Ziehen euch schlimme Berichte auch noch runter?

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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Marika
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Ziehen euch schlimme Berichte auch noch runter?

Beitrag von Marika »

Ein liebes Hallo euch allen!

Vorab möchte ich schon mal an eure Nachsicht appelieren, falls mein Beitrag etwas wirr oder lang wird. Mir gehen grad sehr viele Gedanken durch den Kopf - also schon mal sorry!!!!

So und das beschäftigt mich grad: Eben kam ein Bericht über Kindesmissbrauch (schon das Wort alleine erzeugt Übelkeit bei mir) im Fernsehen. Schrecklich! Solche Dinge ziehen mich immer noch hin und wieder runter - so wie jetzt gerade. Es ist zwar lange nicht mehr so schlimm, wie am Anfang der PPD, aber ich merke dann immer deutlich, dass ich noch nicht gesund bin, sondern mich "nur" gesund fühle.

Ich meine damit, dass ich dann ins Grübeln verfalle und mich dauerend hinterfrage, was einen Menschen zu so einer Tat treibt. Die nächste Stuffe ist dann (nach dem ich keine Antwort gefunden habe), dass ich MICH frage, ob solch ein Wahnsinn auch in mir schlummert. Die Antwort ist immer "Nein", aber das reicht mir dann nicht. Typisch, das ist der Zwang - in diesem Fall wohl die "Zwangsgrübelei" (hallo lieber Grübelzwang, du gehst mich an... hey, das reimt sich ja - na da haben wir doch gleich was Positives an der gemeinen Situation gefunden - mein Psychiater wäre stolz auf mich - muss ich ihm erzählen) - ich will 100 % Sicherheit. Die gibt es aber für NICHTS im Leben (hab ich grad selber vor kurzem hier jemandem geantwortet....) Alleine der Umstand, dass es solche Menschen gibt reicht aus, um mich extrem zu verunsichern.

Klar sind so Emotionen wie Wut, Trauer oder Angst um sein Kind sicher normal, wenn man so was hört. Aber diese Grübelei, dieses ständige in sich horchen und sich hinterfragen ist für mich schon klar noch ein Syptom der PPD. Und ich weiß auch ganz genau vom Verstand her, dass ich mich da selber wieder in die Angstspirale (wenn auch wesentlich schwächer als früher) reinrede... Ach menno (ich ziehe grad ne Schnute....)
Wenigstens sind es keine ZG mehr, sonder Zwangsbefürchtungen - glaube ich...

Seht ihr, jetzt ist es echt lang und etwas wirr geworden. Aber das sind meine Gedanken gewesen. Ich fühle mich aber schon etwas besser, weil ich weiß, ihr werdet mich verstehen.

Ich schick euch ganz liebe Grüße - ich werde jetzt ein Lavendel Bad nehmen..... ich glaub, das tut mir gut!!!

Bis bald ihr Lieben!
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Carlotta

Beitrag von Carlotta »

Hallo Marika, auch wenn Du gerade schon in deiner Wanne hockst ::)))
Also, ich kann Deine Gedanken gut verstehen, vor allem, was das Restrisiko im Leben betrifft. Auch, wenn mich solche Berichte nicht vollkommen runter ziehen, spüre ich einfach nur Angst, dass meinen Mädels jemals sowas zustossen könnte. Da wurde letztens einer verurteilt, der eine 6-jährige (also so alt wie Anika) vergewaltigt und umgebracht hatte, tja, da muss ich mich auch schnell "ablenken", um mir das unsagbar grauenhafte nicht vorzustellen. Das gelingt natürlich auch nicht richtig, und ich klebe dann an irgendwelchen Horrorbildern fest. Wie Du schon richtig schreibst, gibt es im Leben keine Garantie. Das merke ich immer wieder ganz deutlich an meinen Krankheitsängsten. Eine Freundin hat letztens was passendes dazu gesagt: wenn ich solche Angst davor hätte, eine schlimme Krankheit zu kriegen, müsste ich mich eben in ein Krankenhaus einquartieren, da wären immer Ärzte da. Aber stell Dir vor, was wäre das für ein Leben? Und so ähnlich ist es mit Deinen Gedanken zum Missbrauch. Du kannst Dir 1000 Fragen dazu stellen, was das für Leute sind, ob Du auch fähig wärst etc, aber damit belastet Du Dich nur, weil es eben keine 100% Garantie im Leben gibt. Damit meine ich natürlich nicht, dass DU zu sowas fähig wärst, aber in die Köpfe der anderen kannst Du nicht schauen. Und das ist vielleicht auch besser so, zumindest in solchen Fällen :))) Du bist ja schon, wie Du sagst, weg vom Zwang und das Dich solche Geschichten trotzdem belasten, mental, finde ich normal. So, ich hoffe, ich konnte Dir bissl helfen, der Lavendel wird sein übriges tun, dass Dein Kopf wieder mit schönem gefüllt wird ... Ganz liebe Grüße Charlotte
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Marika
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Beitrag von Marika »

