Nochmal an Medikamente rantasten?

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Lalelu84

Nochmal an Medikamente rantasten?

Beitrag von Lalelu84 »

Hallo,

Ich habe jetzt beim Lesen mitbekommen, dass die meisten hier doch Medikamente brauchten um wieder auf die Beine zu kommen.

Jetzt habe ich auf zwei Antidepressiva ganz extrem reagiert. Auf Zoloft 50mg hab ich mit extremen Bauchkrämpfen, Übelkeit (es war unmöglich etwas zu essen), Derealisation und stündlichen, nächtlichen Panikattacken reagiert. So schlecht ging es mir noch nie vorher im Leben. Musste nach 3 Tagen absetzen. Dann Escitalopram 5 mg für 3 Tage. Da ich am 3. Tag plötzlich Impulse hatte mir das Leben zu nehmen musste ich auch das sofort absetzen. Nun habe ich Angst zu Hause was neues zu probieren (in einer Klinik mit Überwachung wäre mir lieber).

Nehme jetzt Johanniskraut und Baldrian seit einer Woche. Aber ob das hilft? Mir gehts echt nicht gut.

Also, bei den meisten waren wirklich Medis nötig um den Durchbruch zu schaffen? Hattet ihr auch so extreme Reaktionen auf die Antidepressiva? Bin so verunsichert....

Liebe Grüsse
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Marika
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Re: Nochmal an Medikamente rantasten?

Beitrag von Marika »

Hallo du,

es ist eigentlich fast immer so, dass man am Anfang nur die negativen Nebenwirkungen des ADs zu spüren bekommt. Deine extremen Erfahrungen sind aber eindeutig Indikatoren um ab zu brechen. Wie gesagt, ganz wird man um anfängliche Nebenwirkungen nicht herum kommen. Man kann dann aber zur Überbrückung einen so genannten "Angsthemmer" nehmen. Diesen nimmt man dann ein paar Wochen, bis die NW sich gelegt haben und das AD seine positive, erwünschte Wirkung entfalten kann. So war es z.B. bei mir. Es ging mir sehr, sehr schlecht - ohne Medikamente wäre ich persönlich nicht auf die Beine gekommen. Genau so wichtig war für mich aber auf jeden Fall die Therapie, eine 2. sehr wichtige Säule. Ich habe gelesen, dass dein Therapeut nicht so "das gelbe vom Ei" für dich persönlich ist. Wenn du wieder in Deutschland bist, schau dich hier um, es gibt wirklich sehr gute Angebote.

Wie ich lese, käme auch ein Klinik Aufenthalt für dich in Frage - finde ich sehr gut, da bist du einem geschützten Rahmen und kannst - wenn du dich für Medikamente entscheidest - gut und engmaschig behandelt werden, besonders wenn du evlt. stark auf ein Medikament reagierst. Auf usnerer Startseite gibt es ein Verzeichnis von Kliniken und Fachleuten.

Baldrian und Johanniskraut können helfen, sind aber eher bei leichten bis max. mittelschweren Depressione geeignet. Ich würde an deiner Stelle in Deutschland euren Hausarzt aufsuchen, der kann dir eine Überweisung zu einer Fachperson ausstellen - also Neurologe/Psychiater/Psychotherapeut...

Noch etwas: die meisten finden nicht auf Anhieb das passende Medikament - da muss der Arzt tatsächlich ein bisschen probieren. Das ist nicht angenehm, aber man wird fündig. Für den Flug nach Deutschland: auch hier könnte dir ein "Angsthemmer" helfen. Viele nehmen so was z.B. weil sie Flugangst haben. Dieses Medikament wirkt innerhalb weniger Minuten und hält Stunden an. Dann ist alle wieder wie vorher. Diese Medikamente haben einen Nachteil: sie machen bei langem, dauerhaften Missbrauch - abhängig. Sie sind dafür gedacht, über eine begrenzte Zeit hinweg zu helfen. Also z.B. bis ein AD wirkt, bei Flugangst... In dieser Zeitspanne besteht auch kein Abhängkeitspotenzial.
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Lalelu84

Re: Nochmal an Medikamente rantasten?

Beitrag von Lalelu84 »

Hallo,

Danke für deine Antwort.

