Heute hatte ich meine 3.psychotherapeutische Stunde!

Austausch von Erfahrungen mit Therapieformen, Infos, Tipps

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Milla

Heute hatte ich meine 3.psychotherapeutische Stunde!

Beitrag von Milla »

Hallo ! :D

Ich wollte euch kurz über diese Stunde berichten.

Ich habe viel,viel über meine Vergangenheit erzählt und insbesondere über die sexuellen Übergriffe durch meine beiden Cousins,den Opa meiner Cousine und meinen Vater.Als ich über das Schlagen durch meinen Vater gesprochen habe,wäre ich um ein Haar in Tränen ausgebrochen.War ganz überrascht,daß diese negativen Emotionen so schnell wieder hochkommen würden,obwohl es mir zur Zeit ganz gut geht!

Das nächste Mal werden wir eine Langzeittherapie bei der Krankenkasse beantragen,ich hoffe,daß sie genehmigt wird.Ich habe so viele unverarbeitete Erlebnisse aus der Kindheit und der Jugendzeit in mir!

Sie hat mir gesagt,daß es aus Studien über Migranten-ich bin in Marokko geboren und bin erst mit 4 Jahren nach Frankreich gezogen- bekannt ist,daß sie oft depressiv sind,weil sie kein "Zusammengehörigkeitsgefühl" haben.Eigentlich genau das Gefühl,das ich mein Leben lang hatte -und noch hier in Bayern habe-das Gefühl,keiner Gruppe zu gehören,immer ausgeschlossen zu sein.Ich war z.B. in der Schule immer allein,hatte nur ein paar Freunde.Und dieses Gefühl habe ich hier auch mit der Familie meines Mannes-ich bin die "Fremde" und habe das Gefühl,ich werde es immer sein-mit den Leuten hier:immer die Fremde,immer,immer.

So,ich hoffe,ich habe euch nicht langweilt.Aber ich hatte das Bedürfnis darüber zu schreiben.Sie hat mir empfohlen,wieder ein Tagebuch zu führen und über meine traumatischen Kindheitserlebnisse zu schreiben,um sie zu verarbeiten.

Ich wünsche euch eine schnelle und tiefe Genesung!

Gute Nacht!
Muschelkalk

Beitrag von Muschelkalk »

Huhu, Milla!
Im Vergleich zu dem, was du so mit dir rumschleppst, sind meine Traumata klitzekleine Püpschen...

Aber: Das ändert nix daran, dass man Miniblähungen genauso behandelt wie Magendarm-Gewitter. Die neuste und effektivste Methode ist das EMDR. Was genau das ist, erfährst du am besten beim Surfen.

Ich habe das jetzt mit meinem "Bisschen" gemacht, und ich muss sagen: Es scheint endlich ein Weg zu sein, diese Erinnerungen abzustreifen. Toitoitoi

Ob das deine KK bezahlt ist die eine Frage. Ausserdem sollte das nur ein Therapeut machen, der das wirklich gelernt hat. Bei falscher Anwendung kann man die Leute nämlich noch stärker traumatisieren.

Liebe Grüsse
Muschelkalk

Und hier nochmal der Spruch, der mich schon mein ganzes Leben begleitet:
Kopf hoch, ist der Hals auch dreckig! (by Muschelmama)
susi69

Beitrag von susi69 »

Hallo Muschelchen,

was bitte ist EMDR? Und wo im Internet steht was darüber?

Viele Grüße
Susi
Milla

Beitrag von Milla »

Hallo Susi! :D

Du kannst dich (Links!) hier darüber erkundigen:

http://medizin-der-emotionen.de/info/emdr.html

Das Buch von David Servan-Schreiber kann ich nur weiter empfehlen!
Milla

Beitrag von Milla »

Hi Muschelkalk! :D

Du interessierts mich sehr stark:wie viele Sitzungen hast du schon gemacht?

Ich kenne diese Methode aus dem Buch von David Servan-Schreiber und habe gestern,als ich in Therapie zu weinen angefangen habe,sogar überlegt,es doch zu probieren.

Mir war es nicht bewußt,wie traumatisierend diese sexuelle Übergriffe und die
Gewalt durch meinen Vater waren , ich hatte gedacht,das alles habe ich längst verdaut.Die Therapeutin denkt aber,daß diese Traumata eine große Rolle in der Entstehung meiner Depressionen gespielt haben.Ich habe heute Nacht wegen dieser Erinnerungen ziemlich schlecht geschlafen!

Ich werde mir demnächst über die Möglichkeiten erkundigen,eine Therapie hier zu machen.Ist bestimmt nicht billig und wird sicher nicht von den Krankenkassen bezahlt.
Muschelkalk

Beitrag von Muschelkalk »

Hallo Mädels,

ich werd mal versuchen, es kurz zu erklären. Ich bin ja ein sehr skeptischer Mensch (bin Naturwissenschaftlerin und eher unempfänglich für so Esoterik-Krimskrams). Deswegen war ich zu Anfang eher skeptisch.