Liebe Charlotte!

Bin zurück aus dem Lavendel Bad und es war traumhaft. Und jetzt noch deine lieben Zeilen - ich danke dir vielmal. Ich sehe jetzt etwas klarer (glaube der Lavendel hat meine Gedanken echt etwas geordnet ;-)). Diese Gefühle der Angst, wenn ich sowas höre sind wohl normal, nur bewerte ich sie wieder total über. Das kennen wir ja aus der Übung - Situation-Bewertung-Konsequenz, gell!

Liebe Charlotte, du hast mir auch sehr geholfen, den Wirr-Warr in meinem Kopf wieder zu lösen. Und du, ich freue mich schon sehr, dich in Marburg persönlich kennen zu lernen.

Bis bald und ein schönes Wochenende!
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Blancanieves

Beitrag von Blancanieves »

Marika!

Was du beschreibst ist so was von typisch für diese Krankheit!!!

Ich weiß auch nicht, was in diesen Menschen vorgeht... wenn ich echt so etwas tun könnte, würde ich sofort Hilfe suchen und mich einsperren lassen... nein... um ehrlich zu sein, damit könnte ich nicht leben wollen..."ich habe jemandem so weh getan"... Da merkt man, dass wir doch unfähig sind so etwas zu tun.... Wenn ich solche Berichte sehe, finde ich es unglaublich... und kann es nicht begreifen... wie kann man einem Baby oder einem Kind so weh tun, Grün-Blau schlagen oder sogar verbrennen....
Glaubt ihr, dass solche Menschen irgendwie Schuldgefühle oder Alpträume haben, ich glaube nicht... die wollen trotzdem weiter leben und suchen noch nach Ausreden...Wenn ich so etwas gemacht hätte, könnte und wollte ich nicht weiter leben...

Diese ZG sind nur ein Teil dieser traurigen Krankheit, die werden ingerdwann mal verschwinden... wir sollten aber nicht deswegen unser Leben kaputt machen und diesen ZG Macht geben...Diese ZG entsprechen nicht der Realität unseren wahren Gefühlen...wir sind doch alle sehr liebe Frauen...

Liebe Grüße, Blanca
Zuletzt geändert von Blancanieves am 20:01:2006 22:32, insgesamt 1-mal geändert.
sunshine

Beitrag von sunshine »

Hallo ihr Süssen,

aber das ist es ja gerade: denkt ihr diese Leute haben ein schlechtes Gewissen oder gar Angst davor ihren Kindern was anzutun????

BESTIMMT NICHT!!!!!

Wir zerfleischen uns schon im Vorfeld selbst, weil wir "nur dran denken".

Der Schlüssel ist die ANGST/SORGE/GEWISSEN das diese Leute sicher nicht haben. Meist dauert sowas ja über Tage, dass ein Kind so gequält wird, wir würden nach einem Popoklopfer schon rote Ohren kriegen, oder spätestens wenn wir uns etwas beruhigt haben kommt das megaschlechte Gewissen, oder?