Ja, ich wäre sofort bereit eine Klinik aufzusuchen, wenn meine 2 jährige mit könnte. Die hängt an mir wie eine Klette und bleibt bei niemanden und stillt auch noch. Der Leidensdruck ist recht groß bei mir.

Ich habe noch 20 Tabletten Clonazepam 0,5 mg hier. Da werde ich wahrscheinlich am Tag des Fluges eine schlucken.

Ich werde mich jetzt schon mal über die Angebote in D informiereb, dass ich dann gleich starten kann mit der Therapie.

Liebe Grüsse
Lalelu84

Re: Nochmal an Medikamente rantasten?

Beitrag von Lalelu84 »

Hallo,

Ich habe noch eine Frage wegen der Medis.

Wurdet ihr gefühllos mit Antidepressiva? Ich habe Angst davor, keine Emotionen mehr zu spüren.

Mein Umfeld ist auch so dagegen, was es für mich noch schwieriger macht. Meine Mama schickt mir ständig irgendwelche Artikel wie schlimm und unwirksam Antidepressiva sind. Mein Mann ist der einzige, der mir da nicht reinredet. Aber meine Eltern verunsichern mich doch sehr.

Hab jetzt in D schon eine Ärztin die Akupunktur macht und eine Heilpraktiker mit Schwerpunkt Psychotherapie (hat einen sehr guten Ruf). Sonst muss ich erst mal wieder in die deutsche Krankenversicherung um zu "normalen" Ärzte gehen zu können (ab Mai dann).

Liebe Grüsse
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Marika
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Re: Nochmal an Medikamente rantasten?

Beitrag von Marika »

Hallo,

nein, ich wurde absolut NICHT gefühllos durch mein AD. Allerdings gibt es natürlich solche Wirkungen, das wäre aber dann ein Hinweis darauf, dass man ein ungeignetes AD hat. Es ist gar nicht so einfach für den Arzt auf Anhieb das passende AD zu finden, denn es gibt mehrere Botenstoffe im Gehirn die betroffen sein können und je nach dem, braucht es ein anderes Medikament. Es ist eine sehr interessante Materie, mir hat es sehr geholfen, mich da richtig hinein zu lesen und zu informieren.

Natürlich kenne ich auch die negativen Meinungen zum Thema Psychopharmaka. Für mich persönlich der reinste Humbug und an Unverantwortlichkeit nicht zu überbieten. Ich habe in meinem 13 Jahren mit der Thematik unzällige Frauen hier belgeiten dürfen, die durch das AD und Therapie (oft auch noch zusätlich Alternative Heilmethoden - das ist immer super, habe selber davon sehr profitiert) Leben GERETTET wurden und diese Frauen wieder eine Lebensqualität bekommen haben. Die Schattenseite kenne ich aber auch: in meinem Bekanntenkreis gibt es leider auch Beispiele, die ohne Medikamente nach Jahrzehnten noch leiden... oder schlimmer....

Das heißt jetzt nicht, das jeder Mensch mit psych. Problemen Psychopharmaka braucht. Es soll einfach nur zeigen, dass diese Medikamentengruppe nachweislich Leben RETTEN kann und daher ihre absolute Berechtigung hat. Es ist wichtig, sich gut zu informieren, sich seine EIGENE Meinung zu bilden und gut an zu schauen, woher so manche "Informationen" kommen. Was ich da schon alles gelesen habe, was Psychopharmaka anscheinend so haarsträubendes alles anstellen, ist einfach nur erstunken und erlogen und macht mich wütend, weil es Menschen die leiden - wie du im Moment z.B. - so verunsichern. Lass dir in deine Entscheidung nicht drein reden, sondern hol dir deine Infos SELBER!!!

Niemand nimmt gerne Medikamente, wir alle hier wären lieber gesund und nicht auf ein AD angwiesen, denn natürlich muss dieses auch wieder abgebaut werden, was den Körper belasten kann. Ich nehme mein AD seit 13 Jahren - allerdings nur noch in sehr geringer Dosis. Ganz ohne geht es bei mir nicht, mein Gehirnstoffwechsel kann sich selber leider nicht mehr ganz regulieren. Ich hätte es gerne anders, aber das Leben ist nun mal kein Wunschkonzert. Mit dem AD bin ich kerngesund, habe eine Lebensqualität wie nie zuvor und trotzdem mein sensibles Naturell nicht verloren. Ich bin kein anderer Mensch geworden durch das AD, sondern einfach nur psychisch stabil!
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Lalelu84

Re: Nochmal an Medikamente rantasten?

