Ein Jahr nach der Psychose

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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Tania

Ein Jahr nach der Psychose

Beitrag von Tania »

Hallo,
habe noch nicht oft hier ins Forum geschrieben, doch irgendwie muß ich mal den Druck von meiner Seele loswerden.

Gestern vor einem Jahr wurde meine Tochter geboren. Alina heißt sie. Mir ging es 14 Tage nach der Geburt ziemlich schlecht. Bin in eine Psychose reingerutscht. Muß noch dazu sagen das man bei mir vor 8 Jahren, als ich 25 war, erstmals die Diagnose manisch-depressiv festgestellt hat.
Das ich dazu prädestiniert war nach der Geburt eine Krise zu bekommen wußte ich aber das es mich so heftigst erwischt hätte ich nicht gedacht.
Mein vorheriger behandelnder Arzt hat mich in der Schwangerschaft nicht mehr einbestellt und er wußte das ich keine Medikamente mehr nahm.
Nach der Schwangerschaft erfuhr ich das man unter ärztl. Kontrolle die Medikamente hätte nehmen könne. Die ersten Monate waren für mich wichtig das ich nichts nehme, da ich mir Sorgen machte evtl. ein Fehlbildung am Kind zu bekommen, da es mit Valporat zu Mißbildungen kommen kann. Da ich auch noch Hebamme bin hat mich das erst recht beunruhigt und dazu veranlaßt erstmal nichts zu nehmen. Dies geschah unter Einverständnis meines Arztes. Doch der meinte ich solle erst nach der Geburt wieder kommen.
Als ich merkte es geht nicht mehr, es stimmte nichts mehr, bin ich in die Klinik. Insgesamt war ich 2.5 Monate im Krankenhaus. Bis auf eine Woche hatte ich unsere Tochter bei mir. Bin zwei Wochen nach dem Kliniksaufenthalt in eine Mutter-Kind Einrichtung wo ich dann endlich gut aufgehoben war.
Leider ist es durch meine krankhafte Phase zu Schwierigkeiten in der Verwandschaft meines Mannes gekommen was mich heute noch belastet. Doch das schreibe ich ein ander mal da ich sonst bis morgen früh noch sitze.
Warum ich jetzt schreibe ist da mir richtig Angst und Bange gedanklich ist was vor einem Jahr war.
Mir geht es seit Sommer letzten Jahres gut, und mein Mann hat hinter mir gestanden, ich habe nebenher in meinem Beruf wieder gearbeitet und fange jetzt im Februar Teilzeit wieder an zu arbeiten. Bin beruflich als Hebamme gut ausgefüllt und unser Sonnenschein macht mir viel Freude.
Doch diese Gedankengänge was vor einem Jahr war belasten mich sehr und habe leider noch keinen passenden Therapeuten für mich gefunden.
Habe natürlich Angst mich wieder nur in die Arbeit zu verrennen und nur für die anderen da zu sein als auch mal an mich zu denken.
So war es vor der Zeit als ich Mutter wurde. Ist es normal das solche Angstgedanken kommen? Leider kann ich nicht mit meinem Mann darüber reden, für ihn ist die Sache abgeschloßen vergessen und vorbei. Mir hängt es ganz schön nach und es tut mir auch für meine Tochter leid, das sie mich am Anfang so erleben mußte.
Gibt es jemanden dem es auch so ergangen ist. Obwohl soweit alles in Ordnung ist , ist man sich innerlich überhaupt nicht im Klaren.
Selbst meinem ärgsten Feind wünsche ich nicht so einen Zustand.
Was mich an mir selbst wundert ist, wenn ich erzähle das es mir im Wochenbett nicht gut gegangen ist, sage ich nicht mehr ich hatte eine Depression sondern habe jetzt schon zweimal erzählt bin in eine Psychose gerutscht. Ich habe die Erfahrung gemacht das die Leute auf Psychose sehr komisch reagieren als wenn man das Wort Depression nimmt.
Leider habe ich am eigenen Leib erfahren dürfen wie es ist vorverurteilt zu werden.
Jetzt ist es ein Jahr her und ich trage immer noch ziemlich viel mit mir rum.
So nun mache ich Schluß da es sonst kein Ende mehr nimmt.