Hier die Story:

Habe im Herbst meine Drogen abgesetzt... 8) bin ja eine ganz Coole...
Ergebnis: Riesenkrise (volles Programm)
Bin dann zu einem neuen Psychiater. Wollte eigentlich nur wieder ein Tablettenrezept..aber, da ich den Kopf unterm Arm hatte, ist es nicht bei dem Rezept geblieben. Der Doc hat sich meine Geschichte angehört und hat dann den Begriff "reine ZG's" in den Raum geworfen. Das war für mich so, als wäre die Sonne aufgegangen, denn jetzt konnte ich endlich alles erzählen...hab mich vorher immer so geschämt. Und dann hab ich ganz viel gelesen, usw. usf.

Der Arzt, bei dem ich bin, hat eine Ausbildung als Traumatherapeut. Und er hat mir angeboten, mal zu gucken, ob es Erlebnisse von früher gibt, die mir hmmm...wie sag ichs...noch nachgehen...und ich glaube, das kennt jeder von euch. Das sind so Erlebnisse aus der Kindheit oder Jugendzeit, die uns noch heute mit Trauer, Scham..erfüllen. Beispiel: Ich habe als ich 12 war, die Antenne des Walkie-Talkies meiner besten Freundin aus versehen abgebrochen. Und dann hatte ich so Angst vor einer Bestrafung, dass ich mich in mein Zimmer verkrochen habe und nicht mehr rauskommen wollte... (Ich geb ja zu, das ist jetzt nicht wirklich das Megabeispiel, aber ich möchte hier nicht zu persönlich werden).

OK. Jetzt zu diesem EMDR. Es gibt viele Wissenschaftler, die solche Traumata (und, das muss nix Schlimmes sein, ich meine, man muss nicht im Tsunami gewesen sein, um traumatisiert zu sein) aus der neurobiologischen Sicht sehen. Also, die gucken nicht: Was sagen die Inhalte über die aus, sondern die gucken ins Gehirn und stellen fest: Dinge, die uns auch Jahre später noch belasten, hängen in einer Zwischenetage im Gehirn fest. Versucht das mal ganz plastisch zu sehen. Oben in der 3. Etage passierts, abgespeichert und somit vergessen wirds im Keller. Und die Infos sind vor Jahren im Aufzug steckengeblieben...Und dort geistern sie rum.

Beim EMDR spricht man relativ wertneutral über diese Aufzuggäste. Dann, nach einigen Stunden kann man einschätzen, was eine wirklich schlimme Sache war und was wohl eher nebensächlich war.

Dann gehts los: EMDR ist keine Therapie sondern eine Technik. Übersetzt heisst das Augenbewegungs-Desensibilisierung. Der Therapeut bittet dich, dir das Geschehen von damals so gut wie möglich vorzustellen. Das ist sehr anstrengend und gruselig, kann ich euch sagen. Man glaubt gar nicht, wie gut man wieder in den Albtraum eintauchen kann.
Und während man daran denkt, muss man die Hand des Theras angucken. Der sitzt so halb neben einem und bewegt seine Hand vor deinem Gesicht hin und her, hin und her. Und zwar nach einem bestimmten Muster. Und du sollst den Fingern folgen.

Zurück zur Neurobiologie: Durch das Denken an das Schlimme und das gleichzeitige hin- und hergucken gerät der Aufzug in unserem Gehirn wieder in Fahrt. Die schnellen Augenbewegungen entsprechen in etwa den Bewegungen, die wir in bestimmten Schlafphasen vollziehen.

(Einschub: Man unterscheidet den Schlaf in so genannte Tiefschlafphasen (hier regenerieren sich die Organe), und Traumphasen (REM = rapid eye movement...deswegen heisst ja auch die Gruppe so) Und wie wir alle wissen, hilft Träumen, das Gehirn zu regenerieren...oder bildlich gesprochen: Durch das Träumen kommt der Aufzug, der vollgestopft ist mit so Scheisskram, wieder in Bewegung)

Okay, ich weiss, das ist jetzt wissenschaftlich nicht sehr korrekt, aber ich versuche es, für euch alle so gut wie möglich zu vereinfachen.

So zurück zu dieser EMDR-Technik. Wenn das gut läuft und richtig gemacht wird, hat man eine tolle Chance, endlich mal den Deckel auf das ein oder andere Fass draufzubekommen. Und die Augenbewegungen simulieren quasi das normale Träumen. Dieses Gebiet ist momentan eines der am besten untersuchtesten. Die "Heilungsrate" (bezogen auf traumatische Erlebnisse) liegt bei ca. 90 Prozent. Mittlerweile ist das die Methode der Wahl bei Menschen, die wirklich schlimm traumatisiert wurden (z. B. Autounfall, Tsunami, Vergewaltigung...)

