Kurzes Philosophicum: Wer oder Was bin ich?

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Elisabeth11

Kurzes Philosophicum: Wer oder Was bin ich?

Beitrag von Elisabeth11 »

Hallo!

In meiner mittlerweile schon seit anderthalb Jahren regelmäßig stattfindenden Therapie war das Thema nicht nur einmal, das ich irgendwie Probleme habe, mich quasi über mich selbst zu definieren. Wir kamen zu dem Thema, weil ich in meiner Karenzzeit wirklich Probleme damit hatte, soviel Zeit mit mir selbst zu haben, die Kleinen sind ja noch nicht so gesprächig :-) Ich hab so viel gegrübelt, was denn eigentlich bleibt, wenn ich weder Mutter, noch Lebensgefährtin, Freundin, Krankenschwester, Studentin oder sonstwas bin. Wo ist die Quintessenz? Was davon bin wirklich ich? Was würde aus mir, wenn ich mich entscheide, zwei Wochen lang ganz allein auf einer Alm zu leben, bildlich gesprochen jetzt?
Und dann hab ich begonnen, all meine "Rollen" zu subtrahieren, schicht für schicht weg. Je mehr ich das gemacht hab, desto mehr hab ich auch angst bekommen, dass dann nichts mehr bleibt, dass es mich selbst nicht gibt.
Und: so ist es auch! ABER: das ist gar nicht negativ, man muss es nur von einer anderen Seite betrachten, also das Vorzeichen wechseln. Und statt weiter zu subtrahieren hab ich begonnen zu addieren, Mutter, Lebensgefährtin, Freundin, Krankenschwester, Studentin und alles was mir sonst noch zu mir eingefallen ist. Und genau das erst ergibt dann mich; das und ein unfassbares "Etwas", welches genau dieses Quentchen ist, dass das Ganze zu mehr macht als der Summe seiner Teile. Irgendein Mix aus Sozialisation und genetischer Veranlagung, der meine Rollen umspielt wie Wasser, ich kann es nicht besser ausdrücken.

Und dieser Gedanke, dass ich aus dem allen bestehe und es deshalb ganz logisch ist, wenn mich das Fehlen einer Rolle (damals war ja die Mutterrolle schwierig und die Krankensr. nicht existent) eben ins Wanken bringt. Ich dachte, ich müsste mir selbst genügen, aber das muss und kann ich nicht, der Mensch steht doch immer in Wechselwirkung mit der Umwelt.

Nicht einmal der Körper ist eine Einheit - so viele (Sinnes)organe sind nur dazu da, um uns mit der Außenwelt zu vernetzen; die Natur hat uns nicht so geplant, dass wir ohne Umwelt existieren können, ohne äußere Reize kann sich der Körper gar nicht voll entwickeln, wir müssen in ständigem Austausch stehen. Nobody is an island.

Wenn jemand von euch auf der Suche ist nach seinem inneren Kern, dann beginnt nicht, Schichten von euch abzukratzen, sondern pappt noch ordentlich was drauf und seht euch das Gesamtkunstwerk an. Und wenn ihr unbedingt einen Kern braucht, irgendwas reduziertes, dann stellt euch vor, ihr bohrt wie mit einem Erdölbohrer durch all eure Schichten und nehmt diesen bunten Querschnitt als Kern.

(Ich überlege gerade, ob sich das psychotisch anhört, ich weiß es nicht, wie gut ich das rüberbringen kann, was ich mir denke)

Und dieser holistische Ansatz macht mich so glücklich - wirklich, ich hab das Gefühl, etwas wichtiges für mich richtig geklärt zu haben.

So, gratuliere an alle, die es bis hierher geschafft haben! :-)

Gute Nacht

E
Ylaina

Beitrag von Ylaina »

Hihihi, ich hab's geschafft. :wink: Weil ich es total interessant fand.

Ja, ich bin auch wieder mehr bei mir angekommen und kann mich auch dementsprechend wieder mehr nach außen wenden.
WEIL ich eben meine Mamarolle jetzt addiert hab, noch oben drauf gepackt hab.
Mir ging's ja letzens nicht so gut. Es war eben schon einige Zeit her, dass ich Mama geworden war, aber eben so ganz beim Kern war ich nicht, mit mir ganz im Reinen (wann ist man das eigentlich? 8) ). Ich war noch nicht beim Mamasein angekommen, aber neu war es auch nicht mehr.
Und im Moment hab ich das Gefühl da anzukommen und eine total neue, und ich finde wunderschöne (eventuell sogar vermisste) Seite an mir zu entdecken. Eher Dimension, nicht Seite.

Und übrigens, mich hat schon immer alleine nur das Wort hollistisch angesprochen. Das kommt aber auch daher, dass man sich zerrissen fühlt und wenn dieses ganzheitliche Gefühl einem überkommt ist es eben Heilung, Segnung pur. Da kann man sich schon mal psychotisch oder manisch oder so fühlen. Ist man auch. Wie beim Verliebtsein, ist man ja auch medizinisch gesehen 'ver-rückt'.

Hat mich zumindest inspiriert und berührt, danke, dass Du mich daran hast teilhaben lassen.

Liebe Grüße
Verena
Leuchtkäfer

Beitrag von Leuchtkäfer »

Hallo Elisabeth,

ja, das war eine spannende Idee. Ich hätte schon so einen Gedanken, was bleibt, wenn man alle Rollen abzieht: Die Grundeigenschaften und wie stark sie in einem ausgeprägt sind. Diese Eigenschaften bestimmen doch irgendwie, wie wir unsere Rollen im Leben spielen und definieren, oder?

Also, ich bin eher nicht ängstlich, deshalb bin ich auch keine ängstliche Kollegin, Ehefrau oder Mutter. Ich bin ungeduldig, das bin ich in allen meinen Rollen u.s.w. Wenn dann Rollen im Leben wegfallen (die als Tochter z.B. beim Tod der Eltern), dann muß man sich natürlich neu sortieren. Jede neue Rolle im Leben birgt dann die Chance, seine Eigenschaften so oder so einzubringen.

Ich kann auch schlecht mit mir alleine sein, habe davor aber irgendwie keine Angst.

Ich werde bestimmt noch weiter über diese Thema nachdenken,

Grüße von Leuchtkäfer
ubure

Beitrag von ubure »

Liebe Elisabeth,

Du bist Deinem Selbst mit diesen Gedanken sehr nahe gekommen - genauso ist die ayurvedische Sichtweise des Seins. Unser Körper, die Welt wie wir sie sehen, die Rollen, die wir spielen, sind alles nur Muster, vom Selbst ausgedacht, zum Spielen gedacht. All das wird irgendwann abfallen, ausgetauscht, je nach Willen des Selbst. Das Selbst erschafft das Ego (das ist unsere Vorstellung von uns als Mensch), so, wie es will. Im nächsten Leben wird sich unser Selbst etwas anderes als Ego ausdenken. Nicht wir sind in der Welt, die Welt ist in uns. :D Und wir sind dass Selbst, das zuschaut, beobachtet, den Menschen, von dem wir denken, wir seien er.

LG,
Inez
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