Gruß Tania
Erika

Beitrag von Erika »

Liebe Tania,

du bist eine echt mutige Frau.Respekt!Ich leide auch unter PPD und weiss wie das schwer ist.Ich habe mehrmals meine Therapheutin gefragt,wenn es alles vorbei ist,werde ich einmal wieder solche Angstgedanken haben.Sie hat mir gesagt dass ich immer weiter Angst haben werde,aber sie wird mir nicht viel ausmachen.Ich weiss nicht ob ich dir geholfen habe.Du sollst auf jeden Fall zur Psychotherapie gehen,um stabil zu bleiben.Alles Gute!

Erika
Nora

Beitrag von Nora »

Hallo Tania,

ich kann Deine Angst gut verstehen. Ich habe auch immer wieder Angst davor, daß alles wieder von vorne losgeht. Ich hatte direkt nach der Geburt meines Sohnes eine PPD. Das ist jetzt 8 Monate her und eigentlich geht es mir seit 6 Monaten wieder gut uns eit November richtig gut. Doch hin und wieder denke ich an die erste Zeit zurück und kriege richtig Angst davor, daß es wieder kommt. Allerdings wird die Angst langsamer kleiner je stabiler ich bin. Ich glaube einfach, daß uns diese Angst davor noch ein Stück begleiten wird is sie ganz vorbei ist. Meine Therapeutin in der Gruppe hat mir gesagt, daß das, was ich erlebt habe so nicht wiederkommt, denn ich nehme ja Medikamente und mache eine Therapie. Die schreckliche Zeit sitzt einem halt noch so im Nacken und sol lange ist es ja auch bei Dir noch nicht her. Hab etwas Geduld, die Angst wird weniger werdern, je weiter das zurückliegt.
Das die Leute auf das Wort Psychose schlimmer reagieren kann ich mir gut vorstellen - der "normale" Mensch denkt ja bei sowas gleich an irgendwelche Schockerfilem die er mal gesehen hat und denkt, derjenige ist völlig durchgeknallt. Leider hat das viel mit der mangelnden Aufklärung und der Angst der Leute zu tun, sich mit dem Thema Psyche allgemein auseinanderzusetzen. Ich hatte vor meiner PPD auch ein ganz falsches Bild davon und habe erst durch meine Krankheit erfahren, was das ist. Aber tröste Dich, die Reaktionen in meinem Umfeld, als ich offen darüber gesprochen habe, daß ich an einer Portpartalen depression erkrankt bin waren auch nicht immer besser - ich glaube einige dachten echt, ich gehöre in eine geschlossene Anstalt und in eine Zwangsjacke. Das ist ja so die allgemeine Vorstellung der Menschen bei diesem Thema. Wenn es Dir etwas ausmacht, dann sprich halt nur von Depression - die Leute können ja nicht wirklich den Unterschied zu einer Psychose einschätzen.

Liebe Grüße
Nora
valentina

Beitrag von valentina »