Also eure hübschen Köpfchen hoch,
eure mitzwängerin Christine
Jutta

Beitrag von Jutta »

Auch mich ziehen solche Beiträge wieder runter. Dabei dachte ich vor einiger Zeit, dass ich schon weiter bin .... Es schleichen sich auch wieder so doofe Gedanken ein. Es sind diese fiesen Angstgedanken, dass ich alles nicht schaffe, wie es wohl weitergeht etc. Hoffentlich geht es bald wieder vorbei. Über ein Jahr schlage ich mich schon mit der PPD rum, einige Monate ging es mir aber schon sehr gut. Gruß Jutta
Patricia

Beitrag von Patricia »

Oh ja... das kenne ich!

Mich ziehen alle negativen Dinge ganz schnell runter. Das kann auch nur ein satz sein, eine Nachricht, ein Gedanke, ein Lied.

Ich denke sehr schnell "wie grausam das Leben ist" und "wofür das alles".

So habe ich früher nicht gedacht da fand ich es zwar auch schlimm was so alles in der Welt geschieht aber es hat mich nicht so runtergezogen wie es das jetzt tut.

Ich hoffe dass wir bald gelassener mit all den schlimmen Dingen umgehen können und nicht in ständiger Angst leben.

Liebe Grüße

Patricia
meiki

Beitrag von meiki »

Hallo zusammen,
mich macht so was total fertig. Habe gérade gelesen, daß eine Mutter ihre zwei Kinder ertränkt und sich dann selbst getötet hat. "sie litt vermutlich an Kindbettdepression..."
Was muß diese Frau auch gelitten haben vorher, die Kinder, der Mann, unvorstellbar. Warum hat niemand ihre Not gesehen? Denn ich gehe davon aus , daß es unerkannte PPD war, sonst hätte sie ja Medis oder stationäre Behandlung erhalten, oder?
Traurige Grüße
meiki
Blancanieves

Beitrag von Blancanieves »

@meiki!!

Ja. Das ist furchtbar traurig... so etwas muss passieren, so dass unsere Krankheit vielleicht im Ernst genommen wird und wir nicht so alleine gelassen werden... Die Gesellschaft hat meiner Meinung nach Schuld. Auch die Familie dieser armen Frau... hat keiner gemerkt, dass etwas nicht in Ordnung war??? Hatten die Kinder keinen Kinderarzt oder sie kein Frauenarzt.. Es würde mich interessieren, wie es zu so einer Tragödie , kommen könnte..

Blanca
susi69

Beitrag von susi69 »

@ meiki, @ blanca,

hallo Ihr zwei,
den Bericht habe ich auch gelesen und seitdem wieder totale Panik und ZG. Diese nacht auch seit langem wieder mal einen furchtbaren Alptraum, den ich hier vielleicht nicht näher erläutere, damit ich nicht wieder neue nahrung streue...

Ständig frage ich mich, wie das passieren konnte. Was ist bei der Frau anders gewesen, als bei den anderen Frauen hier. Hab´ ja gott sei DAnk keine PPD, aber trotzdem macht man sich Sorgen.....

Liebe Grüße
Susi
valentina

Beitrag von valentina »

