen und ihm von meinem Problem berichtet. Der hat dann veranlasst dass ich im KH psychologische Hilfe bekomme.
Mittags kam ein Neurologe vorbei der sich angehört was mein Problem ist und dann nur gesagt hat:" Das wird schon wierder," und dann gegangen ist. Ich bekam dann das ganze Wochenende wieder meine alten Medikamente und erfuhr Montags, dass ich damit doch wieder stillen durfte. Man war ich glücklich, hatte mich so schlecht gefühlt weil ich schon das Fläschen geben musste.

Dienstags nach einem Gespräch mit ner Psychologin bekam ich Zoloft verschrieben und bin auch am gleichen Tag noch entlassen worden.

Kaum zu Hause angekommen ging es mir blendend. Ich war wieder wie früher. Ich hatte Spass am Leben und an meinem Würmchen. Zwar hatte ich noch ein wenig Angst vor der zeit wo mein Mann wieder arbeiten musste aber auch das war unbegründet. Als klappte wunderbar. Ich hatte zwar zwischdurch doofe Gedanken, aber die haben mir keine Angst gemacht, weil ich wusste das es nur Gedanken sind.

Dann genau nach 7 Wochen war alles wieder da. Morgens hatte ich auf einmal den Gdanken mein Baby zu töten ( ich kann es kaum schreiben, soviel Angst macht mir dieser Gedanke ). Ich dachte ich werde verrückt und konnte nicht mehr glauben, dass es nur Gedanken sind die ich nicht ausführe. Bin wie ein aufgescheuchtes Huhn durch die Wohnung gelaufen und hatte Angst ins Schlafzimmer zu gehen wo ja Niclas lag und schlief. Habe mich dann zusammen gerissen und das getan was mein Psychologe mir immer rät und bin der Situation nicht ausgewichen sondern habe mich ihr gestellt. hat auch geholfen. irgendwann waren die Gedanken vorbei und es ging mir wieder besser. Das ist jetzt 1,5 Wochen her und seitdem hatte ich ständig den Gedanken dass die Angst wieder kommen könnte. Zweimal hatte ich schlimme Panikattacken deswegen. Die schlimmste letzte Nacht.

Ich habe um 2 Uhr gestillt und wollte gerade wieder schlafen als ich daran dachte was für schlimme nachrichten über Mütter die ihre Kinder töten ich in letzter Zeit wieder gehört hatte. Dann kam der Gedanke: " Bin ich vielleicht auch so? Ich drehe bestimmt noch durch und tue es. Aber mein Psychologe sagt doch immer, wenn ich keine Stimmen höre die mir Dinge befehlen sind das nur Gedanken. Höre ich Stimmen? Nein! Oder doch? " Und in dem Moment schoss mir der Gedanke durch den Kopf: " Ersticke Dein Baby. " Es war nur ein Gedanke, aber ich hatte so Angst, dass es eine Stimme sein könnte. Ich bekam sofort Herzrasen, einen Klos im Hals und Durchfall. Habe dann meinen Mann geweckt nur um nicht alleine wach zu sein. Irgendwann ließ die Panik nach und ich bin eingschlafen. Aber seitdem ist die Angst da, dass ich es irgendwann doch tun könnte.

Sorry, ist etwas lang geworden, aber es hat mir geholfen mal darüber zu schreiben.

Alles liebe.

Sandra.
valentina

Beitrag von valentina »

Liebe Sandra
Du tust mir so leid,solche Gedanken können einen total fertig machen. Und nichts kann einem in dem Moment helfen. Vielleicht aber, wenn du weisst, dass viele Frauen im akkuten Stadium der PPD solche Gedanken haben. In einem Bericht, den vor nicht so langer Zeit jemand im Forum geschrieben hat, hiesss es- solche Gedanken kommen wie ein Blitz-
Ich habe es auch so empfunden, wie ein ganz schneller Impuls und dann wieder weg, aber die Angst bleibt einem, macht einen halb verrückt. Das sind ja keine Stimmen. Ich dachte damals auch, fehlt nur noch, dass ich Stimmen höre! Das darf man gar nicht zu oft denken, sonst bildet man sich sowas zuletzt noch ein. Und ganz entscheidend ist ja auch, dass wir so etwas als etwas Furchtbares empfinden, wir haben schon beim blossen Gedanken Panik. Leute, die Stimmen hören und Dinge wahrnehmen, die es nicht gibt sind ja meistens felsenfest davon überzeugt, dass sie im Recht sind, dass ihr Blickwinkel stimmt. Aber deine schlechten Gedanken werden durch die PPD ausgelöst, du liebst ja dein Baby über alles.
Ich weiss, theoretisch tönt alles so einfach. Aber glaube daran, dass es besser wird, mit den Medikamenten sowieso. Ich wünsche dir viel Kraft, um die schlimme Zeit durchzustehen. Liebe Grüsse Valentina
sandy

Beitrag von sandy »

Liebe Valentina,

Du hast recht, ich liebe mein Baby über alles mein Herz platzt mir jedesmal fast wenn der kleine Mann mich anlächelt. In guten Momenten denke ich auch, dass ich meinem Kind niemals was antun würde aber in schlechten bin ich mir da leider nicht mehr so sicher.