Hallo Tanja
Du hast wirklich einen schönen Beruf, wäre heute auch mein Traum!
Du hast geschrieben, dass du das Erlebte nach der Geburt noch nicht bewältigt hast. Mir geht es auch so. Bei mir ist es allerdings schon fünf Jahre her. Ich hatte vorher noch nie auch etwas annähernd ähnliches in meinem Leben, nach den andern Geburten war ich in einem Hoch und konnte,heute schäme ich mich dafür, nie Frauen verstehen, denen es schlecht ging. Das man selbst da keinen Einfluss darauf hat musste ich dann bei meinenm jüngsten Kind heftig erfahren. Bei mir hats sehr lange gedauert, weil ich auch viel zu spät Medikamente nahm. Ich hatte zweimal einen Rückfall und erst ca. seit zwei Jahren geht es mir besser. Ja, es geht mir eigentlich gut. ZG sind weg, Ängste eigenglich auch, aber wie du habe ich Mühe, wenn ich an diese Zeit zurückdenke. Ich hatte nichts von meinem Baby, ich funktionierte nur noch einigermassen. Und im Hinterkopf sitzt die Angst, so etwas wieder einmal durchmachen zu müssen. Ich denke aber auch, das kommt daher weil wir alle erleben wie klein der Schritt von unserer "normalen" Welt in eine andere ist. Ich glaube aber auch, dass wir, wo wir jetzt genau Bescheid wissen, die Symptome kennen , nie mehr so tief rutschen würden. Wir wissen ja auch, dass man Hilfe annehmen muss.
Eines würde mich noch interessieren. Ist die PPD in der Hebammenausbildung kein Thema. Mit all den Symptomen , auch der Früherkennung. Ich habe einfach das Gefühl, dass die Krankheit viel schneller in den Griff zu bekommen ist, wen man frühzeitig reagiert. Als ich sechs Wochen nach der Geburt in die Nachkontrolle ging, sagte ich meinem Gynäkologen, ich habe oft das Gefühl umzukippen ( so hats bei mir angefangen) . Er sagte nur, na ja die Belastung ist auch grösser geworden. Ich habe oft gelesen hier, dass es Frauen gibt, die genau diese Angst auch haben. Das wäre doch für einen Gynäkologen ein Grund aufmerksam zu werden, finde ich. Oder wie siehst du als Fachfrau das.
Ich denke, die PPD prägt einen schon. Vielleicht wird es nie wieder ganz so wie es vorher war. Geniessen wir einfach die schönen Momente ganz bewusst und wir haben ja auch viel gelernt, vielleicht wird es nie wieder ganz so wie vorher, vielleicht wird es besser! Alles Liebe Valentina
Ava

Beitrag von Ava »

Hallo Tanja,

erst mal will ich Dir sagen, dass es super ist, dass es vorbei ist, ich meine die Psychose... Das ist das aller aller wichtigste, und mit dem Stigma Psychose wirst Du lernen, umzugehen, denn es ist eines. Psychose ist nicht salonfähig, die es nicht kennen, stempeln einen ab, Depression geht gerade noch. Aber auf die Leute, die so sind, kannst Du einfach pfeifen, und außerdem bist Du es, die bestimmt, wo sie das Wort Psychose gebraucht und wo besser nicht...
Also Du hast es in der Hand, oder? Jetzt, da es Dir wieder gut geht, brauchst Du noch etwas Zeit, um die "Nachwehen" zu verkraften, Du wirst sehen, es geht Stück für Stück bergauf...
Ich freue mich sehr für Dich, dass Du es heil überstanden hast und gesund bist!!!!

Alles Liebe Ava
Blancanieves

Beitrag von Blancanieves »

Hallo Tania!!

Gut, dass du die PPS hinter dir hast!!!
Ich leide zurzeit nicht unter PPD oder PPS, hatte aber am Ende der 2. SS Depris und Angstzustände bekommen. Es war schrecklich, ich dachte ich sterbe....Es war sehr schwer auch noch hochschwanger dagegen zu kämpfen und versuchen die Ruhe zu bewahren...Sofort nach der Geburt fing ich an, mein AD wieder zunehmen, weil ich Schlimmeres verhindern wollte... Das danke ich diesem Forum, wenn ich damals dieses Forum nicht gefunden hätte, hätte ich nicht gewusst, was mir nach der Geburt meines Babys passieren kann. Keine meiner Ärzten hat mir auch gesagt, dass ich lieber vorbeugen sollte. Na ja.. Tatsache ist, dass die Depris und Ängste kamen und gingen... es war nicht jeden Tag so schlimm, trotzdem war es sehr, sehr traurig und schreckend...