Viel besser als früher
Ich kenne das mit dem Runterziehen auch sehr gut. Lange Zeit las ich überhaupt nichts mehr, sah mir keine Tagesberichte an,alles löste Angst aus. Mit der Zeit waren es dann "nur" noch die Berichte über Triebtäter, und Kindsmisshandlungen. Das Allerschlimmste war, solche Berichte erschüttern einen ja immer sehr, auch wenn man gesund ist, aber plötzlich war da immer die Frage "könnte ich das auch? Was hat diesen Menschen getrieben? Ich werde ja auch gezwungen solche Gedanken zu haben, zu was würde ich noch fähig sein?" Das machte mich total fertig. Und am schlimmsten waren immer Berichte über Mütter, die ihre Kinder umgebracht hatten. Da kam der Gedanke " also gibt es doch solche, die es tun !" Und das riss mich in tiefe Abgründe. Das ging sehr lange Zeit, ich hielt mich auch von solchen Dingen möglichst fern. Aber jetzt plötzlich merke ich eine Veränderung. Die Distanz ist wie grösser geworden und ich finde solche Dinge ganz normal erschütternd, aber ich weiss, dass ich sowas nie könnte oder gekonnt hätte. Was ich heute denke, wie Meiki auch schreibt, ich frage mich, wie diese Frauen gelitten haben. Und wahrscheinlich haben sie niemandem davon erzählt und niemand hat es wahrgenommen. Unglaublich, nicht?
Ich denke, wenn man sich Hilfe holt, ist man schon einen ganzen Schritt voran. Und dass es wirklich vorbei geht, merke ich jetzt. Bei mir ist es seit Ausbruch ja fünfeinhalb Jahre her. Ich habe viel Geduld gebraucht aber es wird gut, bei euch allen auch! Liebe Grüsse Valentina
susi69

Beitrag von susi69 »

@ Valentina,

genauso, wie Du es beschreibst, ist es bei mir auch. Ich meine die Sache mit den negativen Informationen aus Presse und Fernsehen. EBenso ist es mit Krimis und ähnlichen Filmen im Fernsehen. STück für Stück geht ein bisschen mehr. Ein Zeit lang lief bei uns nur Sport im Fernsehen. Tageszeitungen hab ich gleich weggeschmissen.

Jetzt, wo es etwas besser geht (die positive Zeit überwiegt der negativen Zeit), da kann ich mir auch mal wieder mehr ansehen oder lesen, ohne daß ich zwanghaft denke, daß ich die schlimmen Sachen auch tun könnte...... und wie Du schon schreibst, es sind in den guten MOmenten die alten gewohnten Denkmuster wieder da (ohne Angst).

..... es wird, es wird!

Liebe Grüße
Susi
Christina

Beitrag von Christina »

Hallo Marika,

oh ja sowas zieht mich auch immer runter. Ich versuch es nicht so sehr in mich reinzulassen. Ich bin ein sehr sensibler Mensch und steigere mich gern in sowas total rein. Deswegen muss ich sehr aufpassen. Wenn ich nur daran denke das es solche Menschen gibt wird es mir dermassen schlecht. Heute grade lass ich in der Bild-Zeitung einen Bericht. Vieleicht hat es auch jemand von euch gelesen. Mit der Janine und ihrem Vater. Sorry aber ich kann es nicht niederschreiben sonst muss ich mich übergeben. Ich habe solche Angst das meinen Kindern was passiert das ich immer Horrorvisionen habe was ihnen alles zustossen könnte. Ich muss da total auspassen das ich mich da nicht reinsteigere. Ich guck mir auch meistens solche negativen Sachen im Fernseh oder Zeitung nicht an. Und wenn es mal zufällig passiert dann beschäftigt mich es total und ich muss stundenlang weinen.

Naja so sind wir halt nunmal, gell.

Lg
Chris
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Marika
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Beitrag von Marika »

Hallo ihr lieben Frauen!

Ich danke euch sehr, dass ihr eure Gedanken und Gefühle nieder geschrieben habt. Wenigstens sind wir so nicht alleine damit.

Es so ein Wahnsinn, was alles passiert und wie man aufeinmal anders denkt und fühlt wenn man Kinder hat. Man wird so sensibel und verletzlich, ich denke oft, ich bin all dem Schlechten schutzlos ausgeliefert. Na ja, sensibel war ich immer schon, aber irgendwie hat sich dass, seit Noahs Geburt noch verstärkt.

Aber alles Negative und auch etwas Positives und damit möcht ich auch schließen: Durch diese Sensibilität sind wir nämlich in der Lage mit unseren Kindern eine seelische Einheit zu bilden. Unser Herzen sind verbunden und wenn wir in die Augen unserer Schätze sehen, wissen wir alles. Diese Liebe und Verbundenheit ist viel stärker als schlechte Einflüsse.

Ich grüße euch ganz lieb und umarme euch!
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
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