Ich darf wirklich nicht zuoft darüber nachdenken, dass ich jetzt auch noch Stimmen hören könnte, dann fange ich nämlich an mir wirklich welche einzubilden.

Ich danke Dir sehr für Deine Antwort, es macht vieles leichter wenn man weiß, dass es auch anderen so geht oder gegangen ist. Jeder Mensch der das durchleiden muß tut mir so unendlich leid, weil diese Gedanken wirklich eine Qual sind.

Alles liebe.

Sandra.
swanwater

Beitrag von swanwater »

hallo sandy!!!

ich bin ja noch ganz neu hier. ;) hoffentlich darf ich überhaupt antworten!!

ich wollte dir nur sagen: als meine tocher noch ganz klein war hatte ich zwar keine gedanken sie umzubringen oder so, aber oft den gedanken ihr weh zu tun, sie zu schlagen oder sowas. :-( grade nachts, wenn sie geschrien hat und ich übermüdet war.

mir hat es immer geholfen dann das licht anzumachen und sie anzugucken. ihr gesicht zu sehen. dann ging es mir meist besser.

vielleicht könntest du was ähnliches tun?? wenn man das gesicht seines kindes sieht... dann weiss man doch einfach das man es liebt und ihm nichts antun WILL, oder???

allerdings, seit es mir jetzt schlechter geht weiss ich, wie schwer es sein kann das auch wirklich zu tun. :-(

alles gute!

swanwater
Sas

Beitrag von Sas »

Liebe Sandy,

ich möchte Dir Mut Machen. Was Du jetzt durchmachst ist die Hölle, aber es wird besser. Du wirst Deinem Kind niemals etwas tun. Du hast nur diese ANGST davor, dass Du es tun könntest. Und auch, dass Du Dich fürchtest davor, dass die Gedanken wiederkommen ist eine Form von Angst. Die Angst kann ganz schön fies sein. Sie hackt sich richtig in Deine schwächsten Punkte. Ich kann Dir nur raten, verstecke Dich nicht vor ihr. Ich hatte auch Angstzustände und Zwangsgedanken. Je mehr man sich versucht, vor ihnen zu verstecken,sie zu verdrängen, umso stärker werden sie. Wenn Du die Gedanken zulässt wird es erstmal heftig für Dich. Aber lass sie mal kommen, setz Dich der Angst aus, zeig ihr die Stirn, denk den Gedanken zuende. Du wirst sehen, die Panikattacken sind zwar anfangs stark, aber mit der Zeit werden sie schwächer und irgendwann haben diese Gedanken keine Bedeutung mehr und verschwinden. So war es bei mir. Einige hier im Forum haben das Buch " Der Kobold im Kopf" gelesen, das ich auch für ganz gut halte. Es beschäftigt sich genau mit unseren Zwangsgedanken und gibt einige hilfreiche Tips.

Lass Dich nicht unterkriegen, ich war auch da, wo Du jetzt stehst. Vielleicht sogar noch etwas weiter unten, denn ich habe über drei Monate in der Psychiatrie verbracht.
Du schaffst es!

Saskia
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Marika
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Beitrag von Marika »

Hallo Sandy!

Erstmal herzlichen Glüchwunsch zu deinem Baby! Ich kann nich noch sehr gut an dich und deinen Beitrag erinnern - schön, dass du dich jetzt wieder meldest. Leider wegen nicht so einem tollen Anlass, aber ich möchte dir trotzdem auch Mut machen: Du kommst aus diesen ZG wieder raus - das ist die gute Nachricht - man muss nur was dafür tun und (leider!) Geduld haben.

Auch mich haben solche schrecklichen ZG gequält, dass ich einfach nur tot umfallen wollte. Ich weiß wie furchtbar sie sind und was man für ein schlechtes Gewissen hat, wenn die kleinen einen (trotzdem) anlachen und lieb haben.

Mein kleiner Schatz ist jetzt 9 Monate und ich habe es mittlerweile geschafft, das Gedankenkarussel der ZG zu durchbrechen. Heute ist fast nichts mehr von ihnen übrig geblieben, eher so ein Gefühl manchmal, das die berühmte "Angst vor der Angst".

Geholfen hat mir dabei mein Medikament und meine Psycho/'Verhaltenstherpaie, sowie die alternative Medizin (Bachblüten, chinesische Medizin).

Auch du wirst es schaffen, die ZG zu besiegen. Sie sind ganz fiese Genossen, ich weiß es. Aber es sind "nur" Gedanken, sie haben absolut NICHTS mit deine Wünschen oder deinem Wollen zu tun. Sie sind Ausdruck einer tiefen Angst in dir - der Angst, dein Baby zu verlieren. Mit Hilfe einer Therapie, ist es möglich diese Angst zu überwinden und mit íhr die ZG

Auch das Buch "Der Kobold im Kopf" ist eine riesen große Hilfe und Stütze!!!! Mir hat es in der schwersten Zeit unglaublich geholfen!

Liebe Sandy, wir sind hier immer für dich da! Meld dich wieder und lass uns wissen, wie es bei dir weiter geht, ja!!!!

Sie lieb gegrüßt!
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
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