Aber: Es hilft auch bei kleineren Traumata...

Uff...am besten ihr fragt weiter, dann kann ich genauer auf die einzelnen Sachen eingehen.

Muschelkalk
Sas

Beitrag von Sas »

Liebe Milla,

es ist schrecklich, was Du in Deiner Vergangenheit alles erleben mußtest. Es ist wirklich dringend nötig gewesen, dass Du anfängst alles aufzuarbeiten.
Was Du beschrieben hast, mit den Depresionen bei Migranten kann ich voll unterstützen. Ich kenn das aus meiner Arbeit mit Flüchtlingen, die oft einiges erlitten haben.
Vielleicht ist das EMDR ja tatsächlich was für Dich. Probeire es doch mal und schriebe dann über Deine Erfahrungen damit.

Liebe Grüße,

Saskia
Issa

Beitrag von Issa »

Liebe Milla,

ich melde mich schon wieder zu Wort. Du sagst, dass du ganz überrascht darüber bist, wie schnell deine Vergangenheit im Gespräch hochkam und es klang in meinen Ohren auch so, als seist du überrascht darüber, dass dir fast die Tränen kamen. Dabei hast du in deiner Kindheit offensichtlich viele schlimme Erlebnisse haben müssen!!
Manchmal denke ich, dass wir das, was wir erleben, in seiner Wirkung auf uns schlichtweg unterschätzen. Wie ich heute schon einmal geschrieben habe: wir stehen nicht so drüber, wir sind nicht so unberührt, wir sind nicht so souverän, wie wir das gerne hätten.
Dir, liebe Milla, wünsche ich alles erdenklich Gute für deine Therapie!
Lässt du es uns wissen, wenn du etwas gelernt hast, das uns allen nützlich sein könnte?(Steht dir natürlich völlig frei!!!)

Liebe Grüße

Issa
Milla

Beitrag von Milla »

Hallo meine Lieben!

Danke vielmals für euere lieben Antworten!

@Muschelkalk:Ich danke dir sehr für deine lange und ausführliche Antwort!Diese Methode spricht mich sehr an und ich werde mich nach den Möglichkeiten hier erkundigen.

@Saskia:Ja,ich habe einiges erleben müssen , dachte aber bis dahin,daß ich fast alles schon verarbeitet hätte.Ich dachte zumindest nicht mehr von mir aus an diese Erlebnisse und war ganz überrascht, als die Tränen anfingen zu knullern,als ich darüber sprach.Die Therapeutin war sehr klar:diese unverarbeiteten Erlebnisse spielen bestimmt eine große Rolle in der Entstehung meiner Depressionen und müssen deswegen aufgearbeitet werden.
Sie dachte auch,daß diese mehreren Ortwechseln (von Marokko nach Frankreich,dann nach Deutschland) zu meinem Gefühl der Einsamkeit und dadurch zu meinen Depressionen beigetragen haben,weil ich eben dadurch kein Zusammengehörigkeitsgefühl habe.Das stimmt total,weiß aber nicht,ob es sich eines Tages ändern wird!

@Issa:Ja,liebe Issa,ich habe die Wirkung dieser Erlebnisse wohl sehr unterschätzt.Da es nicht zu eigentlichem sexuellen Mißbrauch kam (ich meine,mit sexuellem Verkehr),sondern es sich nur um sexuelle Annäherung/Berührungen handelte ,dachte ich bisweilen,das Ganze sei nicht so schlimm gewesen.Aber es stimmt nicht,sogar jetzt, wenn ich daran denke,wird mir ganz anders, auch wenn mir nicht immer die Tränen kommen.Aber diese Erlebnisse haben mich sehr ängstlich und unsicher gemacht und erklären vielleicht zum Teil meine Eheprobleme.Und ja, diese Erinnerungen werde ich wahrscheinlich nie löschen können,ja, diese Erlebnisse waren ein Traumata!Das Schlimmste ist diese Wut gegen diese Männer, die sich das Recht genommen haben,mich sexuell wie ein Objekt ihrer Lust zu behandeln und daß ich diese Wut nicht äußern darf,weil diese Männer meiner Familie gehören!Keiner außer meiner Mutter weiß Bescheid,keiner würde mir glauben,wenn ich das erzählen würde!
Und ich bin ein wenig meiner Mutter böse,daß sie mich in meiner Kindheit nicht schützen konnte.Ich war von 17 bis 20 Jahre Bulimikerin und weiß,daß viele Bulimeriken sexuelle Übergriffe erlebt haben.Tja, ich werde auf jeden Fall meine Tochter früh aufklären und sie NIE,NIE ALLEIN mit Männern (Cousins,Onkel,Opa) lassen!
Danke liebe Issa für deine guten Wünsche!Ich lasse euch auf jeden Fall wissen,wie meine Therapie in diesem Bereich abläuft!
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