Beitrag von Lalelu84 »

Hallo,

Danke für deinen ausführlichen Text. Ja, ich werde mir in Deutschland dann auch direkt einen Endokrinologen und einen Psychiater suchen und falls meine Hormone ok sind werde ich dem Thema Medis offen gegenüberstehen, denn so geht es ja nicht weiter.

Vielen Dank nochmal fürs Mut machen. Ihr seid echt eine Riesenhilfe hier.

Liebe Grüsse
Graureiherin
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Re: Nochmal an Medikamente rantasten?

Beitrag von Graureiherin »

Hallo Du,

eine Freundin (Kunsttherapeutin) hat die Wirkung eines ADs für mich ganz gut beschreiben. Sie meinte, es wirkt wie eine Glasplatte, die sich über den dunklen Abgrund schiebt. Du siehst noch alles, aber das Gefühl ins Haltlose hinabzustürzen wird viel, viel geringer. Du fühlst dich dadurch sicherer und kannst therapeutisch besser arbeiten.

Ich wurde auch kein gefühlloses Monster. Ich war / bin immer noch ich, nur stabiler. Ich sehe es wie Marika, ADs können Leben retten. Zum Glück gibt es diese Medis. Sie sind gut erforscht, machen nicht abhängig und sind relativ Nebenwirkungsarm. Das hat schon lange nichts mehr, mit den Medis vor zig Jahren zur tun. Das sich solche negativen Geschichten so hartnäckig halten ist ein Unding und sicherlich auch dem geschuldet, dass psychische Erkrankungen in verschiedener Hinsicht keine Lobby haben. Einrichtungen, die sich um psychisch Kranke kümmern, haben z. B. auch große Schwierigkeiten, ehrenamtliche Helfer zu finden. Deshalb mal wieder ein Lob allen Mädels hier, die sich immer und immer wieder die Zeit nehmen auf Beiträge ausführlich zu antworten.

Alles Gute Dir und viel Kraft

die Graureiherin
postpartale Zwangserkrankung 10/2012
Cipralex bis 2014
Rückschlag 2015, wieder Escitalopram bis 15mg
langsame Reduzierung auf 5 mg Escitalopram seit Juli 2017
Verhaltenstherapie beendet seit September 2017
Lalelu84

Re: Nochmal an Medikamente rantasten?

Beitrag von Lalelu84 »

Hallo,

Nachdem mir mein Passwort wieder eingefallen ist, kann ich mich mal wieder melden....

Bin jetzt mit den Kindern in Deutschland. Eine Woche vor Abflug, während der Reise, als mein Mann noch eine Woche da war und auch die Woche danach hatte ich echt das Gefühl es geht aufwärts. Allerdings habe ich die Ängste noch nicht im Griff und seit das Wetter so schlecht ist, hatte ich wieder einige Tiefs. Also leider absolut nicht stabil.

Bin bei einer Ärztin für Psychiatrie und Psychologie. Die ist schon älter (40 Jahre Erfahrung) und arbeitet mit Tiefenpsychologie. Hatte erst eine Sitzung und zwischenmenschlich stimmt es auf jeden Fall. Ich mag die richtig gern. Die hat mir neben Gesprächstherapie auch eine Selbsthilfegruppe empfohlen. Da möchte ich ab nächster Woche hin.

Allerdings ist sie auch ein Medikamentengegner (es ist ja fast wie verhext, dass mir keiner was geben will). Sie verschreibt nur noch was in absoluten Ausnahmesituationen.

Bin durcheinander ob ich noch zu einem anderen Psychiater gehen soll oder nicht. Denn irgendwie hab ich das Gefûhl da selbst nicht rauszukommen.

Ja, alles etwas durcheinander. Ich weiß nicht ob ich mich falsch darstelle, aber irgendwie halten die Ärzte meinen Zustand für nicht so dramatisch obwohl ich mich oft extrem schrecklich und hoffnungslos fühle. Ich sage denen das auch.

War das bei euch auch so?

Liebe Grüße und hoffe euch allen gehts gut
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