Jetzt 5 Monaten nach der Geburt meines Babys geht es mir gut... ab und zu kommen die Gefühle von damals, verschwinden aber bald wieder...(mein Medikament hilft mir dabei sehr)
Wenn es mir heute gut geht, versuche an die traurigen Momente zu denken... und versuche zu begreifen, warum ich solche Angst hatte, oder so krank war...Es gibt nur eine Erklärung: Meine Hormone waren durcheinander und haben das Ganze verursacht und Punkt...
Natürlich denkt man, wenn man sich soo schlecht fühlt alles Mögliche, sieht man alles negativ, und will man am bestens verschwinden...alles hinter sich lassen und vielleicht eine andere Frau werden... Man mag sein Wesen nicht mehr, man fühlt sich verloren, verzweifelt, leer, furchtbar traurig, ohne irgendeine Freude...

Das alles passiert, wenn man krank ist... also wir müssen geheilt werden... und das dauert seine Weile...
Tania: du hast eine sehr traurige Zeit hinter dir... und da du ein Mensch bist, hast du natürlich Angst jetzt...
Ich denke auch, dass du als Hebamme anderen Frauen, die jetzt krank sind, helfen kannst... Es gibt so viele Frauen, die Hilfe und Verständnis brauchen... du kannst mir deiner Erfahrung diesen Frauen richtig helfen, da du nachempfinden kannst, wie diese Frauen sich fühlen...

Du weißt jetzt, dass man arbeiten kann und versuchen immer für andere da zu sein... aber man muss sich als Mensch nicht vergessen, das soll man nicht... und das wird dir nicht wieder passieren...

Ich frage mich jetzt immer: Wie kann das angehen, das die Hormonumstellung nach einer SS eine Frau so krank machen kann... Jetzt weiß ich, dass Hormone sehr, sehr wichtig sind und dass unser Gefühlsleben von unseren Hormonumstellungen abhängig ist....Unglaublich nicht wahr?? Es gibt Frauen, die nie eine Depri gehabt haben oder Angstzustände kennen... und werden trotzdem nach der Geburt krank...
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Uli W.
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Psychose

Beitrag von Uli W. »

Liebe Tania,

zum Thema Psychose kann ich Dir auch antworten, da ich ebenfalls eine PPP hatte. Ich finde es ganz wichtig, dass man sich überlegt, wem man was davon erzählt. Ich spreche meist von einer psychischen Erkrankung nach der Geburt und warte einige Zeit, bis ich jemanden näher kenne, vor ich mehr erzähle. Viele Leute, die damit noch nie konfrontiert wurden, sind einfach geschockt von der Heftigkeit einer Psychose und können sich auch schwer vorstellen, dass man wieder ganz davon geheilt wird. Mir hilft es natürlich, dass das Ganze schon fast 16 Jahre her ist und ich dementsprechend Abstand dazu habe. Es hat sehr lange gedauert, bis ich alles verarbeitet hatte und die Gespräche in der SHG haben mir sehr dabei geholfen. Auch die MV's des Vereins, zu denen auch immer viele PPP-Frauen kommen, tun mir sehr gut.
Es ist absolut normal, dass Du jetzt, so um den "Jahrestag" herum, wieder größere Ängste verspürst. Lass sie zu, sie sind nichts Schlimmes. Je mehr Zeit vergeht desto mehr werden sie verschwinden. Ganz sicher hilft Dir auch Deine Therapie dabei.
Vielleicht kannst Du als Hebamme mit daran arbeiten, dass die psychischen Krankheiten nach der Geburt ein bisschen bekannter werden und nicht mehr so viele Frauen unvorbereitet in so etwas hineingeraten. Wir machen leider immer wieder die Erfahrung, dass Hebammen sich dagegen wehren, das Thema in den Vorbereitungskursen zu erwähnen, weil die Frauen angeblich nichts davon hören wollen. Man muß ja niemandem Angst machen, aber einfach sagen:"Das gibt es. Und es gibt Hilfe. Wende dich an deine Hebamme, wenn es dir seelisch nicht gut geht", das würde schon reichen!

Soviel für heute, alles Liebe von Uli
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